Wie hoch ist der Pflichtteil bei Enterbung?

Die Frage um das Erbe kann sehr emotional werden und hat schon in vielen Familien für Unmut gesorgt. Insbesondere, wenn Erblasser:innen entscheiden, einige Familienmitglieder nicht am Erbe teilhaben zu lassen, kann das auch über den Tod hinaus zu Streit zwischen den Beteiligten führen und alte Wunden aufreißen. 

Dabei stellt sich aber auch immer die Frage: Geht das überhaupt? Wer darf wen eigentlich enterben und wie hoch ist der Pflichtteil bei Enterbung? In diesem Beitrag schauen wir uns einmal an, was es damit auf sich hat und in welchem Umfang Enterbung nach deutschem Recht möglich ist. 

Das Wichtigste in Kürze

✅ Durch Testament kann festgelegt werden, welche Menschen vom Erbe einer Person profitieren sollen und welche nicht. Alle können frei über ihr Erbe verfügen. 
✅ Einige Angehörige haben aber einen Anspruch auf einen sogenannten Pflichtteil, der ihnen bei einer Enterbung trotzdem zusteht. 
✅ Besonders komplex ist die Erbfolge bei Eheleuten. Je nachdem, ob es Kinder gibt und in welchem Güterstand die Personen gelebt haben, unterscheidet sich der Erbteil. 
✅ Sinnvoll ist es, sich bei Erbschaftsangelegenheiten an erfahrene Anwält:innen im Erbrecht zu wenden. Passende Ansprechpersonen findest du in der Kanzleisuche.

Was bedeutet Enterbung?

In Deutschland gibt es ein gesetzliches Erbrecht, das immer dann greift, wenn kein Testament existiert (§§ 1922 ff. BGB). Aber auch neben einem Testament oder einem Vermächtnis kann es gesetzliche Regelungen geben, die dann vor allem den Pflichtteil betreffen. 

Gut zu wissen

Von einer Enterbung spricht man immer dann, wenn die gesetzliche Erbfolge durch den Erblasser oder die Erblasserin geändert wird. 

Enterben kann man nur Personen, die nach der gesetzlichen Regelung auch Erb:innen geworden wären. Das betrifft vor allem Verwandte in “gerader Linie“, also Eltern, Kinder und Enkel. 

Aber auch Geschwister können nach den gesetzlichen Regelungen erben, je nach Familienkonstellation. Soll einer oder mehreren Personen kein Erbe zugute kommen, können diese durch Testament enterbt werden. 

Kind enterben, da kein Kontakt? Die häufigsten Gründe für eine Enterbung

Nicht immer verläuft eine Familienhistorie wie im Bilderbuch, wahrscheinlich sogar in den meisten Fällen nicht. Es kommt deshalb immer wieder vor, dass Gründe entstehen, die die vererbende Person dazu bewegen, bestimmte Hinterbliebene aus der Erbfolge streichen zu wollen. 

Viele stellen sich zum Beispiel die Frage: Kann ich mein Kind enterben, da ich keinen Kontakt zu ihm habe? Die Gründe hierfür können verschieden sein, einige haben wir einmal näher erläutert.

Enterben wegen Kontaktabbruch

Ein besonders häufiger Grund für eine Enterbung ist sicherlich der Kontaktabbruch oder der als zu wenig angesehener Kontakt zwischen den Verwandten. Auch eine zu geringe oder ausbleibende Beteiligung an der Pflege der vererbenden Person kann zu Spannungen führen. 

Andersrum haben oft Kinder, die sich intensiv um die Pflege der Eltern gekümmert haben, die Ansicht, einen größeren Teil des Erbes “verdient” zu haben. Aber: Gesetzlich besteht ein solcher Anspruch nicht. 

Formulierung bei Enterbung

Einen Grund für die Enterbung muss das Testament nicht enthalten. Es reicht, die Person durch eine klare Formulierung vom Erbe auszuschließen. 

Beispiel: “Ich möchte nicht, dass mein Sohn mich beerbt. Stattdessen soll meine Tochter alles alleine erben.” 

Enterben wegen groben Undanks

Auch eine Enterbung wegen groben Undanks ist möglich. Es steht der vererbenden Person frei, wem sie ihr Vermögen übertragen möchte. Bei Kindern und Eheleuten wird dabei in der Regel trotz Enterbung ein Pflichtteil fällig. Um diesen zu entziehen, sind schwerwiegende Gründe erforderlich, die juristisch gesehen als grober Undank definiert sind (§ 2333 BGB). 

Gründe für groben Undank und eine Entziehung des Pflichtteils sind zum Beispiel: 

  • Körperverletzungen,
  • schwere Beleidigungen, 
  • Tötung oder versuchte Tötung, 
  • Androhung von Mord oder anderen schweren Straftaten.

