Manchmal bringt das Leben Veränderungen mit sich, auf die man nicht vorbereitet ist: Eine Trennung, neue Wohnorte oder ganz unterschiedliche Vorstellungen davon, was für das eigene Kind das Beste ist. Gerade dann wird das Thema geteiltes Sorgerecht besonders präsent – denn auch wenn man als Eltern kein Paar mehr ist, bleibt man doch gemeinsam verantwortlich. Ob es um die Auswahl der ersten Grundschule geht, um einen Umzug in eine andere Stadt oder die Frage, ob das Kind geimpft werden soll – all das dürfen getrennte Eltern mit gemeinsamer Sorge nur zusammen entscheiden. Doch was bedeutet das im Alltag? Wer darf was? Und was passiert, wenn es zum Streit kommt? Erfahr mehr in diesem Artikel.
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Das Wichtigste in Kürze
✅ Geteiltes Sorgerecht bedeutet, dass beide Elternteile die Verantwortung für wichtige Entscheidungen im Leben ihres Kindes tragen. Das betrifft etwa die Wahl der Schule, medizinische Behandlungen oder Entscheidungen zum Aufenthaltsort und zur religiösen Erziehung.
✅ Die elterliche Sorge umfasst Personensorge, Vermögenssorge und die rechtliche Vertretung des Kindes. Beide Eltern sind verpflichtet, sich abzusprechen und gemeinsam im Sinne des Kindes zu handeln, wenn eine Entscheidung diese Lebensbereiche betrifft.
✅ Wer mit seinem Kind zusammenlebt, darf über Alltagsfragen allein entscheiden. Das betrifft z. B. Kleidung, Schlafenszeiten oder die Teilnahme an Freizeitaktivitäten. Bei diesen kleineren Fragen ist keine Zustimmung des anderen Elternteils erforderlich.
✅ Kommt es zu Konflikten, kann das Familiengericht auf Antrag einem Elternteil das Entscheidungsrecht übertragen. Dabei wird immer geprüft, was dem Wohl des Kindes am besten dient – das Gericht greift nur in Ausnahmefällen in das ganze Sorgerecht ein.
✅ Unverheiratete Väter erhalten das gemeinsame Sorgerecht nur, wenn sie mit der Mutter eine Sorgerechtserklärung abgeben oder einen Antrag beim Familiengericht stellen. Dabei wird geprüft, ob das geteilte Sorgerecht dem Kind nützt. Die Mutter kann dies nur verhindern, wenn sie nachweist, dass es dem Kind schaden würde.
Geteiltes Sorgerecht: Was bedeutet das überhaupt?
Wenn Eltern sich einig sind, dass sie ihr Kind gemeinsam großziehen – auch nach einer Trennung –, spricht man vom geteilten Sorgerecht. Juristisch korrekt heißt es „gemeinsame elterliche Sorge“ oder kurz: gemeinsames Sorgerecht. Beide Elternteile sind gemeinsam für alle wichtigen Entscheidungen im Leben ihres Kindes verantwortlich. Sie müssen sich also abstimmen, sobald es um Dinge geht, die das Kind in seinem Leben dauerhaft beeinflussen.
Das geteilte Sorgerecht regelt sich nach § 1626 BGB. Dort steht in Absatz 1 Satz 1: “Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge)”. Die gemeinsame elterliche Sorge betrifft zwei große Lebensbereiche:
- Personensorge: Dazu gehören alle Entscheidungen rund um das tägliche Leben des Kindes – zum Beispiel der Wohnort, die Gesundheitsversorgung, die Betreuung in einer Kita oder Schule und die religiöse Erziehung.
- Vermögenssorge: Hier geht es um das Geld und Vermögen des Kindes. Dazu zählen beispielsweise das Sparkonto, Erbschaften oder auch Schadensersatzforderungen.
Hinzu kommt die rechtliche Vertretung: Eltern vertreten ihr Kind rechtlich gemeinsam. Wenn zum Beispiel ein Vertrag unterschrieben werden muss (etwa für Musikunterricht oder eine Klassenfahrt), müssen beide Eltern zustimmen – es sei denn, es handelt sich um Alltagsentscheidungen.
