Lebenslange Haftstrafe in Deutschland: Frei nach 15 Jahren?

Als zuletzt ein bekannter Mordprozess endete, ging ein einziges Wort durch alle Schlagzeilen: lebenslange Haftstrafe. Die Vorstellung, für den Rest des Lebens hinter Gittern zu sitzen, fasziniert und erschreckt Menschen zugleich. Was viele nicht wissen: Lebenslang bedeutet in Deutschland nicht automatisch „für immer“. Hinter dem Begriff steht ein komplexes rechtliches System mit tiefgreifenden Konsequenzen – für Betroffene, Angehörige und die Gesellschaft. Doch wie lange dauert „lebenslang“ wirklich? Und unter welchen Bedingungen kann eine Entlassung möglich sein? Wir klären auf. 

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Das Wichtigste in Kürze

✅ Die lebenslange Haftstrafe ist die schwerste Form der Freiheitsstrafe in Deutschland und wird meist bei besonders schweren Verbrechen wie Mord verhängt. Sie hat kein festes Enddatum, sondern gilt theoretisch für das gesamte Leben der verurteilten Person.
✅ In der Praxis bedeutet lebenslang jedoch nicht automatisch, dass man für den Rest des Lebens im Gefängnis bleibt. Nach mindestens 15 Jahren kann geprüft werden, ob eine vorzeitige Entlassung auf Bewährung möglich ist – abhängig von der Gefährlichkeit und dem Verhalten der verurteilten Person.
✅ Wird bei der Verurteilung eine „besondere Schwere der Schuld“ festgestellt, kann sich der Zeitpunkt der ersten Überprüfung deutlich verzögern. In solchen Fällen bleiben Betroffene oft 20 Jahre oder länger in Haft, bevor eine Entlassung auch nur in Betracht gezogen wird.
✅ Das BVerfG hat entschieden, dass auch bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe die Menschenwürde gewahrt werden muss. Das bedeutet, dass jedem Menschen grundsätzlich eine reale Aussicht auf Wiedereingliederung in die Gesellschaft offenstehen muss, wenn keine Gefahr mehr besteht.
✅ Wird nach Verbüßung der Haft eine fortbestehende Gefährdung festgestellt, kann zusätzlich eine Sicherungsverwahrung angeordnet werden. Diese ist keine Strafe, sondern eine Schutzmaßnahme für die Allgemeinheit und beginnt erst nach Ende der eigentlichen Freiheitsstrafe.

Was bedeutet die lebenslange Haftstrafe in Deutschland?

Die lebenslange Haftstrafe oder genauer gesagt „lebenslange Freiheitsstrafe“ ist die härteste Strafe, die das deutsche Strafrecht vorsieht. Sie bedeutet in der Theorie, dass ein Mensch für den Rest seines Lebens im Gefängnis bleibt. In der Praxis sieht das aber oft etwas anders aus. In Deutschland regelt § 38 Absatz 1 StGB, dass die lebenslange Freiheitsstrafe keine feste zeitliche Begrenzung hat. Sie ist also nicht wie andere Freiheitsstrafen auf eine bestimmte Anzahl von Jahren festgelegt.

Diese Strafe wird besonders bei sehr schweren Straftaten verhängt – zum Beispiel bei Mord. Das steht konkret in § 211 StGB: „Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.“ Dazu kommt es, wenn jemand vorsätzlich einen Menschen tötet und dabei bestimmte Merkmale erfüllt sind, wie zum Beispiel Heimtücke, Habgier oder Grausamkeit.

Entlassung auf Bewährung nach 15 Jahren?

Wer zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wird, kommt zunächst auf unbestimmte Zeit ins Gefängnis. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass diese Person bis zu ihrem Tod in Haft bleibt. Denn laut § 57a StGB kann eine Entlassung auf Bewährung nach 15 Jahren Haft geprüft werden. 

Wichtig: Es besteht kein Anspruch auf Entlassung nach 15 Jahren. Stattdessen hängt es davon ab, ob der oder die Verurteilte noch gefährlich für die Allgemeinheit ist.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat außerdem entschieden, dass auch Menschen mit lebenslanger Freiheitsstrafe eine reale Chance auf Freiheit haben müssen. Dieses Urteil war ein großer Wendepunkt im Strafrecht. Das Gericht stellte klar, dass eine Strafe ohne Möglichkeit auf spätere Entlassung gegen die Menschenwürde und damit gegen Artikel 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz verstößt. Deshalb ist es heute in Deutschland so geregelt, dass die Justiz spätestens nach 15 Jahren prüfen muss, ob jemand wieder freikommen kann.

Besondere Schwere der Schuld

Auch wenn die Mindestverbüßungsdauer „nur“ 15 Jahre beträgt, ist die lebenslange Freiheitsstrafe kein Freifahrtschein mit garantierter Entlassung. In vielen Fällen bleiben Betroffene deutlich länger in Haft – manchmal 20, 25 oder sogar 30 Jahre. Und in einigen Fällen wird tatsächlich nie eine Entlassung gewährt. Insbesondere dann, wenn ein Gericht die sogenannte besondere Schwere der Schuld festgestellt hat, was die Chance auf eine frühzeitige Entlassung erheblich senkt.

