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Was ist ein Femizid?

Fast jeden Tag versucht ein Mann, seine (Ex-)Partnerin zu töten – und an jedem 3. Tag gelingt es. So lassen sich die erschreckenden Worte der Bundesfamilienministerin Lisa Paus bei der Vorstellung des Lagebilds Häusliche Gewalt zusammenfassen. Damit zählt ein Drittel der Tötungen von Frauen zu einem Femizid. Trotzdem ist der Begriff des Femizids immer noch wenig verbreitet und stellt auch die Justiz vor viele Fragen. 

Doch warum werden Frauen wegen ihres Geschlechts häufiger mit Gewalt konfrontiert? Diese Frage lässt sich nicht einfach beantworten. Besonders patriarchale Strukturen führen dazu, dass Frauen getötet werden, eben weil sie Frauen sind. Doch was genau ist ein Femizid? Und warum werden die Täter häufig nicht wegen Mordes, sondern wegen Totschlags verurteilt? Wir klären auf. 

Das Wichtigste in Kürze

✅ Ein Femizid ist eine Tötung einer Frau durch einen Mann, weil sie eine Frau ist. Der Femizid ist meist eine extreme Form von partnerschaftlicher Gewalt gegen Frauen.
✅ Femizide sind geprägt von patriarchalen Strukturen und einem Besitzanspruch an der Frau. 2021 gab es 113 partnerschaftliche Tötungsdelikte gegen Frauen. Das entspricht einem Fall an jedem 3. Tag im Jahr. 
✅ Die Motive bei Femiziden werden nur selten als subjektive Mordmerkmale gewertet. Das stößt immer wieder auf Kritik. 
✅ Seit einigen Jahren zeigt sich die Entwicklung, dass Gerichte Femizide anerkennen und auch die lebenslange Freiheitsstrafe für solche Delikte verhängen. 

Was ist ein Femizid?

Gewalt gegen Frauen ist auch in Deutschland leider immer noch ein alltägliches Problem. Die stärkste Form dieser patriarchalen Gewalt ist der sogenannte Femizid – die Tötung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts. 

Diese Art eines Tötungsdelikt liegt nicht nur vor, wenn das Motiv für die Tat Frauenhass ist. Auch sogenannte Ehrenmorde oder Beziehungstaten können unter den Fachbegriff des Femizids fallen.

Femizide sind laut Definition vor allem von Rollenbildern und geschlechtsspezifischer Macht bzw. Hierarchien geprägt. Vielfach geht es dabei um Besitzdenken oder um sexualisierte Gewalt. Insbesondere wenn (Ex-)Partner einen Besitzanspruch an der (Ex-)Partnerin für sich festlegen, kann dies zu Gewalttaten, im Extremfall sogar zu einem Femizid führen (nach dem Motto “wenn ich sie nicht haben kann, darf sie keiner haben”).

Der Begriff des Ehrenmords wird häufig im muslimischen Kontext verwendet und ist eine Unterkategorie eines Femizids. Er drückt aus, dass eine Frau getötet wird, weil sie die Ehre der ihr nahestehenden Männer durch ihr Verhalten verletzt hat – zum Beispiel durch die Wahl ihrer Sexualpartner.

Rechtsprechung: Ist ein Femizid ein Mord?

Ob die vorsätzliche Tötung eines Menschen ein Mord (§ 211 StGB) oder ein Totschlag (§ 212 StGB) ist, hängt nach deutschem Recht von den sogenannten Mordmerkmalen ab. Diese haben wir in unserem Beitrag zum Thema Beziehungstat oder Femizid? ausführlich erklärt.

Wie wird ein Femizid bestraft?

Liegen bei einer vorsätzlichen Tötung eines Menschen bestimmte Mordmerkmale (zum Beispiel Habgier) vor, handelt es sich in der Regel um einen Mord. Fehlen Mordmerkmale, kann es sich um einen Totschlag handeln.

Während Mord unter der höchsten Strafe (lebenslange Gefängnisstrafe) steht, kann eine Verurteilung wegen Totschlags eine vergleichsweise mildere Strafe (mindestens 5 Jahre Gefängnisstrafe) bedeuten. Es ist also sehr wichtig und entscheidend, ob ein Femizid vom Gericht als Mord oder als Totschlag eingestuft wird. Dies hat einen erheblichen Einfluss auf das zu erwartende Strafmaß.

Im Falle eines Femizids geht es vor allem um die Frage, ob die Motive des Täters einen Fall der niedrigen Beweggründe darstellen. Die niedrigen Beweggründe gehören zu den subjektiven Mordmerkmalen. In der Vergangenheit hat insbesondere der BGH dazu immer wieder geurteilt: Eine Beziehungstat spricht gegen niedrige Beweggründe. Und auch in einem weiteren Femizid-Urteil sagt der BGH: “Der Um­stand, dass eine Tren­nung vom Ta­t­op­fer aus­ge­gan­gen ist, darf als gegen die Nied­rig­keit des Be­weg­grun­des spre­chen­der Um­stand be­ur­teilt wer­den.” (BGH, Be­schluss vom 07.05.2019 – 1 StR 150/19). 

