Plötzlich stirbt ein geliebter Mensch. Ohne letzte Worte in Form eines Testaments. Zur Trauer kommt die Unsicherheit: Wer bekommt jetzt was? Genau in solchen Momenten greift die gesetzliche Erbfolge ohne Testament. Sie bestimmt klar, welche Verwandten oder Angehörige erben sollen. Doch viele Hinterbliebene sind überrascht, wie streng das Gesetz hier vorgeht. Weil es nicht immer den eigenen Vorstellungen entspricht, klären wir dich in diesem Artikel über die Rechtslage auf.
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Das Wichtigste in Kürze
✅ Bei der gesetzlichen Erbfolge gibt es eine klare Reihenfolge: Kinder zuerst, dann Eltern, Geschwister, Großeltern und weitere Verwandte.
✅ Ehegatten und eingetragene Lebenspartner:innen erhalten einen besonderen Anteil, der je nach Güterstand unterschiedlich hoch ausfällt.
✅ Pflichtteilsansprüche sichern Kindern, Ehegatten und Lebenspartner:innen einen Mindestanteil, auch wenn sie enterbt wurden.
✅ Stiefkinder und unverheiratete Partner erben ohne Testament nichts, selbst wenn die Bindung eng war.
✅ Kommt niemand als gesetzlicher Erbe oder gesetzliche Erbin in Betracht, geht der Nachlass vollständig an den Staat.
Wann greift die gesetzliche Erbfolge?
Die gesetzliche Erbfolge tritt immer dann ein, wenn keine wirksame Verfügung von Todes wegen existiert. Dazu zählen sowohl ein Testament als auch ein Erbvertrag. Fehlt beides, bestimmt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) die Erbfolge nach festen Regeln (§§ 1924 ff. BGB).
Das bedeutet: Die gesetzliche Erbfolge ist so etwas wie die „Standardlösung“. Sie sorgt dafür, dass das Vermögen einer verstorbenen Person nicht ohne Zuordnung bleibt, sondern innerhalb der Familie weitergegeben wird. Dabei geht das Gesetz von einem klaren Prinzip aus: Je näher die Verwandtschaft, desto eher erbt man.
Viele Menschen unterschätzen, wie genau das Gesetz die Reihenfolge vorgibt. Es macht für das Gesetz keinen Unterschied, ob das Verhältnis innerhalb der Familie eng oder distanziert war. Entscheidend ist ausschließlich der rechtliche Verwandtschaftsgrad. Wer sicherstellen möchte, dass bestimmte Personen bedacht oder ausgeschlossen werden, muss also ein Testament verfassen.
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Gesetzliche Erbfolge ohne Testament: Schaubild
Die gesetzliche Erbfolge ist streng in Ordnungen gegliedert. Erst wenn in einer höheren Ordnung niemand vorhanden ist, greift die nächste. Dieses Prinzip sichert ab, dass die engsten Verwandten Vorrang haben. Das Schaubild zeigt dir auf einen Blick die gesetzliche Erbfolge ohne Testament:

Das Schaubild zeigt die gesetzliche Erbfolge nach Ordnungen. Zuerst sind die Kinder und ihre Nachkommen an der Reihe. Gibt es keine, erben die Eltern der erblassenden Person und deren Nachkommen. Danach folgen die Großeltern der erblassenden Person mit ihren Kindern. Erst wenn keine (entfernten) Verwandten mehr vorhanden sind, geht das Erbe an den Staat.
Die gesetzliche Erbfolge einfach erklärt
Erb:innen erster Ordnung sind die Kinder der verstorbenen Person sowie deren Nachkommen, also Enkel oder Urenkel (§ 1924 BGB). Alle Kinder erben zu gleichen Teilen – unabhängig davon, ob sie ehelich, nichtehelich oder adoptiert sind. Enkel erben nur dann, wenn das jeweilige Kind der verstorbenen Person nicht mehr lebt (sogenanntes Repräsentationsprinzip).
Erb:innen zweiter Ordnung sind die Eltern der verstorbenen Person und deren Nachkommen, also Geschwister sowie Nichten und Neffen (§ 1925 BGB). Sie treten nur ein, wenn keine Erb:innen erster Ordnung vorhanden sind.
Erb:innen dritter Ordnung sind die Großeltern sowie deren Kinder, also Onkel und Tanten (§ 1926 BGB). Auch hier gilt: Vorrang hat immer die nähere Generation.
Sind keine Erb:innen dieser Ordnungen vorhanden, prüft das Gesetz noch entferntere Verwandtschaft. Findet sich niemand, fällt das Erbe an den Staat (§ 1936 BGB). Besondere Beachtung verdienen Stiefkinder: Sie gehören rechtlich nicht zu den gesetzlichen Erb:innen. Wer sie bedenken will, muss ein Testament verfassen.
