Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht: Deine Rechte

Stell dir vor, ein naher Angehöriger erkrankt schwer. Du möchtest wissen, wie es ihm geht, doch die behandelnde Ärztin darf dir keine Auskunft geben. Der Grund: die ärztliche Schweigepflicht. Diese soll unter anderem die Privatsphäre der Patient:innen schützen. Doch manchmal kann eine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht notwendig oder sogar sinnvoll sein – sei es, um Familie und Freunde zu informieren oder um wichtige medizinische Informationen weiterzugeben. In diesem Artikel erfährst du, was ärztliche Schweigepflicht bedeutet, wie die Entbindung funktioniert und in welchen Fällen das möglich ist.

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Das Wichtigste in Kürze

Ärztliche Schweigepflicht: Alle medizinischen und persönlichen Informationen, die im Rahmen einer Behandlung bekannt werden, sind durch die ärztliche Schweigepflicht geschützt. Verstöße können strafrechtlich verfolgt werden.
Entbindung nur durch ausdrückliche Zustimmung: Ärzt:innen dürfen nur dann von der Schweigepflicht entbunden werden, wenn Patient:innen ausdrücklich zustimmen – idealerweise schriftlich.
Ausnahmen bei Notstand: Es gibt bestimmte gesetzliche Ausnahmen, in denen Ärzt:innen auch ohne Entbindung Informationen weitergeben dürfen, etwa bei einer Gefahr für die Patient:innen selbst oder für Dritte.
Schweigepflicht auch nach dem Tod: Auch nach dem Tod bleibt die Schweigepflicht grundsätzlich bestehen. Ohne eine zu Lebzeiten erteilte Entbindung dürfen keine Informationen an Dritte weitergegeben werden.
Besondere Regelungen bei Minderjährigen: Bei Kindern und Jugendlichen besteht die Schweigepflicht grundsätzlich gegenüber den Eltern.

Was bedeutet die ärztliche Schweigepflicht?

Die ärztliche Schweigepflicht ist ein grundlegendes Prinzip im Gesundheitswesen und schützt das Vertrauensverhältnis zwischen Ärzt:in und Patient:in. Sie verpflichtet Ärzt:innen, über alles, was ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit anvertraut wird, Stillschweigen zu bewahren. Das betrifft nicht nur medizinische Diagnosen und Befunde, sondern auch persönliche Informationen, die während der Behandlung zur Sprache kommen. 

Die rechtliche Grundlage hierfür ist § 203 StGB, der das unbefugte Offenbaren von Geheimnissen unter Strafe stellt:

“Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als Arzt (…) anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.”

Unter die Schweigepflicht fallen dabei alle Informationen, die Patient:innen den Ärzt:innen oder dem medizinischen Fachpersonal mitteilen, sowie alle Erkenntnisse, die im Rahmen der medizinischen Behandlung gewonnen werden. Dazu gehören beispielsweise die Krankheitsgeschichte, Laborergebnisse oder Informationen über familiäre oder persönliche Umstände.

Die Schweigepflicht bildet das Vertrauensverhältnis, das notwendig ist, damit sich Patient:innen ohne Sorge vor negativen Konsequenzen öffnen können. Ohne diese Vertraulichkeit würden viele Patient:innen möglicherweise zögern, wichtige Informationen mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin zu teilen, die für die Behandlung entscheidend sein könnten. 

Gilt die ärztliche Schweigepflicht für immer?

Der Schutz der ärztlichen Schweigepflicht endet nicht automatisch – auch nach Abschluss der Behandlung bleiben Ärzt:innen zur Verschwiegenheit verpflichtet, es sei denn, sie werden entbunden.

Wann darf der Arzt von der Schweigepflicht entbunden werden?

Ärzt:innen dürfen nur in bestimmten Fällen von ihrer Schweigepflicht entbunden werden. Grundsätzlich ist hierfür die ausdrückliche Zustimmung von Patient:innen notwendig. Diese kann schriftlich oder mündlich erfolgen, wobei eine schriftliche Entbindung aus rechtlichen Gründen vorzuziehen ist, da sie im Zweifel nachgewiesen werden kann.

Die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht ist oft dann sinnvoll, wenn Ärzt:innen medizinische Informationen an Dritte weitergeben sollen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Angehörige über den Gesundheitszustand eines Patienten oder einer Patientin informiert werden möchten oder andere Ärzt:innen in die Behandlung eingebunden werden sollen. Für viele schwer vorstellbar, aber ohne eine solche Entbindung dürfen selbst Ehepartner:innen oder enge Familienangehörige grundsätzlich keine Auskunft erhalten.

