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Verpackungssteuer lässt Tübingens Kassen klingeln

Zum ersten Mal wird in diesem Winter die Verpackungssteuer der Stadt Tübingen eingezogen. Die Einführung der Steuer hat auf mehreren Ebenen zu Diskussionen geführt. 

Gastwirt:innen, Kund:innen oder Jurist:innen – alle haben ihre eigene Perspektive auf die Steuer. In diesem Beitrag wollen wir uns den Gegenstand der Steuer sowie die Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerfG) zu ihrer Verfassungsmäßigkeit einmal genauer anschauen. 

Das Wichtigste in Kürze

✅ Die Verpackungssteuer besteuert Einwegverpackungen mit 0,50 € pro Gericht und gilt nur in Tübingen.
✅ Zusätzlich gelten allgemeine Steuern wie die Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer).
✅ Eine Klage gegen die Steuer ist vor dem BVerwG gescheitert.
✅ Das BVerfG wird vielleicht bald im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde dazu entscheiden.

Steuer wurde Anfang 2022 eingeführt

Die Verpackungssteuer ist eine sog. örtliche Steuer, die nur für die Stadt Tübingen gilt. Sie wurde dort zu Beginn des Jahres 2022 eingeführt. Erhoben wird sie allerdings erst Ende 2023, denn gegen sie wurde zwischenzeitlich geklagt. 

Besteuert wird dabei die Verwendung von Einweggeschirr und Besteck. Pro Einweg-Verpackung und -Geschirr müssen die Betreiber:innen von Gastrobetrieben 0,50 € zahlen, pro Einweg-Besteck oder Strohhalm 0,20 €. Zusätzlich gilt die allgemeine Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer, kurz: MwSt.) von 19 %. 

Die daraus erhaltenen Mittel sollen dem Haushalt der Stadt sowie der Müllentsorgung im Stadtgebiet zu Gute kommen. Die Idee hinter der Verpackungssteuer ist, dass die Betriebe nach und nach auf Einweg-Verpackungen verzichten und die Umweltbelastung in der Tübinger Innenstadt durch Verpackungsmüll sinkt. Im Dezember 2023 wurde die Steuer nun zum ersten Mal fällig. Die Stadt Tübingen rechnet nach Presseberichten mit Einnahmen in Höhe von 700.000 €.

Klage gegen die Verpackungssteuer in Tübingen

Bevor die Steuer aber erhoben werden konnte, wurde gegen sie geklagt. Und zwar bereits zu Beginn ihrer Einführung von einer McDonald’s-Franchisenehmerin, die eine Filiale in Freiburg leitet. Als Grund für die Klage wurde angegeben, dass es eine einheitliche Regelung zu diesem Thema geben müsse. Unternehmen mit diversen Filialen an vielen verschiedenen Orten könnten solche “Insellösungen” nur schwer umsetzen.

Zunächst hatte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg über den Fall entschieden. Hier folgte man im März 2023 der Argumentation der Klägerin und erklärte die Steuer für unrechtmäßig. Die Stadt ging jedoch in Revision und so landete der Fall beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Hier entschied man im Sinne der Stadt und erklärte die Steuer für rechtmäßig.

Zuständigkeit der Stadt Tübingen?

Gestritten wurde zwischen den Parteien insbesondere darüber, ob die Stadt Tübingen überhaupt dafür zuständig war, eine Verpackungssteuer zu erlassen. Steuern sind grundsätzlich ein Thema, das vom Bund behandelt wird. Grundsätzlich hat der Bund nach Art. 105 GG die Kompetenz, Gesetze über Steuern zu erlassen. Das macht auch Sinn, denn Abgaben an den Staat betreffen zunächst alle Einwohner:innen Deutschlands und sollten daher auch einheitlich ausgestaltet sein. 