Die Handlungen müssen eine erheblich undankbare Haltung oder eine schwerwiegende Verfehlung erkennen lassen. Der bloße Kontaktabbruch oder zu wenige Besuche reichen hier zum Beispiel nicht aus. Erblasser:innen können dann im Testament festhalten, dass aufgrund groben Undankes der Pflichtteil entzogen werden soll (§ 2336 BGB). 

Enterben wegen Erbunwürdigkeit

Enterbung ohne Pflichtteil ist auch nach dem Tod der vererbenden Person noch möglich, wenn die Angehörigen sich als erbunwürdig erweisen (§ 2339 BGB). Mögliche Gründe hierfür sind: 

  • Tötung oder Tötungsversuch
  • Täuschung oder Drohung bei der Testamentserstellung
  • Verhinderung eines Testaments
  • Fälschung des Testaments 
  • Verurteilungen zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 1 Jahr

Liegt ein solcher Fall vor, kann es zu einer Anfechtung nach dem Tod kommen, wenn Beweise vorliegen, die eine Erbunwürdigkeit stützen (§ 2340 BGB).

Enterben durch Schenkung

Um den Pflichtteil zu umgehen, versuchen einige Erblasser:innen schon zu Lebzeiten das Erbe zu verschenken und so den Pflichtteil zumindest zu minimieren. Ganz so einfach lässt sich der Gesetzgeber jedoch nicht täuschen. 

Wird ein Großteil des Vermögens schon zu Lebzeiten durch Schenkung übertragen, kann ein sogenannter Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 2325 BGB) entstehen. Wenn Erblasser:innen einer dritten Person eine Schenkung machen, können die Angehörigen (Pflichtteilsberechtigte) den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird (§ 2325 Abs. 1 BGB). 

Dabei handelt es sich um einen Anspruch, der Ausgleich für das entgangene Erbe schaffen soll und von den benachteiligten Angehörigen eingefordert werden kann. 

Gut zu wissen

Sind 10 Jahre verstrichen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt (§ 2325 Abs. 3 Satz 2 BGB). Bei Schenkungen an Ehegatten beginnt die Frist nicht vor der Auflösung der Ehe.

Wie hoch ist der Pflichtteil bei Enterbung?

Die Höhe des Pflichtteils berechnet sich immer nach der gesetzlichen Erbfolge und dem im Gesetz geregelten Erbteil. Der Pflichtteil bei Enterbung beträgt dabei immer die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Das klingt kompliziert, meint aber nur: Als Pflichtteil steht Erb:innen die Hälfte dessen zu, was sie ohne Testament bekommen hätten. 

Das sieht die gesetzliche Regelung im Erbrecht vor:

  • Ehegatten erben neben Kindern 25 %.
  • Die Kinder erben zu gleichen Teilen.
  • Bei einer Enterbung von Ehegatten erhält die enterbte Person dann also noch 1/8 des Erbes
  • Gibt es keine Kinder, sondern Eltern oder Geschwister der verstorbenen Person, bekommen Ehegatten grundsätzlich 50 %. 
  • Bei einer Enterbung bleiben dann noch 25 %. 

Kinder würden auch die Hälfte vom gesetzlichen Teil erben: Bei 2 Kindern also beide 50 % (abzüglich dessen, was potenzielle Ehegatten erhalten). Wird ein Kind enterbt, reduziert sich dessen Anteil folglich auf 25 %. 

Kinder enterben ohne Pflichtteil – ist das möglich?

Kinder können nicht vollständig enterbt werden, sie bekommen immer einen Pflichtteil. Der Grund dafür ist, dass der Gesetzgeber der Ansicht ist, dass in einer Familie immer eine gewisse Fürsorgepflicht besteht – auch über den Tod hinaus. Eine Ausnahme gilt nur bei einer Erbunwürdigkeit.

Dies ist unabhängig von der Beziehung der Familienmitglieder zueinander. Eltern und Eheleute sind deshalb immer für ihre Kinder und Ehepartner verantwortlich, auch bei der Enterbung

Anders sieht es bei Enkeln und Urenkeln aus. Sie haben nur dann einen Anspruch, wenn sie in die gesetzliche Erbfolge einrücken. Das ist dann der Fall, wenn kein:e Ehepartner:in oder Kinder (mehr) leben. 