Ehegatten und Lebenspartner: Gesetzliche Erbfolge bei Verheirateten
Neben den Verwandten haben auch Ehegatten und eingetragene Lebenspartner:innen ein gesetzliches Erbrecht. Ihre Stellung richtet sich nach § 1931 BGB und hängt davon ab, in welchem Güterstand die Ehe oder Lebenspartnerschaft geführt wurde.
- Zugewinngemeinschaft (Regelfall): Die überlebende Person erbt 1/4 zusätzlich zu ihrem gesetzlichen Erbteil. Leben Kinder, beträgt der Anteil insgesamt die Hälfte. Gibt es keine Kinder, aber Eltern oder Geschwister, erbt er oder sie 3/4. Sind keine Verwandten vorhanden, erhält die überlebende Person alles.
- Gütertrennung: Hier richtet sich der Anteil genau nach der Zahl der Kinder. Gibt es ein Kind, erben beide zu gleichen Teilen. Bei zwei Kindern bekommt die überlebende verheiratete Person 1/3, bei mehr Kindern 1/4.
- Gütergemeinschaft: In diesem Fall ist die Hälfte des Vermögens bereits gemeinschaftlich. Der verbleibende Nachlass wird nach den allgemeinen Regeln verteilt.
Gesetzliche Erbfolge ohne Testament: Pflichtteil und Sonderfälle
Auch wenn eine Person enterbt wird oder in der gesetzlichen Erbfolge leer ausgeht, sichert das Gesetz bestimmten Angehörigen immer einen Mindestanteil: den Pflichtteil. Dieser Anspruch beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils (§ 2303 BGB) und steht Kindern, Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner:innen zu.
Besonders ist die Situation bei unehelichen Kindern, die vor dem 1. Juli 1949 in den alten Bundesländern geboren wurden. Diese hatten lange Zeit kein Erbrecht gegenüber dem Vater. Heute gilt: Alle Kinder sind erbrechtlich gleichgestellt, unabhängig von ihrer Abstammung oder ob sie adoptiert wurden.
Stiefkinder gehören dagegen nicht zu den gesetzlichen Erb:innen. Sie haben nur dann einen Anspruch, wenn sie durch ein Testament oder einen Erbvertrag ausdrücklich bedacht werden. Eine vollständige Enterbung ohne Pflichtteil ist nur in sehr engen Ausnahmefällen möglich – etwa wenn jemand eine schwere Straftat gegenüber der verstorbenen Person begangen hat (§ 2333 BGB).
Besonderheiten bei unverheirateten Paaren
Die gesetzliche Erbfolge wirkt in vielen Fällen überraschend. Gerade in Patchworkfamilien oder bei unverheirateten Paaren führt sie oft zu Ergebnissen, die nicht den Wünschen der verstorbenen Person entsprechen.
Besonders deutlich wird das bei unverheirateten Paaren: Ohne Testament erbt der Partner oder die Partnerin nichts – selbst wenn die Beziehung über Jahrzehnte bestand. Das gesamte Vermögen geht stattdessen an die Verwandtschaft. Unverheiratete Paare haben also kein gesetzliches Erbrecht. Ohne Testament oder Erbvertrag gehen Partner:innen leer aus.
Auch unter Geschwistern, Eltern oder Kindern kann es zu Konflikten kommen. Wenn mehrere Personen erben, entsteht automatisch eine Erbengemeinschaft. Diese muss alle Entscheidungen gemeinsam treffen – von der Verwaltung bis zum Verkauf eines Hauses. Das führt oft zu Streit oder langwierigen Auseinandersetzungen.
Zudem spielt die gesetzliche Erbfolge bei Pflichtteilsansprüchen eine große Rolle. Wer in einem Testament ausgeschlossen wird, hat trotzdem Anspruch auf den Pflichtteil. Das kann die geplante Aufteilung erheblich verändern.
Deshalb raten viele Anwält:innen dazu, nicht allein auf die gesetzliche Erbfolge zu vertrauen. Ein Testament oder Erbvertrag schafft Klarheit und sorgt dafür, dass persönliche Wünsche umgesetzt werden. Bei Unklarheiten oder Fragen wende dich am besten direkt an eine Anwältin oder einen Anwalt für Erbrecht.
Fazit
Die gesetzliche Erbfolge ohne Testament sorgt dafür, dass das Vermögen einer verstorbenen Person innerhalb der Familie bleibt. Sie folgt klaren Regeln: Zuerst erben die Kinder, dann Eltern oder Geschwister, danach Großeltern und weitere Verwandte. Ehegatten und Lebenspartner:innen erhalten zusätzlich einen Anteil, abhängig vom Güterstand. Gleichzeitig schützt das Pflichtteilsrecht nahe Angehörige davor, völlig leer auszugehen. Trotz dieser festen Ordnung passt die gesetzliche Erbfolge oft nicht zu den persönlichen Vorstellungen. Wer Streit vermeiden und klare Regeln schaffen möchte, sollte deshalb über ein Testament nachdenken.