Stell dir vor, du leidest seit Jahren an chronischen Schmerzen, und keine herkömmliche Therapie hilft dir wirklich weiter. Ärzt:innen verschreiben immer stärkere Medikamente, doch die Nebenwirkungen werden unerträglich. In solchen Fällen kann medizinisches Cannabis eine Alternative sein.
In den letzten Jahren berichten immer mehr Patient:innen davon, wie sich ihr Leben durch die Einnahme von Cannabis grundlegend verbessert hat. Ob bei Schmerzen, Multipler Sklerose oder Übelkeit durch Chemotherapie – Cannabis auf Rezept wird immer häufiger eingesetzt.
Doch wie wird man eigentlich Cannabis-Patient? Der Weg dahin ist klar geregelt, aber erfordert einiges an Vorbereitung. In diesem Artikel erfährst du, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, wie du den Antrag stellst und welche Kosten von der Krankenkasse übernommen werden. Du wirst sehen: Mit der richtigen Unterstützung deines Arztes kann der Prozess deutlich einfacher sein, als es auf den ersten Blick scheint.
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Das Wichtigste in Kürze
✅ Cannabis-Therapie: Cannabis auf Rezept wird nur bei schwerwiegenden Erkrankungen verschrieben, wenn herkömmliche Therapien nicht wirken. Ärzt:innen müssen dies in einem Gutachten begründen.
✅ Antrag bei der Krankenkasse: Der Antrag auf Cannabis-Therapie wird bei der Krankenkasse eingereicht, die eine Entscheidung innerhalb von 3 Wochen treffen muss. Bei Ablehnung ist ein Widerspruch möglich.
✅ Kostenübernahme: Die Krankenkasse übernimmt die Kosten für Cannabis-Medikamente, wenn eine Genehmigung vorliegt. Ohne Genehmigung müssen Patient:innen die Behandlung selbst zahlen.
✅ Cannabis und Autofahren: Cannabis-Patient:innen müssen im Straßenverkehr besonders vorsichtig sein. Trotz ärztlicher Verschreibung drohen bei Fahruntüchtigkeit rechtliche Konsequenzen. Das gilt auch am Arbeitsplatz.
✅ Reisen mit Cannabis: Innerhalb der EU ist das Mitführen von Cannabis unter bestimmten Bedingungen zum Eigengebrauch erlaubt. Außerhalb der EU können strenge Einfuhrverbote gelten.
Wichtig: Bitte berücksichtige beim Lesen des Artikels, dass die Informationen weder eine Rechtsberatung noch eine ärztliche Beratung ersetzen. Wir geben dir einen Überblick für die erste Orientierung, empfehlen dir aber unbedingt den Kontakt zu Expert:innen!
Wer kann Cannabis-Patient werden?
Nicht alle Patient:innen können auf Rezept Cannabis erhalten. Der Zugang ist in Deutschland streng geregelt und basiert auf klaren medizinischen Voraussetzungen. Die Grundlage dafür liefert § 31 Abs. 6 SGB V, der besagt, dass Cannabis als Therapieoption nur unter bestimmten Bedingungen in Betracht kommt. Genauer:
“Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn
- eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung
a) nicht zur Verfügung steht oder
b) im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann, - eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.”
Um Cannabis-Patient zu werden, müssen Ärzt:innen also zunächst eine schwerwiegende Erkrankung diagnostizieren, bei der andere Therapiemöglichkeiten entweder nicht wirken oder nicht zumutbar sind. Typische Indikationen sind beispielsweise
- chronische Schmerzerkrankungen,
- Multiple Sklerose,
- ADHS,
- Tourette-Syndrom oder
- starke Übelkeit und Erbrechen durch Chemotherapie.
In diesen Fällen könnte Cannabis unter Umständen eine deutliche Linderung verschaffen – oder auch nicht. Entscheidend ist jedoch, dass nicht alle Ärzt:innen in Deutschland Cannabis verschreiben dürfen. Es sind nur approbierte Ärzt:innen dazu berechtigt, die zudem über ausreichende Erfahrung mit der Therapie verfügen sollten. Darunter können auch Hausärzt:innen oder Fachärzt:innen (z. B. Neurolog:innen, Schmerztherapeut:innen oder Onkolog:innen) fallen.