Wenn du also mit dem anderen Elternteil gemeinsam sorgeberechtigt bist, müsst ihr euch bei großen Entscheidungen absprechen. Dazu zählen zum Beispiel:
- Welche Schule das Kind besuchen soll
- Ob ein medizinischer Eingriff vorgenommen wird (z. B. Operationen)
- Ob das Kind in eine andere Stadt oder ein anderes Land ziehen darf
- Welche religiöse Erziehung das Kind erhält
Solche Entscheidungen dürfen nicht ein Elternteil alleine treffen, wenn ihr das geteilte Sorgerecht habt. Ihr müsst euch einig sein – idealerweise einvernehmlich. Ziel ist, dass beide Eltern gemeinsam im Sinne des Kindes handeln. Dieser Anspruch ergibt sich direkt aus dem Gesetz: “Sie (die Eltern) besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an.”
Aber es heißt nicht, dass ihr euch jedes Mal abstimmen müsst, wenn das Kind zum Beispiel neue Turnschuhe braucht oder zum Kindergeburtstag eingeladen ist. Für diese Dinge gibt es die sogenannten Alltagsentscheidungen. Hier darf der Elternteil, bei dem das Kind aktuell lebt, allein entscheiden. Alltagsentscheidungen betreffen grundsätzlich nur Angelegenheiten von geringer Bedeutung und mit kurzfristiger Auswirkung.
In der Praxis bedeutet das geteilte Sorgerecht also nicht, dass beide Eltern immer ganz gleichberechtigt das Kind betreuen. Es heißt vielmehr, dass sie zusammen Verantwortung tragen – bei zentralen Fragen im Leben ihres Kindes. Sie entscheiden dann gemeinsam über den Weg, den ihr Kind gehen soll. Diese Verantwortung bleibt auch bestehen, wenn ihr als Paar nicht mehr zusammen seid oder getrennt wohnt.
Wer entscheidet über das Aufenthaltsbestimmungsrecht?
Ein häufiger Irrtum ist: Wer das Sorgerecht hat, hat automatisch auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Das stimmt so nicht. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist ein Teil der Personensorge. Normalerweise gehört es zum gemeinsamen Sorgerecht.
Aber manchmal entscheidet ein Gericht, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht bei nur einem Elternteil liegen soll. Das geschieht vor allem dann, wenn sich die Eltern nicht einigen können, wo das Kind leben soll. In solchen Fällen prüft das Familiengericht, was dem Kindeswohl am meisten nützt – das ist der zentrale Maßstab in allen Fragen der elterlichen Sorge, wie § 1697a BGB zeigt.
Beim geteilten Sorgerecht geht es also darum, dass beide Elternteile gemeinsam über die großen Themen im Leben des Kindes entscheiden – egal, ob sie ein Paar sind oder nicht. Das betrifft Fragen zur Gesundheit, Schulwahl, dem Aufenthaltsort und zur finanzielle Vorsorge des Kindes. Nur bei ikleineren Alltagsthemen kann jeder Elternteil allein entscheiden.
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Anspruch auf geteiltes Sorgerecht: Wer bekommt es und wie?
Verheiratete Eltern
Wenn Eltern bei der Geburt ihres Kindes miteinander verheiratet sind, dann gilt automatisch das geteilte Sorgerecht. Das heißt, Mutter und Vater tragen gemeinsam die Verantwortung für ihr Kind – rechtlich nennt sich das „elterliche Sorge“.
Es ist nicht nötig, einen Antrag zu stellen oder zum Jugendamt zu gehen. Ihr werdet also automatisch gemeinsam für Dinge wie Schulwahl, Arztbesuche oder Auslandsreisen verantwortlich. Rechtsgrundlage dafür ist § 1626 Absatz 1 BGB. Dort steht sinngemäß: Eltern haben die Pflicht und das Recht, für ihr Kind zu sorgen. Das gilt bei verheirateten Eltern von Anfang an gemeinsam.