Und auch sonst müsse die Beurteilung danach getroffen werden, ob der Täter von einer stabilen Partnerschaft ausgehen durfte oder ob er selbst für die Trennung verantwortlich gewesen sei, so der BGH. Es ist also noch lange nicht ohne weiteres von einer Beziehungstat auf einen Totschlag zu schließen. Es kommt (wie immer im Recht) auf den individuellen Einzelfall und seine Umstände an. Dennoch gibt es viel Kritik an der Rechtsprechung des BGH: Die Einschätzung gebe dem Opfer eine Mitschuld an der Tat (sogenanntes Victim Blaming). 

Zu einem Mord verurteilt wurde kürzlich ein 25-jähriger Mann vom Landgericht Köln. Ihm wurde ein Doppelmord an seiner Ex-Freundin und dem gemeinsamen Sohn zur Last gelegt. Das Gericht kam zum Ergebnis, dass es sich dabei um einen Femizid handelte – und das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe gegeben war (Urteil vom 06.09.2022, Az.: 111 Ks 5/22). Zur Begründung nannte die Kammer die Motivation des Täters, seine Ex-Freundin und den gemeinsamen Sohn als “Störfaktor für seine Zukunft zu beseitigen”.

Werden Frauen in Deutschland ausreichend geschützt?

Nicht nur an den Entscheidungen des obersten Bundesgerichts in Deutschland gibt es angesichts der Auslegung von Femiziden viel Kritik. Auch der unzureichende Schutz von Frauen vor einer solchen Tat sorgt immer wieder und zunehmend für Empörung. 

Fakt ist: Opfer von Femiziden haben meist im Vorhinein bereits Angst oder ahnen Schlimmes, viele erstatten Anzeige – und werden dennoch Opfer von Gewalttaten. Viele stellen sich daher die Frage: Schützen wir von Gewalt betroffene Frauen zu wenig in diesem Land? 

In Deutschland wird der Aufenthalt von verurteilten Tätern häuslicher Gewalt nicht überwacht. Auch wenn ein Kontakt- oder Näherungsverbot durch das Opfer erwirkt wird, muss dieses erst die Polizei rufen, wenn der Täter gegen dieses verstößt. Anders ist das zum Beispiel in Spanien oder Frankreich.

Rechtslage in anderen EU-Ländern

Spanien hat bereits 2009 ein Gesetz erlassen, um Opfer häuslicher Gewalt zu schützen und Femizide zu verhindern. Das Gesetz sieht vor, dass Täter zur Aufenthaltsbestimmung eine Fußfessel tragen, die mit einem Armband des Opfers verknüpft ist. Unterschreitet der Täter den zulässigen Mindestabstand zum Opfer, werden Polizei und Opfer automatisch darüber in Kenntnis gesetzt. Ende 2023 waren in Spanien etwa 4.000 solcher Armbänder aktiv. 

Und auch unsere Nachbarländer Frankreich und die Schweiz setzen auf diese Lösung. Während Frankreich ein solches Gesetz am Beispiel Spaniens bereits 2020 umgesetzt hat, besteht in der Schweiz derzeit ein Pilotprojekt, das die Umsetzung testet. 

In Deutschland ist eine Umsetzung nicht geplant. Argumente, die dagegen sprechen, sind unter anderem der Datenschutz von Täter und Opfer und dass der Einsatz von Fußfesseln nur in engen Grenzen umsetzbar ist. 

Wichtige Anlaufstellen

Du bist von Gewalt betroffen? Unterstützung erhältst du unter anderem über das bundesweite Hilfstelefon „Gewalt gegen Frauen“ unter der Nummer 08000 116 016 (gebührenfrei). 

Handelt es sich um einen Notfall und du bist in akuter Gefahr, wähle bitte unverzüglich den Notruf unter 110 oder 112

Fazit

Ob ein Femizid als Mord oder Totschlag eingestuft wird, hängt immer von der Betrachtung des Einzelfalls und des Motivs des Täters ab. Dennoch werden die Motive und Taten von Partnerschaftsgewalt immer noch sehr häufig verharmlost und mit einem geringeren Strafmaß des Totschlags bestraft. 

Auch in den Medien liest man immer noch von “Beziehungstat” oder “Ehedrama”, wenn es sich um einen Femizid handelt. Und auch der Schutz von Opfern kann und darf hinterfragt und kritisiert werden. Trotzdem erlangt das Thema des Femizids nicht nur medial mehr Aufmerksamkeit, sondern auch die Gerichte setzen sich mit der Problematik immer häufiger auseinander. Ein Richtungswechsel des BGH ist nicht nur wünschenswert, sondern auch durchaus denkbar. 

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