Du bekommst Post von der Bußgeldstelle: Ein Anhörungsbogen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung – doch du warst gar nicht selbst am Steuer. Musst du jetzt den tatsächlichen Fahrer oder die Fahrerin nennen? Oder darfst du schweigen? Das sogenannte Zeugnisverweigerungsrecht kann in solchen Fällen helfen, aber es gibt einiges zu beachten. Wann du schweigen darfst und welche Konsequenzen das haben kann, erfährst du hier.
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Das Wichtigste in Kürze
✅ Zeugnisverweigerungsrecht schützt enge Angehörige: Du musst den Fahrer oder die Fahrerin nicht benennen, wenn es sich um deine:n Ehepartner:in, dein Kind oder nahe Angehörige handelt.
✅ Konsequenzen sind möglich: Die Bußgeldstelle kann u.a. eine Fahrtenbuchauflage anordnen, wenn der Fahrer bzw. die Fahrerin nicht ermittelt werden kann.
✅ Falsche Angaben sind strafbar: Wer eine andere Person absichtlich falsch angibt, kann wegen falscher Verdächtigung oder uneidlicher Falschaussage bestraft werden.
✅ Fehlende Mitwirkung kann problematisch sein: Wer den Fahrer oder die Fahrerin kennt, aber keine Angaben macht (ohne ein Zeugnisverweigerungsrecht zu haben), kann ein Bußgeld erhalten.
✅ Anhörungsbogen nicht ignorieren: Auch wenn du keine Aussage machen musst, solltest du das Schreiben nicht einfach unbeachtet lassen. Falls du unsicher bist, kann eine Beratung durch einen Anwalt für Verkehrsrecht sinnvoll sein.
Was ist das Zeugnisverweigerungsrecht?
Das Zeugnisverweigerungsrecht ist ein gesetzlich verankertes Recht, das es bestimmten Personen erlaubt, eine Aussage vor den Strafverfolgungsbehörden oder dem Gericht zu verweigern. Die rechtliche Grundlage dafür findet sich in § 52 der Strafprozessordnung (StPO) und den §§ 383 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO). Es dient dem Schutz enger persönlicher Beziehungen und soll verhindern, dass jemand gegen seine eigenen Angehörigen aussagen muss.
Grundsätzlich gilt das Zeugnisverweigerungsrecht für Familienangehörige der beschuldigten Person. Dazu gehören:
- Verlobte
- Ehepartner:innen (auch ehemalige)
- eingetragene Lebenspartner:innen (auch ehemalige)
- Kinder, Eltern, Geschwister etc. (alle, die mit der beschuldigten Person in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert sind oder waren)
Neben Familienangehörigen gibt es auch ein sogenanntes berufsbezogenes Zeugnisverweigerungsrecht. Das betrifft beispielsweise Anwält:innen, Ärzt:innen, Journalist:innen oder Geistliche. Diese Berufsgruppen dürfen Aussagen verweigern, um die Vertraulichkeit ihrer Arbeit zu wahren.
Wichtig
Das Zeugnisverweigerungsrecht bedeutet nicht, dass du lügen darfst. Es erlaubt lediglich das Schweigen. Wenn du dich dazu entscheidest, eine Aussage zu machen, muss diese wahrheitsgemäß sein. Eine Falschaussage kann strafrechtliche Folgen haben.
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Gilt das Zeugnisverweigerungsrecht auch bei einem Blitzer?
Wenn ein Blitzer auslöst, bekommt in der Regel die Halterin oder der Halter des Fahrzeugs einen Anhörungsbogen oder Bußgeldbescheid. Doch was ist, wenn du zwar Halter:in, aber nicht selbst gefahren bist? Musst du dann den tatsächlichen Fahrer bzw. die tatsächliche Fahrerin nennen?
