Du arbeitest regelmäßig länger als vereinbart, aber ob du dafür Geld bekommst, ist unklar? Gerade in Pflege, Gastronomie oder Start-ups sind Überstunden Alltag. Doch viele wissen nicht: In vielen Fällen hast du Anspruch auf Auszahlung von Überstunden oder Freizeitausgleich. Erfahre mehr in diesem Artikel.
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Das Wichtigste in Kürze
✅ Du hast Anspruch auf Bezahlung von Überstunden, wenn sie von Arbeitgeberseite angeordnet oder geduldet wurden. Ohne ausdrückliche Vereinbarung musst du also nicht kostenlos mehr arbeiten.
✅ Ob du Geld bekommst oder Freizeitausgleich erhältst, hängt vom Arbeits- oder Tarifvertrag ab. Ohne eine klare Regelung gilt: Überstunden sind zu vergüten. Freizeitausgleich ist nur mit deiner Zustimmung möglich.
✅ Die Vergütung richtet sich nach deinem Stundenlohn – eventuell mit Zuschlägen. Tarifverträge regeln oft zusätzliche Zahlungen für Nacht- oder Wochenendarbeit. Pauschale Abgeltungsklauseln sind häufig unwirksam.
✅ Überstunden verfallen, wenn du sie nicht rechtzeitig geltend machst. Die gesetzliche Verjährung beträgt 3 Jahre, aber viele Verträge enthalten viel kürzere Ausschlussfristen (oft nur 3 Monate).
✅ Wenn dein:e Arbeitgeber:in nicht zahlt, kannst du deine Ansprüche notfalls vor dem Arbeitsgericht durchsetzen. Dafür musst du deine Überstunden gut dokumentieren und belegen und ggf. anwaltliche Unterstützung einholen.
Wann müssen Überstunden bezahlt werden?
Überstunden sind alle Arbeitszeiten, die über die im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Gesetz geregelte normale Arbeitszeit hinausgehen. In der Regel liegt diese Grenze bei 8 Stunden täglich (§ 3 ArbZG). Wer also regelmäßig länger bleibt, leistet Überstunden. Doch ob du dafür auch Geld bekommst, hängt von mehreren Faktoren ab.
Grundsätzlich gilt: Wenn du Überstunden auf Anweisung des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin oder mit dessen Wissen und Billigung machst, hast du Anspruch auf Bezahlung. Das ergibt sich aus § 612 Absatz 1 BGB. Dort steht: “Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.” Sprich: Wer länger arbeitet, weil es verlangt wird, darf auch mit Lohn rechnen.
Überstunden mit dem Gehalt abgegolten?
In vielen Arbeitsverträgen steht, dass Überstunden „mit dem Gehalt abgegolten“ seien. Das ist aber nicht immer zulässig – zumindest nicht unbegrenzt. Laut Rechtsprechung darf so eine Klausel nur eine gewisse Anzahl an Überstunden abdecken.
Was darüber hinausgeht, muss bezahlt werden. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat hierzu klargestellt: Pauschale Abgeltungsklauseln sind oft unwirksam, wenn sie nicht konkret regeln, wie viele Stunden gemeint sind (BAG, Urteil vom 01.09.2010 – 5 AZR 517/09).
Wichtig ist auch die Abgrenzung: Nicht alles, was nach „mehr Arbeit“ aussieht, sind automatisch Überstunden im rechtlichen Sinn. Bereitschaftsdienste oder Rufbereitschaft können anders geregelt sein. Außerdem musst du Überstunden auch nachweisen können, zum Beispiel durch Stundenzettel, E-Mails oder Arbeitszeiterfassung.
Ein Sonderfall sind Tarifverträge. Sie regeln oft sehr genau, wann und wie Überstunden vergütet werden, zum Teil auch mit Zuschlägen. Bist du also tarifgebunden, lohnt sich ein Blick in den Tarifvertrag.
Wann verfallen Überstunden?
Auch wenn du viele Überstunden angesammelt hast, heißt das leider nicht automatisch, dass du sie ewig einfordern kannst. Es gibt klare gesetzliche Fristen, nach denen Ansprüche auf Auszahlung oder Freizeitausgleich verfallen können, wenn du sie nicht rechtzeitig geltend machst.
Die allgemeine Verjährungsfrist beträgt 3 Jahre (§ 195 BGB). Das bedeutet: Deine Überstunden verjähren am Ende des 3. Jahres nach ihrer Entstehung. Beispiel: Überstunden aus 2022 verjähren am 31.12.2025, sofern keine anderen Fristen greifen.