Diese gemeinsame Sorge gilt auch dann weiter, wenn du und dein:e Partner:in euch trennen oder scheiden lasst. Eine Scheidung allein beendet das geteilte Sorgerecht nicht. Nur wenn das Familiengericht ausnahmsweise entscheidet, dass das gemeinsame Sorgerecht dem Wohl des Kindes schadet, kann das anders geregelt werden (siehe dazu § 1671 BGB).
Unverheiratete Eltern
Anders sieht es aus, wenn Eltern bei der Geburt nicht verheiratet sind. In dem Fall hat zunächst nur die Mutter das alleinige Sorgerecht. Der Vater bekommt das geteilte Sorgerecht nur, wenn beide es gemeinsam erklären oder der Vater beim Familiengericht einen Antrag stellt.
Die einfachste Lösung: Vater und Mutter geben eine sogenannte Sorgerechtserklärung ab. Das geht beim Jugendamt oder bei einem Notariat. Dafür müsst ihr persönlich erscheinen, es reicht nicht, die Erklärung zu unterschreiben und zu verschicken. Das regelt § 1626c BGB. Kommt eine gemeinsame Erklärung nicht zustande – zum Beispiel, weil die Mutter sich weigert – kann der Vater einen Antrag beim Familiengericht stellen. Das prüft dann, ob das gemeinsame Sorgerecht dem Wohl des Kindes dient. Falls ja, bekommt der Vater es.
Die Mutter kann nur dann verhindern, dass das Gericht dem Vater das Sorgerecht gibt, wenn sie beweisen kann, dass die gemeinsame Sorge dem Kind schadet. Das nennt sich „Kindeswohlgefährdung„. Auch das ist gesetzlich geregelt, und zwar in § 1626a Absatz 2 BGB.
Dort steht: “Das Familiengericht überträgt gemäß Absatz 1 Nummer 3 auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge beiden Eltern gemeinsam, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht. Trägt der andere Elternteil keine Gründe vor, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können, und sind solche Gründe auch sonst nicht ersichtlich, wird vermutet, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht.”
Du musst also nicht zwingend mit der Mutter des Kindes verheiratet sein, um am Leben deines Kindes teilzuhaben und mitzuentscheiden. Wichtig ist nur, dass du aktiv wirst – entweder gemeinsam mit der Mutter oder notfalls über das Gericht.
Ein Sonderfall: Wenn du als Vater dein Kind erst anerkennen musst (also rechtlich gesehen bestätigen, dass du der Vater bist), funktioniert das ebenfalls über das Jugendamt oder das Standesamt. Die Vaterschaftsanerkennung ist Voraussetzung für jede Regelung zum Sorgerecht.
In der Praxis kommt es übrigens gar nicht selten vor, dass unverheiratete Eltern sich schnell einigen und die Sorgerechtserklärung gemeinsam abgeben. So könnt ihr unkompliziert als gemeinsames Elternteam funktionieren – ganz ähnlich wie verheiratete Paare. Wichtig ist nur, dass beide wissen, was das bedeutet: Verantwortung zu teilen heißt auch, sich gut absprechen zu müssen.
Gemeinsames Sorgerecht und Streit: Wann das Gericht eingreift
Beim geteilten oder gemeinsamen Sorgerecht haben beide Eltern das Recht und die Pflicht, sich um ihr Kind zu kümmern. In der Theorie klingt das fair und sinnvoll – in der Praxis kann es aber auch zu Konflikten führen. Vor allem nach einer Trennung sind sich Eltern nicht immer einig. Wann darf ein Kind eine neue Schule besuchen? Soll es geimpft werden? Mit wem macht es Urlaub? Wenn Gespräche scheitern, kann das Familiengericht helfen.
Grundsätzlich regelt das § 1627 BGB, dass Eltern die elterliche Sorge „in gegenseitigem Einvernehmen“ ausüben müssen. Sie sollen Verantwortung gemeinsam übernehmen. Dazu gehört, sich abzusprechen und fähig zu sein, Lösungen im Sinne des Kindes zu finden. Gelingt das nicht, wird das Gericht nicht gleich die komplette Sorge neu verteilen. Es greift aber dann ein, wenn die Uneinigkeit eine Entscheidung blockiert oder dem Kind schadet.