Hier kommt das Zeugnisverweigerungsrecht ins Spiel: Wenn der Fahrer bzw. die Fahrerin zum nahen Angehörigenkreis gehört – also etwa dein:e Ehepartner:in, dein Kind oder dein Geschwisterteil –, darfst du die Aussage verweigern. Das ergibt sich aus § 52 Abs. 1 StPO. Die Behörden können dich also nicht zwingen, die beschuldigte Person zu benennen.
Aber Achtung: Die Bußgeldstelle kann in einem solchen Fall trotzdem reagieren. Wenn der Fahrer bzw. die Fahrerin nicht ermittelt werden kann, kann die Behörde eine Fahrtenbuchauflage verhängen. Das bedeutet, dass du künftig jede Fahrt mit deinem Fahrzeug dokumentieren musst – ein erheblicher Mehraufwand.
Außerdem kann die Polizei versuchen, den Fahrer bzw. die Fahrerin anderweitig zu identifizieren. Oft wird das Blitzerfoto mit dem Personalausweisfoto abgeglichen. Auch Nachfragen in der Nachbarschaft oder im Arbeitsumfeld sind möglich.
Gegenbeispiel: Der tatsächliche Fahrer ist kein Angehöriger – sondern ein Freund oder Kollege. Dann gilt das Zeugnisverweigerungsrecht nicht, und du bist verpflichtet, eine Aussage zu machen. Andernfalls droht ein Bußgeld wegen fehlender Mitwirkung.
Zeugnisverweigerungsrecht bei Blitzer: Welche Strafe droht?
Grundsätzlich ist es völlig legal, das Zeugnisverweigerungsrecht in Anspruch zu nehmen. Es darf dir also nicht negativ ausgelegt werden, wenn du als Halter:in des Fahrzeugs schweigst, um eine:n Angehörige:n zu schützen. Eine direkte Strafe gibt es dafür nicht.
Allerdings kann das Schweigen indirekte Konsequenzen haben:
- Fahrtenbuchauflage (§ 31a StVZO): Wenn die Behörde den Fahrer bzw. die Fahrerin nicht ermitteln kann, kann sie von dir als Halter:in verlangen, künftig jede Fahrt genau zu dokumentieren. Das ist besonders ärgerlich, weil es meist über einen längeren Zeitraum (oft 6 bis 24 Monate) angeordnet wird.
- Verlängerte Ermittlungen: Die Polizei kann andere Methoden nutzen, um den Fahrer bzw. die Fahrerin zu identifizieren – etwa Bildabgleiche, Zeugenbefragungen oder Hausbesuche. Dadurch kann das Verfahren länger dauern.
- Bußgeld oder Zwangsgeld: Falls du kein Zeugnisverweigerungsrecht hast, aber trotzdem nicht angibst, wer gefahren ist, droht dir ein Bußgeld wegen fehlender Mitwirkung. In manchen Fällen kann auch ein Zwangsgeld verhängt werden.
Wichtig: Auch wenn du schweigst, solltest du auf offizielle Schreiben reagieren. Ignorierst du den Anhörungsbogen komplett, kann das Verfahren nunmehr gegen dich weiterlaufen und du könntest einen Bußgeldbescheid erhalten.
Kein Zeugnisverweigerungsrecht? Pflicht zur Mitwirkung
Als Fahrzeughalter:in musst du bei der Ermittlung zumindest mitwirken. Fehlt eine ausreichende Mitwirkung, kann die Behörde ein Bußgeld oder ein Zwangsgeld verhängen.
Fehlende Mitwirkung liegt zum Beispiel vor, wenn du:
- bewusst keine Angaben machst, obwohl du kein Zeugnisverweigerungsrecht hast.
- der Behörde aktiv die Ermittlung erschwerst oder verzögerst.
- unwahre Angaben machst, um den Fahrer oder die Fahrerin zu schützen.