In vielen Arbeitsverträgen oder Tarifverträgen finden sich aber sogenannte Ausschlussfristen. Diese können viel kürzer sein, oft nur 3 oder 6 Monate. Wenn du deine Ansprüche in dieser Frist nicht schriftlich geltend machst, verlierst du sie. Und das gilt sogar dann, wenn du rechtlich im Recht wärst. Deshalb: Lies dir deinen Arbeitsvertrag genau durch!
Beweislast
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in mehreren Urteilen klargestellt, dass Arbeitnehmer:innen im Streitfall konkret nachweisen müssen, wann sie Überstunden geleistet haben und dass diese vom Arbeitgeber bzw. von der Arbeitgeberin angeordnet oder geduldet wurden (z. B. BAG, Urteil vom 04.05.2022 – 5 AZR 359/21). Fehlt dieser Nachweis, wird es schwer mit der Auszahlung.
Wenn du Überstunden hast, warte also nicht zu lange. Mach deine Ansprüche frühzeitig geltend. Am besten schriftlich, mit genauer Angabe der geleisteten Zeiten. So sicherst du deine Rechte.
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Auszahlung von Überstunden oder Freizeitausgleich?
Nicht jede Überstunde muss zwingend in Geld ausgezahlt werden, oft ist auch Freizeitausgleich möglich. Doch wie genau läuft das rechtlich? Was du bekommst, hängt davon ab, was im Arbeits- oder Tarifvertrag steht.
Laut § 612 BGB gilt: Wer mehr arbeitet, hat grundsätzlich Anspruch auf Vergütung – es sei denn, es ist ausdrücklich etwas anderes vereinbart. Häufig steht im Arbeitsvertrag, dass Überstunden „durch Freizeit auszugleichen“ sind. In diesem Fall kann dein Arbeitgeber bzw. deine Arbeitgeberin dir also statt Geld freie Tage geben.
Wichtig
Der Freizeitausgleich muss genau dem Wert der geleisteten Überstunden entsprechen. Wenn du also zwei Stunden mehr gearbeitet hast, müssen dir auch genau zwei Stunden freigegeben werden. Und das Ganze darf nicht irgendwann im Jahr passieren, sondern in einem angemessenen Zeitraum, sonst besteht wieder ein Anspruch auf Auszahlung.
Aber Achtung: Einseitig kann dein:e Arbeitgeber:in den Freizeitausgleich nicht anordnen. Ohne vertragliche Regelung braucht es deine Zustimmung. Umgekehrt gilt auch: Du kannst nicht einfach selbst entscheiden, deine Überstunden durch Freizeit auszugleichen, es muss immer abgesprochen sein.
Steht in deinem Vertrag nichts über Überstunden, greift die gesetzliche Regelung: Dann musst du grundsätzlich bezahlt werden. Allerdings musst du beweisen können, wann und wie du länger gearbeitet hast. Deshalb ist es sinnvoll, deine Arbeitszeiten genau zu dokumentieren.
In Tarifverträgen sind oft klare Regeln enthalten, wann es Geld gibt und wann Freizeit. Manche Branchen sehen sogar eine Kombination aus beidem vor, zum Beispiel Auszahlung eines Teils und Freizeitausgleich für den Rest.
Wieviel Geld bekomme ich bei Auszahlung von Überstunden?
Wenn du Überstunden machst, willst du natürlich auch wissen: Wie viel Geld steht dir eigentlich zu? Grundsätzlich gilt: Jede Überstunde wird wie normale Arbeitszeit bezahlt, also auf Basis deines Stundenlohns. Wie hoch der ist, ergibt sich aus deinem Gehalt und deiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit. Verdienst du z. B. 3.000 Euro brutto bei 40 Wochenstunden, liegt dein Stundenlohn bei etwa 17,30 Euro brutto.
In vielen Branchen gibt es darüber hinaus Zuschläge für Überstunden, oft geregelt durch Tarifverträge. Diese Zuschläge können bei 25 % oder sogar 50 % liegen, besonders bei Nacht-, Wochenend- oder Feiertagsarbeit. Ob du einen Anspruch auf solche Zuschläge hast, steht im Tarifvertrag oder eventuell auch in einer Betriebsvereinbarung.
