Am Mittwoch hat das Bundeskabinett den Entwurf des neuen Selbstbestimmungsgesetzes (SBGG) gebilligt. Das neue SBGG fungiert als Nachfolger des 1980 erlassenen Transsexuellengesetzes und soll Menschen die freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit erleichtern.
Das Wichtigste in Kürze
✅ Das Selbstbestimmungsgesetz soll zwei ältere Gesetze verbinden und einen einheitlichen Rahmen für transgeschlechtliche, nicht-binäre und intergeschlechtliche Personen schaffen
✅ Namens- und Geschlechtsänderungen sollen beim Standesamt einfacher werden
✅ Die Änderung des Geschlechts kann von volljährigen Personen angemeldet und durch Selbstauskunft beantragt werden
✅ Eine erneute Änderung ist erst nach einer Sperrfrist (1 Jahr) möglich
✅ Offenbart jemand Änderungen des Geschlechtseintrags, so kann dies unter Umständen mit einem Bußgeld sanktioniert werden
Transsexuellengesetz von 1981 teilweise verfassungswidrig
Das bis heute geltende Transsexuellengesetz, welches 1981 erlassen wurde, ermöglicht Menschen, deren Geschlechtsidentität von ihrem biologischen Geschlecht abweicht, in ihren offiziellen Dokumenten entweder den Vornamen zu ändern oder den Geschlechtseintrag anzupassen.
Für eine Anpassung müssen jedoch eine Reihe von verschiedenen Voraussetzungen erfüllt werden. Einige davon wurden vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig erklärt. Unter anderem mussten die Antragsteller nachweisen, dass sie ehelos sind, einen geschlechtsangleichenden Eingriff vornehmen lassen haben und dauerhaft fortpflanzungsfähig sind. Diese Voraussetzungen seien nicht vereinbar mit:
- der allgemeinen Handlungsfreiheit (aus Artikel 2 Absatz 1 und 2 GG) in Verbindung mit dem Schutz der Menschenwürde (aus Artikel 1 Absatz 1 GG)
- dem Gleichheitsgrundsatz (aus Artikel 3 Absatz 1 GG)
- dem Diskriminierungsverbot (aus Artikel 6 Absatz 1 GG)
Für den rückschrittlichen Zeitgeist des Gesetzes spricht auch, dass es von der Transgeschlechtlichkeit als Krankheit ausgeht. Spätestens mit der Neufassung des ICD 11 der WHO, nach der Transgeschlechtlichkeit nicht als Krankheit gilt, ist das TSG von 1981 aus der Zeit gefallen.
Selbstbestimmungsgesetz führt einheitliche Regelungen ein
Für nicht-binäre Menschen gibt es bis dato keine eigenständigen Regeln, sie werden ebenfalls auf das Transsexuellengesetz verwiesen. Anders ist die Situation dagegen für Menschen, die verschiedene Varianten der Geschlechtsentwicklung innehaben, also intergeschlechtlich sind. Für sie gibt es seit 2018 die Möglichkeit, nach § 45b PStG ihren Geschlechtseintrag durch Erklärung gegenüber dem Standesamt ändern zu lassen.
Was fällt unter den Personenstand?
Der Personenstand ist die familienrechtliche Stellung eines Menschen innerhalb der Rechtsordnung. Er umfasst Daten über Geburt, Eheschließung, Begründung einer Lebenspartnerschaft und Tod sowie alle damit in Verbindung stehenden familien- und namensrechtlichen Tatsachen.
Die Anforderungen an die Änderung des Geschlechtseintrags müssen nach unterschiedlichen Vorgaben beurteilt werden. Für die Betroffenen entsteht nicht nur eine Rechtsunsicherheit, sondern auch ein erheblicher Aufwand in Zusammenhang mit unangenehmen Gesprächen und intimen Prozessen, die mit dem neuen Selbstbestimmungsgesetz verringert oder aufgehoben werden sollen. Das Bundesfamilienministerium hat die Vereinheitlichung, Entbürokratisierung und den Schutz der verfassungsrechtlich geschützten Geschlechtsidentität zum Ziel des Entwurfs erklärt.
