Tarifvertrag für Leiharbeiter: Alles, was du wissen musst

Leiharbeit kann eine gute Möglichkeit sein, schnell einen Job zu finden. Doch oft fragen sich Beschäftigte: Verdiene ich genug? Habe ich dieselben Rechte wie Festangestellte? Genau hier kommen Tarifverträge ins Spiel. Sie regeln Lohn, Urlaub und viele weitere Arbeitsbedingungen für Leiharbeiter:innen. Aber nicht alle kennen ihre Rechte – und nicht immer halten sich Unternehmen daran. Erfahre in diesem Artikel mehr über den Tarifvertrag für Leiharbeiter:innen.

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Das Wichtigste in Kürze

Tarifvertrag für Leiharbeiter: In Deutschland gibt es zwei große Tarifverträge für die Zeitarbeit: den BAP- und den iGZ-Tarifvertrag. Sie regeln unter anderem Branchenzuschläge, Urlaubsansprüche und Kündigungsfristen.
Der Mindestlohn für Leiharbeiter beträgt 13,50 € pro Stunde (ab März 2024). In bestimmten Branchen gibt es Zuschläge, die mit der Einsatzdauer steigen. Diese Zuschläge sollen den Lohn an das Niveau der Stammbelegschaft anpassen.
Equal Pay gilt nach 9 Monaten – aber viele Tarifverträge umgehen das. Du hast grundsätzlich Anspruch auf den gleichen Lohn wie Festangestellte. Viele Tarifverträge setzen jedoch auf gestaffelte Branchenzuschläge.
Ohne Tarifvertrag gilt der Mindeststandard. Dazu gehören der allgemeine Mindestlohn, eine 4-Wochen-Kündigungsfrist und gesetzlicher Urlaubsanspruch. Allerdings gibt es dann keine Zuschläge oder Sonderzahlungen wie Weihnachtsgeld.
Ein Tarifvertrag kann Vorteile, aber auch Nachteile haben. Während er oft für mehr Sicherheit sorgt, kann er auch schlechtere Bedingungen als das allgemeine Arbeitsrecht enthalten. 

Was ist ein Tarifvertrag für Leiharbeiter?

Ein Tarifvertrag für Leiharbeiter:innen regelt die Arbeitsbedingungen in der Zeitarbeit. Er wird zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften ausgehandelt und legt unter anderem Löhne, Arbeitszeiten und Zusatzleistungen fest. Für Leiharbeiter:innen bedeutet das mehr Sicherheit, da sie nicht allein von den Entscheidungen der Zeitarbeitsfirma abhängig sind.

In Deutschland gibt es mehrere Tarifverträge für die Zeitarbeitsbranche. Die beiden wichtigsten werden vom Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) und vom Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) mit den Gewerkschaften verhandelt. Diese Verträge regeln Mindestlöhne, Zuschläge und Kündigungsfristen.

Ohne Tarifvertrag gelten nur die gesetzlichen Mindeststandards des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG). Dieses Gesetz schreibt unter anderem vor, dass Leiharbeiter:innen nach einer bestimmten Zeit grundsätzlich den gleichen Lohn wie Stammbeschäftigte erhalten müssen (Equal Pay, § 8 AÜG). Doch viele Tarifverträge erlauben Abweichungen davon.

Ein Tarifvertrag bringt Vorteile für Leiharbeiter:innen, aber auch Einschränkungen. Während er oft höhere Mindestlöhne sichert, kann er auch Regelungen enthalten, die schlechter sind als das allgemeine Arbeitsrecht. Daher lohnt es sich, genau hinzuschauen, welche Bestimmungen für den eigenen Arbeitsvertrag gelten.

Rechte und Pflichten für Leiharbeiter nach Tarifvertrag

Ein Tarifvertrag sichert dir als Leiharbeiter bestimmte Mindeststandards. Doch welche Rechte hast du genau? Und welche Pflichten ergeben sich daraus? Hier ein Überblick über die wichtigsten Regelungen.