Cannabis verschreiben lassen
Es ist wichtig zu verstehen, dass die Verschreibung von Cannabis nicht automatisch erfolgt. Ärzt:innen müssen die Dringlichkeit und Eignung genau prüfen und dies schriftlich in einem Gutachten festhalten. Ohne diese ärztliche Stellungnahme ist die Verschreibung nicht möglich.
Cannabis-Patient werden: Wie läuft die Beantragung ab?
Der Weg zur Cannabis-Verschreibung erfordert nicht nur eine ärztliche Verordnung, sondern auch einen formalen Antrag bei der Krankenkasse. Zunächst muss ein ausführliches Gespräch mit einem Arzt oder einer Ärztin stattfinden, die medizinische Notwendigkeit der Cannabis-Therapie prüfen. Sie stellen dann ein Rezept aus und erstellen ein Gutachten, in dem die Erkrankung sowie die bisher ergebnislosen Behandlungsversuche beschrieben werden. Dies bildet die Basis für den Antrag auf Kostenübernahme.
Nachdem das Rezept ausgestellt ist, kannst du den Antrag zusammen mit dem ärztlichen Gutachten bei deiner Krankenkasse einreichen. In der Regel übernimmt die Praxis diesen Schritt, um sicherzustellen, dass alle erforderlichen Unterlagen korrekt eingereicht werden. Die Krankenkasse ist gesetzlich verpflichtet, den Antrag innerhalb von 3 Wochen zu bearbeiten (§ 13 Abs. 3a SGB V). In Fällen, in denen eine ärztliche Stellungnahme eines Gutachters eingeholt werden muss, kann sich diese Frist auf 5 Wochen verlängern.
Krankenkasse genehmigt Cannabis
Kommt es zur Genehmigung, erhältst du als Patient:in die Erlaubnis, Cannabis in der Apotheke zu kaufen, wobei die Kosten von der Krankenkasse übernommen werden.
Sollte die Krankenkasse den Antrag ablehnen, gibt es die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen. Der Widerspruch muss gut begründet sein und durch neue medizinische Unterlagen untermauert werden, um die Erfolgsaussichten zu erhöhen.
Wichtig ist, dass du als Antragsteller:in die Fristen der Krankenkasse genau im Blick behält, da Verzögerungen in der Bearbeitung ein Hinweis auf mögliche Probleme im Antragsverfahren sein können. In diesen Fällen kannst du Kontakt mit der Krankenkasse aufnehmen, um den Status des Antrags zu klären.
Medizinisches Cannabis: Welche Kosten übernimmt die Krankenkasse?
Die Kostenübernahme für medizinisches Cannabis ist ein wichtiger Punkt, denn Cannabis-Medikamente können teuer sein. In der Regel übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für Cannabisblüten oder andere cannabisbasierte Arzneimittel, wenn die Voraussetzungen nach § 31 Abs. 6 SGB V erfüllt sind. Dies bedeutet, dass der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin die Therapie als medizinisch notwendig ansieht und alle anderen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft oder als ungeeignet bewertet wurden.
Die Krankenkasse übernimmt dabei die Kosten für den Erwerb von Cannabisblüten aus der Apotheke sowie für verschreibungspflichtige Cannabisprodukte wie Dronabinol oder Sativex. Voraussetzung ist, dass Patient:innen vor der ersten Verschreibung die Genehmigung der Krankenkasse einholen. Ohne diese Genehmigung ist eine Erstattung der Kosten ausgeschlossen. Für viele Patient:innen ist dies ein wichtiger Punkt, da die monatlichen Kosten für eine Cannabis-Therapie oft mehrere hundert Euro betragen können.
Cannabis-Antrag abgelehnt
Doch was passiert, wenn der Antrag abgelehnt wird? In solchen Fällen haben Patient:innen das Recht, Widerspruch einzulegen. Der Widerspruch muss innerhalb eines Monats nach Erhalt des Ablehnungsbescheids schriftlich bei der Krankenkasse eingehen.