Da es sich aber bei dieser Kompetenz um eine sog. konkurrierende Gesetzgebungskompetenz handelt, darf die Stadt Tübingen in besonderen Fällen auch ortsbezogene Steuern erlassen. 

Was bedeutet konkurrierende Gesetzgebungskompetenz?

💡 Gesetzgebungskompetenz bedeutet zunächst, dass eine bestimmte staatliche Ebene (der Bund oder die Bundesländer) das Recht hat, in bestimmten Bereichen Gesetze zu erlassen. Im Strafrecht hat z. B. der Bund die ausschließliche Kompetenz zum Erlassen von Gesetzen. Hier dürfen die Länder keine eigenen Regelungen treffen. 

⛔️ Anders sieht es aus, wenn eine konkurrierende Kompetenz vorgesehen ist. Dann dürfen die Länder eigene Gesetze erlassen, soweit und solange der Bundestag nicht in diesem Bereich gesetzgeberisch tätig geworden ist. Ein bekanntes Beispiel dafür sind die landeseigenen Polizeigesetze. Wann welche Form der Kompetenz vorliegt, ist gesetzlich klar geregelt:

🔗 Liste über ausschließliche Gesetzgebungskompetenzen des Bundes (Art. 73 GG)
🔗 Liste über konkurrierende Gesetzgebungskompetenzen (Art. 74 GG)

Die Klägerin war der Ansicht, dass es sich bei der Verpackungssteuer nicht um eine ortsbezogene Steuer handle. Denn die ToGo-Verpackungen würden schließlich gerade nicht an Ort und Stelle verzehrt und damit direkt entsorgt werden, sondern sich erfahrungsgemäß auch mal aus dem Stadtgebiet entfernen. Daher sei der Zusammenhang zwischen den Verpackungen und der durch die Steuer unterstützen Müllentsorgung oder Stadtreinigung nicht mehr gegeben.

Das sah das Bundesverwaltungsgericht anders. Es war der Meinung, dass es durchaus anzunehmen sei, dass diese Verpackungen auch im Stadtgebiet von Tübingen entsorgt würden. Damit sei der örtliche Bezug zum Stadtgebiet ausreichend gegeben. 

Steuer widerspricht nicht den Zielen des Bundes- oder Europarechts

Ein weiteres Argument der Klägerin war, dass die Steuer im Widerspruch zu dem Bundes-Abfallrecht stehe. Das überzeugte die Leipziger Richter:innen allerdings nicht. 

Die Steuer trage zur Vermeidung von Abfall bei. Dies sei eines der obersten Ziele der Abfallwirtschaft, wie sich aus einigen EU-Vorschriften wie z. B. der EU-Verpackungsrichlinie ergebe. Daher sei die lokale Steuer, mit dem Ziel der Vermeidung von Abfall, nicht widersprüchlich zum Bundesrecht. Vielmehr zielen beide Regelungen auf das Gleiche ab. 

Klägerin legt Verfassungsbeschwerde ein?

Die Klägerin hatte nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts angekündigt, Verfassungsbeschwerde einzulegen. Unter dem Aktenzeichen 1 BvR 1726/23 ist eine solche auch im September 2023  beim Bundesverfassungsgericht eingegangen. Wann über diese entschieden wird, bleibt abzuwarten.

Fazit

Die Verpackungssteuer in Tübingen ist derzeit die einzige örtliche Steuer in Deutschland. Sie soll dafür sorgen, dass der Verpackungsmüll in der Stadt weniger wird. Die Erträge (im Dezember 2023 werden etwa 700.000 € erwartet) sollen unter anderem der Müllentsorgung der Stadt zu Gute kommen. 

Eine Klage gegen die Steuer ist vor dem Bundesverwaltungsgericht gescheitert. Derzeit läuft eine Verfassungsbeschwerde gegen dieses Urteil. Die Klägerin fordert statt einer Insellösung in Tübingen bundeseinheitliche Lösungen für den Umgang mit Einweg-Verpackungen.

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