Jörg Müller

Präsident des Oberlandesgerichts Karlsruhe

1986-1992: Jura-Studium in Tübingen und Aberystwyth/Wales UK

1992-1995: Referendariat LG Tübingen, parallel HiWi am Lehrstuhl Lenckner, Uni Tübingen, Nachhilfe für Jura-Student*innen, Nebenjob bei RAe Schlauch und Koll. Stuttgart

1995-1996: Zivilrichter AG Waiblingen

1996-1997: Zivilrichter Berufungskammer LG Stuttgart 

1997-1999: Staatsanwalt Umwelt- / WirtschaftsstrafR StA Stuttgart

1999-2002: Referent Strafrecht Justizministerium Stuttgart

2002-2008: Referatsleiter Personal höherer Dienst OLG-Bezirk Karlsruhe Justizministerium Stuttgart

2008-2015: Präsident des Amtsgerichts Karlsruhe

2015-2023: Präsident des Landgerichts Karlsruhe

2023-heute: Präsident des Oberlandesgerichts Karlsruhe 

Interview

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Jörg, wie kamst du zur Rechtsbranche und was sind deine Erfahrungen damit?

Eigentlich wollte ich lange Autodesigner und dann Architekt werden, später Journalist. Um ein Volontariat zu bekommen, habe ich mich – trotz (!) entsprechender Empfehlungen von Elternhaus und Schule – dann doch für Jura als Grundlage entschieden, weil ich gern argumentiere und Jura meiner Liebe zur präzisen Sprache sehr entgegenkommt. Erst im Referendariat konnte ich mir so langsam den Richterberuf für mich selbst konkret vorstellen. Dann konnte ich mir plötzlich (fast) nichts anderes mehr vorstellen.

Was machst du beruflich und warum hast du dich für diesen Weg entschieden?

Zu einem leider nur noch sehr kleinen Teil arbeite ich als Richter in einem Senat für Insolvenzrecht. Ganz überwiegend mache ich seit mehr als 20 Jahren aber Verwaltung. Die Weichenstellungen erfolgten zunächst zufällig, aber dann hatte ich an Projekt- und Teamarbeit, an täglich neuen Fragestellungen und dem intensiven Kontakt mit Menschen einfach Freude. Ich suche gerne Lösungen im Team und freue mich, wenn gemeinsam Abläufe und Strukturen gefunden werden, die zu mehr Effektivität und zu mehr Freude an der Arbeit führen. 

Wie machst du deine Themen sichtbar? Wen oder was möchtest du damit erreichen?

Mit möglichst unterhaltsamer und prägnanter Sprache auf allen Kanälen, die mir zur Verfügung stehen: Vorträge, Social Media, Veröffentlichungen, Fortbildungen. Erreichen möchte ich im Hauptjob die Mitarbeitenden aller Ebenen und die Rechtsuchenden. Zentral ist für mich aber auch, bei Menschen außerhalb der Jurabubble das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass eine unabhängige Justiz und ein funktionierender Rechtsstaat für uns alle in unserem Alltag unverzichtbar sind, wenn wir weiter frei und fair miteinander leben wollen. Deshalb versuche ich, unsere Arbeit und deren Grundlagen für normale Menschen verständlich zu machen. Und ich werbe für anständigen, toleranten Umgang mit Menschen, egal welcher Herkunft und egal mit welchen Eigenschaften diese ausgestattet sind.

Wenn du etwas an der Rechtsbranche verändern könntest, was wäre das? Was ist aus deiner Sicht dazu nötig?

Ich freue mich, dass es – in allen Berufsgruppen – sehr engagierte Jurist*innen gibt, die die Verwirklichung der Grund- und Menschenrechte als zentrale Aufgabe unseres Fachgebietes sehen und weder blinde Normanwendung noch plumpe Interessenverfolgung betreiben. Natürlich wäre es schön, wenn diese Gruppe noch größer und vernehmbarer würde. Wichtig wäre es mir, dass der Zugang zum Recht noch weniger von Geld, Bildung und Sprachkompetenz der Betroffenen abhängig wäre. Dazu bräuchten wir mehr niederschwellige, weniger kostenintensive Wege zu Rechtsrat und Gerichten – auch mit konsequenter digitaler Unterstützung sowie in einfacher Sprache. Und zuallererst brauchen wir ein Bewusstsein dafür, wie unzugänglich unsere Jura-Welt für “Normalsterbliche” sein kann.

Gibt es etwas, worauf du dich in Zukunft besonders freust?

Zurzeit steht für mich das Ringen um den Fortbestand unserer freiheitlichen, rechtsstaatlichen Demokratie im Vordergrund und die Sorge, dass die gesellschaftliche Spaltung weiter zunimmt, mit allen schlimmen Folgen, die die zunehmende Ausgrenzung ganzer Menschengruppen für alle und insbesondere für die konkreten Betroffenen mit sich bringt. Freuen würde ich mich, wenn doch noch die Rückbesinnung auf Vernunft, Anstand und Mitgefühl gelänge – deshalb konzentriere ich mein Engagement genau darauf.

Vielen Dank, dass du dir die Zeit für das Interview genommen hast!