Ärztliche Schweigepflicht: Ausnahmen im Überblick

Neben der freiwilligen Entbindung durch Patient:innen gibt es auch gesetzliche Ausnahmen, bei denen Ärzt:innen die Schweigepflicht durchbrechen dürfen – oder sogar müssen. Eine solche Ausnahme liegt vor, wenn durch das Schweigen eine Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut besteht (“rechtfertigender Notstand”). In § 34 StGB heißt es:

“Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.”

Ein klassisches Beispiel ist die drohende Gefahr eines Suizids oder einer schweren Straftat. In solchen Fällen können Ärzt:innen eine Abwägung treffen und sich für die Weitergabe der Informationen entscheiden, wenn das höhere Rechtsgut – in diesem Fall das Leben oder die Gesundheit der betroffenen Person oder Dritter – geschützt werden muss.

Kindeswohlgefährdung

Auch bei einer Kindeswohlgefährdung kann eine Ausnahme von der Schweigepflicht bestehen. Hier steht das Wohl des Kindes im Vordergrund, sodass es auf eine Zustimmung der Eltern meist nicht mehr ankommt. Ärzt:innen sind in bestimmten Fällen sogar verpflichtet, das Jugendamt oder andere Stellen zu informieren.

Arzt von der Schweigepflicht entbinden – so geht’s!

Die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht kann grundsätzlich sowohl schriftlich als auch mündlich erfolgen. Eine schriftliche Entbildung gibt aber sowohl deinem Arzt bzw. deiner Ärztin als auch dir mehr Sicherheit und kann im Streitfall als Nachweis dienen. Eine formlos ausgesprochene Entbindung ist zwar rechtlich genauso bindend, aber häufig schwieriger nachzuweisen und führt möglicherweise zu Missverständnissen.

Deine Entbindungserklärung sollte genau festlegen, welche Informationen an wen weitergegeben werden dürfen. Du bestimmst, welche medizinischen Daten weitergegeben werden dürfen – und an welche Person oder Institution. Eine pauschale Entbindung, bei der Ärzt:innen “jegliche Informationen an alle“ weitergeben dürfen, ist rechtlich häufig problematisch. 

Definiere also sorgfältig, 

  • welche Art von Informationen betroffen ist (zum Beispiel „medizinische Befunde der letzten Behandlung“) und 
  • wer genau informiert werden soll (zum Beispiel „meine Mutter”).

In vielen Fällen verlangen Dritte (wie zum Beispiel Versicherungen oder medizinische Gutachter:innen) eine Entbindung von der Schweigepflicht, um notwendige Informationen direkt von den behandelnden Ärzt:innen zu erhalten. Auch in solchen Fällen kannst du sorgfältig prüfen, welche Daten tatsächlich notwendig sind, um der Anfrage nachzukommen, und entsprechend deine Entbindung formulieren.

Ein typisches Beispiel ist die Entbindung im Rahmen eines Versicherungsantrags. Hier muss die Versicherung bestimmte medizinische Informationen erhalten, um den Antrag zu bearbeiten. Ohne diese Entbindung sind die Praxis oder das Krankenhaus nicht berechtigt, diese Informationen weiterzugeben, was zu Verzögerungen führen kann.

Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht: Was passiert, wenn keine Entbindung vorliegt?

Wenn keine Entbindung von der Schweigepflicht vorliegt, dürfen Ärzt:innen keine Informationen über Patient:innen an Dritte weitergeben – auch nicht an engste Angehörige. Dies kann insbesondere in Situationen problematisch sein, in denen die Familie dringend Informationen benötigt, Patient:innen jedoch nicht mehr in der Lage sind, eine entsprechende Zustimmung zu erteilen, etwa aufgrund einer schweren Erkrankung oder eines Unfalls. Ohne eine gültige Entbindung bleiben Ärzt:innen auch in solchen Fällen zur Verschwiegenheit verpflichtet. 

Du möchtest diesen Fall vermeiden?

Folgende Dokumente können dir dabei helfen, dich und deine Angehörigen auf diese Situation vorzubereiten:

👉🏼 Patientenverfügung
👉🏼 Betreuungsverfügung
👉🏼 Vorsorgevollmacht

Verletzen Ärzt:innen die Schweigepflicht, kann das für sie ernste rechtliche Konsequenzen haben. Nach § 203 StGB droht eine Geldstrafe oder sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr, wenn ein Arzt oder eine Ärztin unbefugt Geheimnisse offenbart, die ihm im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit anvertraut wurden. Das Gesetz gilt dabei nicht nur für Ärzt:innen, sondern für das gesamte medizinische Personal (z. B. Pfleger, Therapeut:innen).