Mindestlohn und Branchenzuschläge

Der Tarifvertrag legt fest, wie hoch dein Lohn mindestens sein muss. Derzeit beträgt der Mindestlohn für Leiharbeiter:innen ab März 2024 13,50 Euro brutto pro Stunde. In bestimmten Branchen gibt es jedoch Zuschläge. Diese sogenannten Branchenzuschläge steigen mit der Einsatzdauer und sollen dafür sorgen, dass dein Lohn langfristig an den der Stammbelegschaft angepasst wird.

Arbeitszeit, Urlaub und Sonderzahlungen

Die tariflichen Regelungen bestimmen, wie viele Stunden du pro Woche arbeitest und wie Überstunden vergütet werden. In der Regel gilt eine 35- bis 40-Stunden-Woche. Der Urlaubsanspruch liegt meist zwischen 24 und 30 Tagen im Jahr, abhängig von der Betriebszugehörigkeit. Viele Tarifverträge enthalten auch Sonderzahlungen wie Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld.

Kündigungsfristen und Übernahme in den Kundenbetrieb

Ein großer Vorteil der tariflichen Regelung sind klare Kündigungsfristen. Je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit beträgt die Kündigungsfrist zwischen 1 und 6 Wochen. Zudem gibt es oft eine Regelung, die es Kundenunternehmen ermöglicht, dich nach einer gewissen Zeit fest zu übernehmen. Das nennt sich Übernahmeoption – ob sie gilt, hängt vom jeweiligen Vertrag ab.

Gleichbehandlung im Betrieb

Nach § 8 AÜG (Grundsatz der Gleichstellung) musst du spätestens nach 9 Monaten denselben Lohn erhalten wie die Festangestellten des Kundenbetriebs. Doch viele Tarifverträge sehen abweichende Regelungen vor.

Das bedeutet, dass du in den ersten Monaten oft weniger verdienst als deine festangestellten Kollegen. Manche Verträge bieten aber durch gestaffelte Branchenzuschläge eine Annäherung an den Equal-Pay-Grundsatz.

Sozialversicherung und Weiterbildung

Als Leiharbeiter:in bist du ganz normal sozialversicherungspflichtig. Das bedeutet, dass dein Arbeitgeber oder deine Arbeitgeberin Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung zahlt. Einige Tarifverträge enthalten zudem Regelungen zur Weiterbildung. Das kann ein echter Vorteil sein, wenn du langfristig bessere Jobchancen haben möchtest.

Tarifvertrag für Leiharbeiter: Das sind die Unterschiede

Nicht jeder Tarifvertrag für Leiharbeiter:innen ist gleich. In Deutschland gibt es zwei große Tarifwerke, die für die meisten Zeitarbeitnehmer gelten:

Die beiden wichtigsten Tarifverträge stammen von:

Beide Verträge wurden mit den DGB-Gewerkschaften (darunter ver.di und IG Metall) ausgehandelt. Sie enthalten ähnliche Regelungen, unterscheiden sich aber in Details wie Zuschlägen oder Arbeitszeitkonten.

Unterschiede zwischen BAP und iGZ

Während der BAP-Tarifvertrag eher auf flexible Arbeitszeitregelungen setzt, enthält der iGZ-Tarifvertrag oft etwas höhere Zuschläge für Überstunden. In der Praxis macht es für Leiharbeiter:innen meist keinen großen Unterschied, welcher Vertrag gilt, da die Löhne und Bedingungen sich stark ähneln.

Abweichungen vom allgemeinen Arbeitsrecht

Ein großer Unterschied zwischen tariflichen und gesetzlichen Regelungen betrifft das Equal-Pay-Prinzip. Laut § 8 AÜG müssen Leiharbeiter:innen nach 9 Monaten denselben Lohn wie Stammbeschäftigte erhalten. Doch die meisten Tarifverträge umgehen diese Regel, indem sie gestaffelte Branchenzuschläge einführen. Diese führen zwar zu höheren Löhnen, erreichen aber oft erst nach längerer Zeit das Niveau der Stammbelegschaft.

Bedeutung von Equal Treatment

Neben Equal Pay gibt es auch den Grundsatz des Equal Treatment. Dieser besagt, dass Leiharbeiter:innen im Betrieb genauso behandelt werden müssen wie Festangestellte – etwa bei Pausenregelungen oder Arbeitskleidung. Allerdings gibt es hier oft Grauzonen, da nicht alle Arbeitgeber:innen sich strikt an diese Vorgaben halten.