In solchen Fällen entscheidet das Familiengericht nach § 1628 BGB. Dieser Paragraf erlaubt es dem Gericht, auf Antrag einem Elternteil die Entscheidung in einer einzelnen Angelegenheit zu übertragen. Es geht also nicht automatisch um das ganze Sorgerecht, sondern nur um den einen Streitpunkt – zum Beispiel die Wahl der Grundschule oder eine medizinische Behandlung. Das Gericht prüft dann, was für das Kind am besten ist. Man spricht dabei vom „Kindeswohl“ – das zentrale Kriterium in allen Familiensachen.
Typische Fälle vor Gericht sind zum Beispiel:
- Ein Elternteil will das Kind gegen COVID-19 impfen – der andere ist strikt dagegen.
- Es geht um einen Umzug in eine andere Stadt, was den Schulweg oder das Umgangsrecht deutlich erschwert.
- Ein Elternteil möchte einen Auslandsurlaub machen, der andere hält das Ziel für unsicher.
- Das Kind soll eine andere Schule oder Kita besuchen.
Sorgerechtsenzug oder Einschränkung des Sorgerechts
Tritt der Streit so offen zutage, dass das Kind leidet oder Entwicklungsschritte gestört werden, kann das Gericht auch weiter gehen. Es kann einem Elternteil das Sorgerecht entziehen oder einschränken – in besonders schweren Fällen. Grundlage dafür ist § 1666 BGB. Hier ist geregelt, dass das Familiengericht Schutzmaßnahmen ergreifen darf, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes gefährdet ist. Oft geht es dabei nicht nur um Streit, sondern auch um Gewalt, Vernachlässigung oder massiven Kontaktabbruch.
Ein Sorgerechtsentzug ist aber die Ausnahme. Bevor es so weit kommt, prüft das Gericht mildere Mittel. Dazu kann zum Beispiel die Übertragung der Entscheidungsbefugnis für bestimmte Lebensbereiche gehören. So kann ein Elternteil allein über medizinische Fragen, aber nicht über Bildungsfragen entscheiden. Oder es werden konkrete Auflagen gemacht – etwa ein verpflichtendes Elterngespräch oder die Teilnahme an einer Beratung. Die Familiengerichte arbeiten oft mit dem Jugendamt zusammen. Das Amt gibt eine Einschätzung ab, was in deinem Fall notwendig ist und was dem Kind hilft.
Übrigens: Auch wenn das Gericht eine Entscheidung trifft, heißt das nicht, dass du keinen Einfluss mehr hast. Du kannst gegen familiengerichtliche Entscheidungen Beschwerde einlegen. Zuständig dafür ist dann das Oberlandesgericht. Der Weg dahin ist allerdings mit Zeit, Kosten und viel Stress verbunden. Deshalb gilt: Versuche, mit dem anderen Elternteil zu sprechen. Eine Mediation – also ein moderiertes Gespräch mit einem neutralen Dritten – kann helfen, bevor ein Streit eskaliert. Hierbei kann auch eine Anwältin oder ein Anwalt im Familienrecht helfen.
Fazit
Das geteilte Sorgerecht stellt sicher, dass beide Elternteile trotz Trennung oder Scheidung weiterhin gemeinsam Verantwortung für ihr Kind übernehmen. Es dient dem Kindeswohl und ermöglicht eine gleichberechtigte Mitwirkung bei wichtigen Entscheidungen, wie Schule, medizinische Versorgung oder Wohnortwechsel. Dabei ist jedoch eine gute Kommunikation zwischen den Eltern Voraussetzung, um Konflikte zu vermeiden und im Sinne des Kindes zu handeln.
In der Praxis bedeutet geteiltes Sorgerecht nicht automatisch klare Regelungen zum Aufenthalt des Kindes – hier sind zusätzliche Vereinbarungen notwendig. Auch wenn die elterliche Sorge formal geteilt wird, ist eine einvernehmliche Zusammenarbeit entscheidend, um das Familienleben auch nach einer Trennung harmonisch zu gestalten.