Beispiele für die Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht 

Es gibt viele Beispiele für die Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht im Alltag. Darunter fällt zum Beispiel die Weitergabe von Informationen an …

  • Familienangehörige oder Freunde ohne ausdrückliche Zustimmung 
  • Weitergabe von Informationen an Versicherungen oder andere Gesundheitseinrichtungen 
  • Weitergabe von Informationen an andere Ärzt:innen, die nichts mit der Behandlung oder der Praxis bzw. dem Krankenhaus zutun haben

Die Frage nach der Schweigepflicht stellt sich also auch bei der Zusammenarbeit mehrerer Ärzt:innen. Um die bestmögliche Behandlung zu gewährleisten, ist es oft notwendig, dass Ärzt:innen Informationen untereinander austauschen. Dies darf jedoch nur geschehen, wenn Patient:innen einer solchen Informationsweitergabe zugestimmt haben oder die Weitergabe durch eine gesetzliche Ausnahme gedeckt ist.

Ärzt:innen müssen stets sicherstellen, ob eine Entbindung der Schweigepflicht vorliegt oder ob eine gesetzliche Ausnahme besteht. Andernfalls riskieren sie nicht nur ihre berufliche Reputation, sondern auch rechtliche Sanktionen.

Für Patient:innen besteht in solchen Fällen die Möglichkeit, sich bei der zuständigen Ärztekammer zu beschweren oder sogar rechtliche Schritte einzuleiten.

Schweigepflicht über den Tod hinaus?

Auch nach dem Tod von Patient:innen bleibt die ärztliche Schweigepflicht grundsätzlich bestehen. Dies bedeutet, dass Ärzt:innen auch gegenüber den Angehörigen keine Informationen preisgeben dürfen, es sei denn, die verstorbene Person hat zu Lebzeiten eine entsprechende Entbindung erteilt.

Es gibt jedoch Ausnahmen, etwa wenn ein berechtigtes Interesse Dritter besteht, wie zum Beispiel bei Erbangelegenheiten oder versicherungsrechtlichen Fragen.

Ärztliche Schweigepflicht bei Minderjährigen

Es gibt einige spezielle Situationen, in denen die Frage nach der Schweigepflicht besonders relevant wird. Eine dieser Situationen betrifft minderjährige Patient:innen. Bei Kindern und Jugendlichen stellt sich oft die Frage, inwieweit die Eltern ein Recht auf Auskunft haben. 

Grundsätzlich haben Eltern das Sorgerecht und dürfen in der Regel Informationen über die Gesundheit ihres Kindes einholen. Doch bei Jugendlichen ab 14 Jahren wird das Selbstbestimmungsrecht zunehmend wichtiger. 

Ärzt:innen können in solchen Fällen die Schweigepflicht auch gegenüber den Eltern wahren, wenn die Jugendlichen dies ausdrücklich wünschen und der Arzt bzw. die Ärztin die Reife der Jugendlichen für gegeben hält.

Psychische Erkrankungen und ärztliche Schweigepflicht

Eine weitere häufige Frage betrifft die ärztliche Schweigepflicht bei psychischen Erkrankungen. Gerade hier ist das Vertrauensverhältnis zwischen Ärzt:in und Patient:in von entscheidender Bedeutung, da viele Menschen zögern, sich in psychotherapeutische Behandlung zu begeben. 

Die Schweigepflicht gilt daher auch bei psychischen Erkrankungen uneingeschränkt. Auch hier dürfen Ärzt:innen Informationen nur dann weitergeben, wenn eine ausdrückliche Zustimmung vorliegt oder eine Gefahr für die Patient:innen selbst oder Dritte besteht.

Fazit

Eine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht kann in bestimmten Situationen sinnvoll oder notwendig sein, etwa wenn Angehörige informiert oder andere Ärzt:innen eingebunden werden sollen. Sie muss jedoch ausdrücklich und idealerweise schriftlich erfolgen. Ohne eine solche Entbindung dürfen Ärzt:innen keine Informationen weitergeben, es sei denn, es liegt eine gesetzliche Ausnahme vor, beispielsweise bei einer Gefahr für die Patient:innen selbst oder Dritte.

Für Ärzt:innen ist die Schweigepflicht nicht nur ein ethisches Gebot, sondern auch eine rechtliche Verpflichtung. Verstöße können ernste Konsequenzen nach sich ziehen, einschließlich strafrechtlicher Sanktionen wie Geld- oder Freiheitsstrafe. Patient:innen sollten sich bewusst sein, welche Rechte sie im Hinblick auf die Schweigepflicht haben und wie sie eine Entbindung korrekt formulieren können, um Missverständnisse zu vermeiden.

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