“Das erste globale klimaneutrale Kochbox-Unternehmen – Wir kompensieren 100% unserer direkten CO2-Emissionen” – so lautete ein Werbeslogan des Kochbox-Lieferanten HelloFresh SE & Co. KG. Was in den Ohren umweltbewusster Verbraucher:innen gut klingen mag, kann jedoch schnell als irreführende Werbung eingestuft werden.
Am 10.10.2023 verkündete das LG Berlin ein Urteil (AZ 102 0 15/23) zu Lasten des Unternehmens. Es darf seine Produkte nun nicht mehr als klimaneutral bezeichnen. Was hat es damit auf sich?
Das Wichtigste in Kürze
✅ HelloFresh darf nicht mehr mit der Bezeichnung “klimaneutral” werben, die Werbung sei irreführend nach § 5 UWG. Geklagt hatte die deutsche Umwelthilfe.
✅ Allein die Förderung der Umwelt durch den Kauf von Zertifikaten reiche nicht aus, um ein klimaneutrales Unternehmen zu sein, wenn das Projekt nicht zur vollständigen CO2-Kompensation geeignet ist.
✅ Es bestehe zudem eine Aufklärungspflicht, wenn mit Klimaneutralität geworben wird.
Die deutsche Umwelthilfe klagt gegen HelloFresh
Ins Rollen gekommen war das Verfahren gegen HelloFresh durch eine Klage der deutschen Umwelthilfe (kurz: DUH). Diese hatte einen Unterlassungsanspruch nach § 8 UWG gegen HelloFresh geltend gemacht.
Gut zu wissen
Einen Unterlassungsanspruch nach § 8 UWG können nur bestimmte natürliche oder juristische Personen haben. Unter anderem fallen darunter Verbraucherverbände. Diese müssen nach § 4 UKlaG in eine Liste des Bundesministerium der Justiz eingetragen sein.
Die deutsche Umwelthilfe wirft dem Unternehmen vor, dass dieses im Dezember 2022 den dargestellten Werbeslogan auf ihrer Website veröffentlicht und damit rechtswidrig gehandelt hat. Die Werbung sei irreführend und damit unlauter nach § 5 UWG.
Diese Schlussfolgerung ergibt sich aus Sicht der deutschen Umwelthilfe unter anderem daraus, dass die von HelloFresh aufgelisteten Projekte zur Erreichung der Klimaneutralität nicht zu diesem Zweck geeignet seien.
Konkret geht es dabei um ein Projekt zur Aufforstung in Kenia. Hier hat HelloFresh CO2-Zertifikate aus dem freiwilligen Zertifikatehandel erworben. Die Umwelthilfe ist nun der Ansicht, dass die Aufforstung zwar grundsätzlich gut für die Umwelt ist, aber nicht für eine vollständige CO2-Kompensation sorgt. Es reiche jedenfalls nicht aus, um sich als Unternehmen als klimaneutral zu bezeichnen.
Des Weiteren bemängelt die Umwelthilfe, dass Informationen zur Klimaneutralität durch das Unternehmen nur sehr mühselig aufzufinden sind. Sie seien zwar auf der Website dargestellt, aber nur nach längerer Suche auffindbar.
HelloFresh sieht sich im Recht
Als Reaktion beantragte HelloFresh seinerseits, die Klage abzuweisen. Zum einen sei sie verjährt – die Werbung bestehe seit Oktober 2022 und die DUH habe schon seitdem Kenntnis von dieser. Zum anderen gäbe es für den Begriff “klimaneutral” keine einheitliche Marktauffassung. Sprich: Es würde ausreichen, wenn das Projekt die Klimaneutralität fördern würde, so wie es ein Aufforstungsprojekt tue.
Bezüglich der schwer zugänglichen Informationen argumentierte das Unternehmen, dass es keine gesetzliche Regelung gäbe, nach der Informationen zur CO2-Kompensation direkt mit der Werbung in Verbindung gebracht werden müssten.