Enterbung ohne Pflichtteil ist nur dann möglich, wenn die Kinder sich als erbunwürdig erwiesen (§ 2339 BGB). Mögliche Gründe hierfür sind: 

  • Tötung oder Tötungsversuch
  • Täuschung oder Drohung bei der Testamentserstellung
  • Verhinderung eines Testaments
  • Verurteilungen zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 1 Jahr

Familie enterben: Das solltest du wissen

Der Gesetzgeber schützt die Familie – und das auch dann, wenn die Mitglieder sich eigentlich gar nichts Gutes mehr wünschen. Unser Staat möchte durch den Pflichtteil dafür sorgen, dass auch nach dem Tod eines Familienmitglieds alle gut versorgt sind, gerade die Kinder und Ehegatten. Bei anderen Verwandtschaftsverhältnissen sieht es hingegen etwas anders aus. Schauen wir uns das einmal genauer an.

Kann man Eltern enterben?

Die Eltern der Erblasser:innen stehen in 2. Ordnung der Erbfolge und sind deshalb nicht genauso geschützt wie Kinder, auch wenn Eltern in gerader Linie mit der vererbenden Person verwandt sind. Existieren Kinder und Ehepartner:innen, ist deshalb eine Enterbung meist nicht nötig, da diese gar nicht von der gesetzlichen Erbfolge betroffen sind. 

Achtung 🚨

Werden Kinder und Eheleute enterbt, ohne dass Ersatzerb:innen benannt wird, so geht das Erbe automatisch auf die gesetzliche Erbfolge über. So können Eltern dann in die Erbfolge nachrücken und doch etwas erben.

Im Gegensatz zu Ehegatten und Kindern haben Eltern auch keinen direkten Anspruch auf einen Pflichtteil, es sei denn, es gibt keine lebenden Kinder oder Ehegatten mehr. 

Geschwister enterben

Genau wie Eltern können auch Geschwister im Testament enterbt werden. Allerdings erben Geschwister nur in seltenen Fällen, wenn keine anderen Erb:innen zur Verfügung stehen. Bei einer Enterbung kommen sie nur in Betracht, wenn Kinder, Ehegatten und Eltern enterbt oder verstorben sind. Sie haben außerdem keinen Anspruch auf den Pflichtteil

Ehepartner enterben

Ehepartner:innen zu enterben ist um einiges komplizierter. Es kommt stark darauf an, welcher Güterstand in der Ehe gewählt wurde und ob Kinder vorhanden sind. Viele Paare setzen auf einen Ehevertrag, in dem sie auch erbrechtliche Angelegenheiten regeln können. Zum Thema Wer bei einer Scheidung ohne Ehevertrag was bekommt, haben wir einen eigenen Beitrag.

Die meisten Ehepaare leben in Deutschland jedoch in der gesetzlich vorgesehenen Zugewinngemeinschaft. Das bedeutet, dass die Person, die weniger erwirtschaftet hat, einen Ausgleich durch die andere erhält. Das gilt auch beim Erbe. 

So sieht die Rechnung nach der gesetzlichen Regelung aus:

  • Grundsätzlich erbt die hinterbliebene Person 25 % als gesetzlichen Erbteil
  • Hinzu kommt in der Zugewinngemeinschaft aber nochmal 25 % als Ausgleichszahlung
  • Im Ergebnis erben in der Zugewinngemeinschaft Kinder und Ehepartner:innen also jeweils zu 50 %. 
  • Gibt es keine Kinder, erben hinterbliebene Ehegatten 50 % und den Ausgleichsanspruch von 25 %. Im Ergebnis erben sie also 75 %. 

Bei einer Enterbung beträgt der Pflichtteil des Erbes dann aber wiederum die Hälfte des gesetzlichen Erbteils plus den berechneten Zugewinnausgleich. Was zum Zugewinn in der Ehe zählt, erfährst du in einem eigenen Beitrag.

Uneheliches Kind vom Erbe ausschließen

Auch uneheliche Kinder haben grundsätzlich einen Anspruch auf den Pflichtteil, wenn sie enterbt werden. Liegt keine Erbunwürdigkeit vor, kann nur ein Pflichtteilsverzicht dafür sorgen, dass uneheliche Kinder vollständig enterbt werden. 

Allerdings muss das Kind dem zustimmen, sprich selbst auf das Erbe verzichten. Und: Dieser notarielle Vertrag ist meist mit einer Abfindung verbunden. Ganz ohne Kosten kann also auch ein uneheliches Kind nicht enterbt werden. 

Fazit

Das Erbrecht ist kompliziert und hat auch einiges mit Mathe zu tun. Da schwirrt einem schnell der Kopf. Es ist aber umso wichtiger, das Erbe rechtzeitig zu regeln, damit alle Betroffenen rechtlich auf der sicheren Seite sind und das Erbe wirklich so aufgeteilt wird, wie die verstorbene Person es sich gewünscht hat. Wegen der rechtlichen Besonderheiten und Komplexität können wir deshalb nur die Beratung durch spezialisierte Anwält:innen im Erbrecht empfehlen.

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