Es empfiehlt sich, dem Widerspruch neue ärztliche Stellungnahmen oder zusätzliche medizinische Unterlagen beizufügen, die die Notwendigkeit der Cannabis-Therapie weiter untermauern. Falls auch der Widerspruch erfolglos bleibt, hast du die Möglichkeit, den Klageweg vor dem Sozialgericht zu beschreiten.
Sollte die Krankenkasse den Antrag dauerhaft ablehnen, kannst du Cannabis auch auf eigene Kosten beziehen, zum Beispiel als Mitglied einer Cannabis-Anbauvereinigung. Erfahre mehr zur Cannabis-Legalisierung.
Das solltest du wissen, wenn du Cannabis-Patient werden willst
Für Patient:innen, die medizinisches Cannabis nutzen, gibt es einige wichtige rechtliche Punkte zu beachten. Eine der drängendsten Fragen betrifft den Führerschein. Auch wenn Cannabis auf Rezept verschrieben oder sogar teilweise legalisiert wird, gelten im Straßenverkehr besondere Regeln.
Erfahre mehr darüber, ob du nach der Cannabis-Legalisierung Auto fahren darfst. Wer als Cannabis-Patient:in ein Fahrzeug führen möchte, muss sicherstellen, dass seine Fahrtüchtigkeit nicht beeinträchtigt ist. Hierfür wurden neue Cannabis-Grenzwerte festgelegt. Die Polizei kann unter anderem eine Blutprobe anordnen, um festzustellen, ob du fahrtüchtig bist. Ein Verstoß kann erhebliche Konsequenzen haben, von Geldbußen über Punkte in Flensburg bis hin zum Entzug des Führerscheins.
Auch am Arbeitsplatz kann der Gebrauch von medizinischem Cannabis rechtliche Auswirkungen haben. Arbeitgeber:innen haben ein berechtigtes Interesse daran, dass ihre Mitarbeiter:innen keine Substanzen konsumieren, die ihre Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen. Patient:innen können mit Arbeitgeber:innen über die Therapie sprechen, insbesondere wenn der Job hohe Konzentration oder körperliche Arbeit erfordert. Es empfiehlt sich zudem, eine ärztliche Bescheinigung mitzuführen, die die medizinische Notwendigkeit und die Unbedenklichkeit der Cannabistherapie bestätigt.
Reisen mit medizinischem Cannabis
Innerhalb der EU ist es grundsätzlich möglich, mit einer ärztlichen Bescheinigung, der sogenannten Schengen-Bescheinigung, Cannabis für den Eigengebrauch mitzunehmen. Diese Bescheinigung wird von Ärzt:innen ausgestellt und ist maximal 30 Tage gültig.
Außerhalb der EU kann es jedoch problematisch werden, da viele Länder den Besitz und die Einfuhr von Cannabis strikt verbieten, selbst wenn es sich um ein ärztlich verschriebenes Medikament handelt. Hier solltest du dich im Vorfeld genau über die Einfuhrbestimmungen des jeweiligen Landes informieren, um rechtliche Probleme zu vermeiden.
Fazit
Der Weg mag auf den ersten Blick kompliziert erscheinen, doch mit der richtigen Vorbereitung und ärztlichen Unterstützung kannst du in Deutschland Cannabis-Patient:in werden. Voraussetzung ist, dass eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt, bei der herkömmliche Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind oder nicht ausreichend helfen. Der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin spielt hierbei eine zentrale Rolle: Er oder sie muss nicht nur die Diagnose und die Notwendigkeit der Therapie bestätigen, sondern auch den Antrag bei der Krankenkasse unterstützen.
Die Kostenübernahme durch die Krankenkasse ist möglich, jedoch an klare Bedingungen geknüpft. Sollte der Antrag abgelehnt werden, bleibt der Widerspruch als nächster Schritt. Patient:innen müssen zudem rechtliche Aspekte wie ihre Fahrtüchtigkeit im Straßenverkehr oder das Reisen mit Cannabis im Blick behalten. Letztlich kann medizinisches Cannabis für viele Menschen möglicherweise eine wertvolle und wirksame Therapieform sein, die das Leben deutlich verbessert.