Vorsicht bei sogenannten Pauschalvergütungen: Viele Arbeitsverträge enthalten Klauseln wie „mit dem Gehalt sind alle Überstunden abgegolten“. Solche Formulierungen sind nicht per se unwirksam, aber rechtlich sehr eng auszulegen. Laut Bundesarbeitsgericht (BAG) müssen solche Klauseln klar und verständlich sein und dürfen nur eine begrenzte Zahl von Überstunden umfassen. Wird diese Zahl überschritten, entsteht ein Anspruch auf zusätzliche Vergütung (BAG, Urteil vom 16.05.2012 – 5 AZR 331/11).
Ein weiteres Thema ist der Nachweis der Überstunden. Du musst im Streitfall belegen können, wann und wie lange du gearbeitet hast. Am besten führst du ein genaues Arbeitszeitprotokoll oder nutzt digitale Tools zur Zeiterfassung. Außerdem solltest du dir Überstunden möglichst schriftlich bestätigen lassen oder dokumentieren, dass sie auf Anweisung entstanden sind.
Übrigens: Auch Minijobber und Teilzeitkräfte haben Anspruch auf Vergütung von Überstunden und zwar zum gleichen Stundenlohn wie Vollzeitkräfte. Eine Schlechterstellung ist rechtlich nicht erlaubt (§ 4 TzBfG).
Chef verweigert Auszahlung von Überstunden
Du hast Überstunden gemacht, aber dein Chef bzw. deine Chefin weigert sich, sie zu bezahlen oder auszugleichen? Damit bist du nicht allein. Viele Arbeitgeber:innen ignorieren oder verzögern Ansprüche in der Hoffnung, dass du nichts unternimmst. Aber du hast Rechte und du kannst sie durchsetzen.
Die nächsten Punkte dienen nur als erste Orientierung. Bitte wende dich für eine verbindliche rechtliche Auskunft direkt an eine Anwältin oder einen Anwalt für Arbeitsrecht.
Der erste Schritt sollte immer ein Gespräch mit dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin sein. Frag freundlich, aber bestimmt nach, warum die Überstunden nicht berücksichtigt wurden. Manchmal handelt es sich nur um ein Missverständnis oder um fehlende Unterlagen. Kläre, ob du deine Zeiten nachweisen kannst und ob es eine Möglichkeit gibt, sie auszugleichen.
Wenn das Gespräch nichts bringt, kannst du deine Ansprüche schriftlich geltend machen. Am besten per E-Mail oder Brief und mit einer Liste der geleisteten Überstunden, Datum, Uhrzeit und kurzer Erläuterung. Verweise auf § 612 BGB und bitte um eine verbindliche Rückmeldung bis zu einem bestimmten Datum.
Falls es einen Betriebsrat gibt, kannst du dich an ihn wenden. Der Betriebsrat kann vermitteln und auch Druck auf den Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin ausüben. In größeren Unternehmen ist das oft der wirksamste Weg.
Klagen wegen Auszahlung von Überstunden
Wenn alles nichts hilft, bleibt dir noch der Gang zum Arbeitsgericht. Du kannst dort eine Klage auf Auszahlung der Überstunden einreichen. Das geht am besten mit anwaltlicher Unterstützung, so dass du über deine rechtlichen Möglichkeiten und die daraus resultierenden Folgen aufgeklärt wirst. Das Gericht prüft dann, ob du Anspruch auf Vergütung hast. Du musst deine Überstunden aber konkret nachweisen können. Auch solltest du Fristen im Auge behalten, insbesondere wenn im Arbeitsvertrag eine Ausschlussfrist steht.
Eine Klage ist kein einfacher Schritt, aber manchmal notwendig. Vor allem, wenn es um viel Geld geht. Wenn du recht bekommst, muss der Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin die Gerichtskosten tragen. Wenn du verlierst, kann es passieren, dass du auf den Kosten sitzen bleibst.
Fazit
Überstunden sind in vielen Berufen alltäglich, doch allzu oft bleiben sie unbezahlt oder verschwinden stillschweigend aus dem Blick. Dabei hast du in vielen Fällen ein klares Recht auf Auszahlung oder Freizeitausgleich. Entscheidend ist, ob dein Arbeitgeber bzw. deine Arbeitgeberin die Überstunden angeordnet oder geduldet hat und ob dein Arbeits- oder Tarifvertrag Regelungen dazu enthält.
Wichtig ist auch, dass du deine Ansprüche rechtzeitig und schriftlich geltend machst. Denn viele Arbeitsverträge enthalten Ausschlussfristen, nach denen dir kein Geld mehr zusteht, wenn du zu lange wartest. Wenn der Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin nicht zahlt, solltest du dich nicht scheuen, deine Rechte einzufordern – im Zweifel auch vor Gericht.