Änderung des Namens- und Geschlechtseintrags wird einfacher
Für dieses Ziel sieht der Gesetzesentwurf mehrere Maßnahmen vor. Zum einen sollen Volljährige, die nicht-binär, trans- oder intergeschlechtlich sind, mit einer Erklärung gegenüber dem Standesamt den Eintrag ändern lassen können. Zu der Erklärung bedarf es einer Zusicherung, dass der gewählte Eintrag das Geschlecht am besten widerspiegelt und dass den Betroffenen die Tragweite der Entscheidung bewusst ist.
Der Prozess sieht eine vorherige Anmeldung vor, die nach einem Zeitablauf von 3 Monaten dazu berechtigt, im Rahmen einer Selbstauskunft die Änderung in die Wege zu leiten. Nach Änderung der Angaben besteht eine Sperrfrist von 12 Monaten, bevor die nächste Anmeldung getätigt werden kann. Insgesamt liegt also zwischen zwei Änderungen eine minimale Zeitspanne von 15 Monaten. Diese Frist soll dazu dienen, den Betroffenen die Bedeutung der Änderung aufzuzeigen und den Missbrauch der neuen Regelungen zu vermeiden.
Regelungen für Minderjährige
Bei Jugendlichen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, bedarf es einer Zustimmung der Eltern, die im Zweifel durch eine Entscheidung des Familiengerichts ersetzt werden kann, wenn der Änderung keine Bedenken bzgl. des Kindeswohls entgegenstehen.
Bei Kindern und Jugendlichen, die geschäftsunfähig sind oder das Alter von 14 Jahren noch nicht vollendet haben, kann die Erklärung nur durch einen Erziehungsberechtigten abgegeben werden. Zudem sollen Beratungsangebote ausgebaut werden.
Offenbarungsverbot
Eine Besonderheit besteht in der Einführung eines Offenbarungsverbotes. So dürfen die vor der Änderung eingetragenen Vornamen (sog. Dead Names) nicht ohne die Zustimmung der Person offenbart oder ausgeforscht werden.
Bei Verstoß gegen dieses Verbot in der Absicht der betroffenen Person zu schaden, kann ein Bußgeld verhängt werden. Ausnahmen zu diesem Verbot sind ebenfalls im Entwurf geregelt.
Weitere Regelungen im Selbstbestimmungsgesetz
Der Entwurf stellt insbesondere nochmal klar, dass er keinerlei Regelungen zu medizinischen Eingriffen im Rahmen einer Geschlechtsangleichung trifft. Auch werden Bereiche, die das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) betreffen, nicht geregelt. So bleibt es auch weiterhin möglich, bestimmte Räume nur dem Zugang eines Geschlechts zu öffnen (z. B. Frauentoiletten).
Der Entwurf enthält Regelungen zur Änderung des männlichen Geschlechts im Falle eines Spannungs- und Verteidigungsfalles. So bleibt im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zu einem solchen Fall die rechtliche Zuordnung zum männlichen Geschlecht bestehen.
Zudem wird den Betroffenen grundsätzlich das Recht zugesprochen, alle weiteren mit der Person zusammenhängenden Eintragungen in Registern ändern zu lassen. Namentlich aufgeführt werden Zeugnisse und Leistungsnachweise, Dienst- und Ausbildungsverträge, Führerscheine und Bankkarten.
Fazit
Insgesamt beinhaltet der Entwurf des Selbstbestimmungsgesetzes weitreichende Neuerungen und ermöglicht der LGBTQIA+ Community die freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit. Über die weiteren Entwicklungen im Zusammenhang mit diesem Gesetz werden wir berichten.