Warum gibt es keine einheitliche Regelung?

Der Grund, warum verschiedene Tarifverträge gelten, liegt in der Verhandlungsfreiheit zwischen Arbeitgeber:innen und Gewerkschaften. Die Zeitarbeitsbranche will flexible Bedingungen für Unternehmen, während Gewerkschaften bessere Löhne und Arbeitsbedingungen durchsetzen wollen. Die derzeitigen Tarifverträge sind ein Kompromiss zwischen diesen Interessen.

Leiharbeit: Was passiert, wenn kein Tarifvertrag gilt?

Nicht jede Zeitarbeitsfirma ist an einen Tarifvertrag gebunden. Doch was bedeutet das für dich als Leiharbeiter:in? Welche Regelungen gelten dann?

Wenn kein Tarifvertrag greift, gelten ausschließlich die Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) und allgemeine arbeitsrechtliche Bestimmungen. Das bedeutet:

  • Du hast Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn (aktuell 12,41 € pro Stunde, ab März 2024: 13,50 €).
  • Nach spätestens 9 Monaten im selben Betrieb musst du den gleichen Lohn erhalten wie Festangestellte.
  • Du hast Anspruch auf Urlaub gemäß Bundesurlaubsgesetz (mindestens 4 Wochen im Jahr).
  • Deine Kündigungsfrist richtet sich nach § 622 BGB, also mindestens 4 Wochen zum 15. oder Monatsende.

Ohne Tarifvertrag gibt es keine Branchenzuschläge, kein zusätzliches Urlaubsgeld und keine anderen tariflichen Sonderregelungen. Für dich als Leiharbeiter kann das Fehlen eines Tarifvertrags Vor- und Nachteile haben:

Vorteile

  • Nach 9 Monaten erhältst du garantiert Equal Pay, also das gleiche Gehalt wie feste Mitarbeiter:innen.
  • Es gibt keine tariflichen Sonderregelungen, die schlechter sein könnten als das allgemeine Arbeitsrecht.

Nachteile

  • Kein Urlaubs- oder Weihnachtsgeld.
  • Keine gestaffelten Branchenzuschläge zur schrittweisen Lohnsteigerung.
  • Weniger Planungssicherheit, da es keine tariflich geregelten Kündigungsfristen gibt.

Für Zeitarbeitsfirmen kann ein fehlender Tarifvertrag problematisch sein, da sie sich strikt an das AÜG halten müssen. Viele Arbeitgeber:innen schließen daher freiwillig Tarifverträge ab, um flexiblere Regelungen zu nutzen.

Was kannst du tun?

Falls deine Zeitarbeitsfirma nicht tarifgebunden ist, kannst du:

💡 Nachfragen, ob sie einen Tarifvertrag anwenden oder welchen sie nutzen.
💡 Vergleichen, ob du mit einem Tarifvertrag besser gestellt wärst.
💡 Gewerkschaftlich aktiv werden, um bessere Bedingungen in der Branche durchzusetzen.

Falls du merkst, dass dein:e Arbeitgeber:in dir gesetzlich zustehende Leistungen verweigert, kannst du dich an eine Gewerkschaft oder eine Kanzlei deines Vertrauens wenden.

Fazit: Lohnt sich ein Tarifvertrag für Leiharbeiter?

Ein Tarifvertrag in der Zeitarbeit kann sowohl Vor- als auch Nachteile haben. Auf der einen Seite sorgt er für klare Mindestlöhne, Branchenzuschläge und zusätzliche Sozialleistungen wie Weihnachtsgeld. Auf der anderen Seite enthalten viele Tarifverträge Regelungen, die schlechter sein können als das allgemeine Arbeitsrecht – vor allem in Bezug auf das Equal-Pay-Prinzip.

Wenn deine Zeitarbeitsfirma an einen Tarifvertrag gebunden ist, lohnt es sich, genau hinzusehen. Prüfe, welche Vorteile du daraus hast und ob deine Bezahlung wirklich fair ist. Falls kein Tarifvertrag gilt, greift das AÜG, das nach 9 Monaten Equal Pay vorschreibt. Das kann für dich in einigen Fällen sogar besser sein als ein Tarifvertrag.

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