Das Ziel hinter der lebenslangen Strafe ist es, eine besonders starke Schuld zu ahnden und die Allgemeinheit zu schützen. Sie soll aber auch mit dem Resozialisierungsgedanken des deutschen Strafrechts im Einklang stehen. Der Staat muss deshalb Wege eröffnen, über die Verurteilte eines Tages wieder in die Gesellschaft zurückkehren können – zumindest theoretisch.

Eine lebenslange Haftstrafe bedeutet in Deutschland also eine unbefristete Freiheitsstrafe ohne festes Enddatum. Wie lange jemand tatsächlich im Gefängnis bleibt, hängt vom Einzelfall ab – unter anderem von der Schuld, der Gefährlichkeit und dem Verhalten in der Haft.

Vorzeitige Entlassung bei lebenslanger Haftstrafe

Nach 15 Jahren: Antrag auf Bewährung

Eine lebenslange Haftstrafe klingt zunächst danach, als würde jemand tatsächlich bis zum Lebensende im Gefängnis bleiben. Aber das ist in Deutschland nicht zwingend der Fall. Das Gesetz sieht vor, dass eine Person, die zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt wurde, nach einer bestimmten Zeit die Möglichkeit bekommt, auf Bewährung freizukommen. 

Nach § 57a StGB kannst du frühestens nach 15 Jahren einen Antrag auf Aussetzung des Strafrests zur Bewährung stellen. Dabei prüft das Gericht, ob du entlassen werden kannst, ohne dass du eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellst. Heißt: Du musst zeigen, dass du dich geändert hast, selbstständig leben kannst und voraussichtlich nicht wieder straffällig wirst. Aber: Dieser Anspruch auf einen Antrag bedeutet noch lange nicht, dass du nach 15 Jahren auch wirklich entlassen wirst.

Verschiedene Faktoren spielen eine Rolle: Hast du dich im Gefängnis gut geführt? Hast du psychologische Betreuung wahrgenommen? Gibt es Entlassungsvorbereitungen wie Wohnraum oder Arbeit? Je mehr du nachweisen kannst, dass du bereit für ein Leben in Freiheit bist, desto besser sind deine Chancen. Am besten besprichst du deine rechtlichen Möglichkeiten mit einer Anwältin oder einem Anwalt im Strafrecht oder Strafverteidiger:innen.

Ein ganz wichtiger Punkt ist die sogenannte “besondere Schwere der Schuld”. Wenn das Gericht diese bei deiner Verurteilung feststellt, kann es länger dauern, bis du überhaupt die Chance auf Bewährung bekommst. Dann beginnt der Prüfzeitpunkt deutlich später als nach 15 Jahren. In einigen Fällen vergehen sogar 18, 20 oder noch mehr Jahre, bevor eine Entlassung auch nur in Betracht gezogen wird. 

Außerdem entscheidet das zuständige Landgericht nicht automatisch. Es braucht einen förmlichen Antrag. In der Praxis ist das meist dein:e Strafverteidiger:in oder dein:e Anwält:in. Dein rechtlicher Beistand kann deinen Antrag beim Gericht einreichen und dich zum weiteren Vorgehen und den Erfolgsaussichten beraten. Außerdem wird ein Gutachten eingeholt – oft von forensischen Psychologen, die prüfen, ob von dir noch eine Gefahr ausgeht.

Bundesverfassungsgericht stärkt Hoffnung auf Freiheit

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit einem Grundsatzurteil aus dem Jahr 1977 (BVerfGE 45, 187) und späteren Entscheidungen klargestellt: Auch Menschen mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe dürfen nicht jede Hoffnung auf Freiheit verlieren. Das ergibt sich unmittelbar aus dem deutschen Grundgesetz – genauer gesagt aus Artikel 1 Abs. 1 und Artikel 2 Abs. 2 GG. Dort steht, dass die Würde des Menschen unantastbar ist und jeder das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit hat. 

Die Verfassungsrichter:innen haben betont: Der Staat darf niemanden in „Hoffnungslosigkeit verwahren“. Das heißt: Auch wenn jemand ein schweres Verbrechen begangen hat, muss es grundsätzlich eine echte Perspektive geben, irgendwann wieder frei zu sein – sofern davon keine Gefahr mehr ausgeht. 

Diese Rechtsprechung hat direkte Auswirkungen darauf, wie das Strafrecht in Deutschland ausgelegt wird. Das Strafgesetzbuch erlaubt deshalb nach einer langen Haftzeit eine Überprüfung des Falles. Der Staat muss regelmäßig prüfen, ob sich die Gründe, die zur Haft geführt haben, verändert haben. Auch die Strafvollzugsordnung und die Gesetze der Bundesländer sind davon beeinflusst. 