Das LG Berlin entscheidet zugunsten von Verbraucher:innen
Das Landgericht (LG) Berlin hat der Klage der DUH in vollem Umfang stattgegeben. Das bedeutet: HelloFresh darf die Aussagen zur Klimaneutralität nicht mehr im Rahmen des Werbeslogans nutzen.
Zunächst stellte das Gericht fest, dass die Klage der DUH nicht verjährt sei. Irreführende Werbung sei eine dauerhafte Handlung, die Verjährung könne bei solchen gar nicht erst beginnen, solange der Eingriff noch bestehe.
Zur Einordnung: Die DUH hatte “Mitte Dezember 2022” als Anknüpfungspunkt für ihre Klage gewählt. Zu diesem Zeitpunkt war die Werbung noch online. Dass die DUH bereits im Oktober 2022 (vermeintlich) von ihr Kenntnis hatte oder haben soll, sei in diesem Fall nicht relevant. Der Anspruch könne zwar verwirken, dies sei im vorliegenden Fall aber nicht passiert, so das LG Berlin.
Das Gericht ist der Ansicht, dass die Angabe der Klimaneutralität eine irreführende Werbung ist. Ähnlich wie die DUH argumentiert es, dass allein die Unterstützung eines Projektes, welches nicht in der Lage ist, die CO2-Emissionen vollständig zu kompensieren, nicht dazu ausreicht, sich als klimaneutrales Unternehmen darzustellen.
Was heißt das genau?
Das LG Berlin geht davon aus, dass Verbraucher:innen unter Klimaneutralität ausgeglichene CO2-Bilanzen verstehen. Dies gelte auch, wenn sich die Verbraucher:innen durchaus über die Gefahr des Greenwashings im Bereich der CO2-Kompensation bewusst seien.
Verbraucher:innen würden bei derartiger Werbung erwarten, dass die dargestellten Projekte durchaus einen positiven Effekt auf die Reduzierung von Treibhausgasen haben. Allein das Erwerben von CO2-Zertifikaten sei aber gerade dafür nicht ausreichend.
Auch die Frage der Informationspflichten beantwortet das Gericht anders als HelloFresh. Werbung mit Klimaneutralität habe einen hohen Stellenwert bei Verbraucher:innen. Gerade in heutigen Zeiten sei das Klima ein emotionaler Angriffspunkt bei Verbraucher:innen. Deswegen seien die Aufklärungserfordernisse besonders hoch.
Die nur rudimentäre Aufklärung von HelloFresh, welche ihrerseits auch noch schwer aufzufinden sei, reiche jedenfalls nicht aus.
dm, Katjes und viele andere – Wer darf sich als klimaneutral bezeichnen?
Mit diesem “Werbeverbot” steht HelloFresh aber nicht alleine dar. Gerade diese Woche wurde eine Untersagungsverfügung des Landgerichts Karlsruhe gegen die Drogeriemarktkette dm rechtskräftig. Das Landgericht Karlsruhe hatte dem Unternehmen untersagt , mit klimaneutralen Produkten zu werben. Eine gegen dieses Urteil eingelegte Berufung nahm dm nach eigenen Angaben am 23.10.2023 zurück.
Das OLG Düsseldorf hatte Mitte des Jahres festgestellt, dass Klimaneutralität durch die Vermeidung und Kompensation von CO2-Emissionen zwar möglich sei, aber die Verbraucher:innen ausreichend über das Zustandekommen der Klimaneutralität informiert werden müssten. Demnach durfte z. B. die Firma Katjes weiterhin mit klimaneutralen Produkten werben, während die Werbung bzw. die Informationen anderer Unternehmen den Anforderungen nicht entsprachen.
Fazit
Laut der deutschen Umwelthilfe gibt es eine Entwicklung hin zur klimapositiven Werbung. Die bereits ergangenen Urteile zeigen aber, dass sich Begriffe wie “klimaneutral” nicht unerschöpflich ausdehnen lassen und Verbraucher:innen zumindest über die Hintergründe der solchen informiert werden müssen. Wir bleiben für euch an dem Thema dran.