Das bedeutet: Komplettes Schweigen ist nur erlaubt, wenn das Zeugnisverweigerungsrecht greift. In anderen Fällen bist du verpflichtet, wahrheitsgemäß Auskunft zu geben oder zumindest mitzuteilen, dass du den Fahrer bzw. die Fahrerin nicht nennen kannst.
Mögliche Strafe bei falschen Angaben
Das Zeugnisverweigerungsrecht bedeutet nur, dass du schweigen darfst – aber nicht, dass du lügen darfst. Wer absichtlich eine andere Person fälschlicherweise als Fahrer:in angibt, macht sich strafbar.
- Falsche Verdächtigung (§ 164 StGB): Wer in diesem Fall wissentlich eine unschuldige Person als Fahrer bzw. Fahrerin benennt, kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren oder einer Geldstrafe bestraft werden.
- Uneidliche Falschaussage (§ 153 StGB): Falls du im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens unter Wahrheitspflicht stehst und eine falsche Aussage machst, droht eine Freiheitsstrafe von mindestens 3 Monaten.
Anhörungsbogen wegen Blitzer erhalten – so gehst du vor
Wenn du Post von der Bußgeldstelle bekommst, solltest du überlegt handeln. Ein Anhörungsbogen ist noch kein Bußgeldbescheid, sondern gibt dir die Möglichkeit, dich zu äußern – aber du musst nicht. Wie du reagierst, hängt von deiner Situation ab.
Wir geben dir einen groben Überblick über die Rechtslage. Bitte wende dich für eine verbindliche Auskunft direkt an Anwält:innen aus dem Verkehrs- oder Strafrecht.
Du bist nicht verpflichtet, den Fahrer oder die Fahrerin zu nennen, wenn du ein Zeugnisverweigerungsrecht hast. In diesem Fall kannst du den Anhörungsbogen unausgefüllt lassen oder ankreuzen, dass du von deinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machst.
Andernfalls kann die Behörde von dir verlangen, Angaben zu machen. Weigerst du dich, drohen Konsequenzen wie eine Fahrtenbuchauflage oder ein Bußgeld wegen fehlender Mitwirkung.
Beim Anhörungsbogen hast du verschiedene Möglichkeiten:
- Schweigen: Du musst keine Aussage machen. Falls du ein Zeugnisverweigerungsrecht hast, kannst du das angeben.
- Richtigstellen: Falls du nicht gefahren bist, kannst du das angeben – aber du musst nicht sagen, wer gefahren ist. Bevor du Aussagen machst, empfiehlt es sich, mit einer Anwältin oder einem Anwalt zu sprechen.
- Falsche Angaben vermeiden: Lügen oder falsche Behauptungen können zu einer Strafanzeige und weiteren strafrechtlichen Konsequenzen führen.
Kann ich den Anhörungsbogen einfach ignorieren?
Besser nicht! Zwar bist du nicht verpflichtet, dich zu äußern, aber ein Ignorieren kann dazu führen, dass die Behörde weitere Ermittlungen einleitet – etwa einen Abgleich mit dem Foto des Fahrers oder der Fahrerin. Falls du als Halter:in ohnehin aus dem Verfahren ausscheidest (weil du nicht gefahren bist), kannst du das mitteilen, um das Verfahren zu beschleunigen.
Fazit
Das Zeugnisverweigerungsrecht kann dich schützen, wenn ein:e nahe:r Angehörige:r geblitzt wurde und du als Halter:in den Anhörungsbogen bekommst. Du bist nicht verpflichtet, den Fahrer oder die Fahrerin zu benennen – aber das kann Konsequenzen haben. Die Bußgeldstelle kann eine Fahrtenbuchauflage anordnen oder versuchen, die Person auf andere Weise zu ermitteln. Wichtig ist, dass du in jedem Fall ehrlich bleibst: Wer falsche Angaben macht oder eine andere Person zu Unrecht belastet, macht sich strafbar. Im Zweifel kann es sinnvoll sein, sich rechtlich beraten zu lassen.