Die Gefängnisse bereiten Häftlinge in sogenannten Entlassungsvorbereitungen auf ein mögliches Leben draußen vor: durch Ausbildung, Therapie, Lockerungen wie Ausgänge oder Hafturlaub (wenn bewilligt) und soziale Integrationsmaßnahmen. Das BVerfG hat ebenfalls betont, dass der Strafvollzug dazu da ist, die Häftlinge auf ein Leben in Freiheit vorzubereiten. Nicht um sie bloß zu bestrafen. Dieser ressourcenorientierte Ansatz ist fester Bestandteil unseres Rechtssystems. Die Hoffnung auf Entlassung ist kein “Geschenk”, sondern ein verfassungsrechtlich abgesichertes Recht – natürlich nur, wenn keine Gefahr mehr besteht.

Lebenslange Haftstrafe oder Sicherungsverwahrung: Was ist der Unterschied?

Die lebenslange Haftstrafe wird vom Gericht als Strafe für besonders schwere Verbrechen wie Mord verhängt. Doch was passiert danach, wenn die Person ihre Strafe eigentlich verbüßt hat, aber immer noch eine ernste Gefahr für die Gesellschaft darstellt? Genau hier kommt die Sicherungsverwahrung ins Spiel.

Auf den ersten Blick sehen sich die beiden Maßnahmen – lebenslange Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung – ähnlich. Beide bedeuten: Die betroffene Person sitzt ein, oft für lange Zeit. Doch es gibt wichtige Unterschiede. Der wichtigste: Die lebenslange Haftstrafe ist eine Strafe, die ein Gericht direkt wegen einer Tat anordnet. Die Sicherungsverwahrung ist keine Strafe im klassischen Sinne. Sie dient dem Schutz der Allgemeinheit. Sie wird zusätzlich zur Haft angeordnet, wenn das Gericht feststellt, dass jemand auch nach der Haft noch gefährlich ist.

Rechtsgrundlage für die Sicherungsverwahrung ist § 66 StGB. Dort steht, dass ein Gericht Sicherungsverwahrung anordnen kann, wenn jemand mehrere schwere Straftaten begangen hat und alles darauf hindeutet, dass er oder sie auch künftig gefährlich bleiben wird. Das können zum Beispiel schwere Sexualstraftäter:innen sein oder Gewalttäter:innen mit hoher Rückfallgefahr. Auch bei einer einzelnen sehr schweren Tat kann Sicherungsverwahrung angeordnet werden, wenn das Risiko weiterer Verbrechen hoch bleibt.

Gut zu wissen

Die Sicherungsverwahrung beginnt erst nach dem Ende der Haftstrafe. Das bedeutet: Wer zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt wurde und nach beispielsweise 20 Jahren aus dem Gefängnis entlassen werden könnte – etwa wegen Bewährung –, kann trotzdem in der Sicherungsverwahrung bleiben. Nicht wegen seiner früheren Tat, sondern nur, weil er aktuell noch als gefährlich gilt.

Die Sicherungsverwahrung wird regelmäßig überprüft, mindestens alle 2 Jahre. Wenn die Gefahr nicht mehr besteht, muss die Person entlassen werden.

Wie sieht das Leben in Sicherheitsverwahrung aus?

Ein weiterer Unterschied ist der Alltag in der Sicherungsverwahrung. Auch das ist gesetzlich geregelt: Für Verwahrte gelten andere Regeln als für Gefangene. Sie haben zum Beispiel mehr Freiheiten im Alltag, können mehr Besuch empfangen, dürfen sich freier im Gebäude bewegen und haben besondere Betreuungsangebote. Diese Unterschiede sollen zeigen: Die Verwahrung ist keine Strafe, sondern eine Schutzmaßnahme.

Auch bei einer lebenslangen Haftstrafe ist die Freiheit also nicht für immer ausgeschlossen. Aber in bestimmten Fällen kann es passieren, dass jemand über die Haft hinaus in der Sicherungsverwahrung bleibt – solange er als gefährlich gilt. Das kann dann bedeuten: Nicht das Verbrechen ist der Grund für den weiteren Freiheitsentzug, sondern das Verhalten und die Prognose zum Zeitpunkt der möglichen Entlassung.

Fazit

Die lebenslange Haftstrafe stellt die schwerste Form der Freiheitsstrafe im deutschen Strafrecht dar und wird in der Regel für besonders schwere Verbrechen wie Mord verhängt. Sie dient sowohl der Sühne als auch dem Schutz der Gesellschaft. In vielen Fällen bedeutet „lebenslang“ jedoch nicht eine Haftdauer bis zum Lebensende, da eine vorzeitige Entlassung nach frühestens 15 Jahren unter bestimmten Bedingungen möglich ist. Besonders schwere Schuld kann allerdings eine Entlassung auf unbestimmte Zeit ausschließen. Zudem unterliegt die lebenslange Haftstrafe der Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht, das die Menschenwürde auch im Strafvollzug schützt.

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