Sylter Testament: Das müssen Ehepaare wissen

Viele Paare treffen wichtige Entscheidungen für ihre Zukunft – allen voran: Wie soll das eigene Vermögen im Todesfall geregelt sein? Denken wir etwa an ein älteres Ehepaar, beide verwitwet und wiederverheiratet, das verhindern will, dass nach dem Tod eines Partners plötzlich die Kinder aus erster Ehe das Haus verkaufen wollen. Oder: Zwei Eltern, die sicherstellen wollen, dass der überlebende Partner in Ruhe weiterleben kann und das gemeinsame Vermögen nicht sofort geteilt werden muss. In solchen Fällen entscheiden sich viele für ein gemeinschaftliches Testament. Genau das wird dann oft als sogenanntes Sylter Testament bezeichnet. Erfahre alles dazu in diesem Artikel. 

Wir bei legalnerd erklären Jura einfach und verständlich. Du willst mehr? Abonniere unseren kostenlosen Newsletter, höre in unseren Podcast rein oder folge uns auf Instagram, um immer auf dem Laufenden zu bleiben!

Das Wichtigste in Kürze

✅ Ein Sylter Testament ist eine oft in Norddeutschland genutzte, einfach gehaltene Form eines gemeinschaftlichen Testaments, in dem sich Ehepartner:innen gegenseitig zu Alleinerb:innen einsetzen und die Kinder oder weitere Erb:innen erst später, nach dem Tod des Zweitversterbenden, etwas erben.
✅ Eine wichtigste Wirkung des Testaments ist die starke Bindung zwischen den Ehepartner:innen: Nach dem Tod der ersten Person können entscheidende Verfügungen in der Regel nicht mehr geändert werden, sodass die überlebende Person an die gemeinsam getroffene Regelung gebunden ist.
✅ Auch wenn Kinder zunächst als Erb:innen aufgeschoben wurden, behalten sie den rechtlichen Anspruch auf ihren Pflichtteil. Dieser kann bei Tod eines Elternteils geltend gemacht werden, selbst wenn sie später noch im Testament bedacht werden – das kann finanziell belastend für die überlebende Person sein.
✅ Ein Widerruf oder eine Änderung des Testaments ist prinzipiell möglich, solange beide Partner:innen noch leben. Danach sind nur noch sehr eingeschränkte Änderungen möglich – es sei denn, im Testament sind ausdrücklich andere Regelungen (z. B. Rücktrittsrechte oder nicht bindende Verfügungen) aufgenommen worden.
✅ Wer ein Sylter Testament plant, sollte den Inhalt sorgfältig formulieren, am besten mit anwaltlicher Unterstützung. Fehler können dazu führen, dass das Testament ungültig oder falsch ausgelegt wird. Besonders bei großem Vermögen, Immobilien oder schwierigen Familienverhältnissen ist rechtliche Beratung sinnvoll.

Was ist das Sylter Testament?

Das Sylter Testament ist eine spezielle Form des gemeinschaftlichen Testaments, die meist von Ehepaaren genutzt wird. Es unterscheidet sich zwar inhaltlich nicht stark vom bekannteren Berliner Testament, ist aber vor allem in Norddeutschland, insbesondere auf Sylt, sehr verbreitet. Der Name ist also eher regional geprägt, steht aber für eine bestimmte Art, wie Eheleute gemeinsam über ihr Erbe entscheiden.

In einem gemeinschaftlichen Testament setzen sich die Ehegatten gegenseitig als Alleinerb:innen ein. Erst wenn beide gestorben sind, sollen die Kinder oder andere Erb:innen zum Zuge kommen. Dieses Prinzip nennt man auch „Einheitslösung“ oder „Nachlassverzögerung“, weil der Nachlass erst nach dem Tod des zuletzt Versterbenden endgültig verteilt wird. Das Sylter Testament folgt genau diesem Prinzip – es ist also eine konkrete Ausgestaltung des gemeinschaftlichen Testaments nach § 2265 BGB.

Gut zu wissen

Typisch für das Sylter Testament ist, dass es sehr einfach aufgebaut ist. Die Ehegatten schreiben es oft selbst (also handschriftlich) und ohne juristische Fachwörter. Dabei reicht es nach § 2247 BGB aus, wenn eine:r der Ehegatten das Testament handschriftlich verfasst und beide es unterschreiben.

Der klassische Wortlaut könnte so aussehen: „Wir setzen uns gegenseitig als Alleinerb:innen ein. Unsere Kinder sollen erst nach dem Tod der zuletzt versterbenden Person erben.“

Der Vorteil dieser Form: Sie ist sehr verständlich, unkompliziert und auch ohne Notar:in wirksam. Das macht sie für viele Paare attraktiv, die ihren Nachlass zu Lebzeiten einfach und verbindlich regeln wollen. Vor allem, wenn ein gemeinsames Haus, Vermögen oder andere größere Werte vorhanden sind, schafft ein Sylter Testament klare Verhältnisse. Es verhindert, dass die Kinder nach dem Tod eines Elternteils ihren Pflichtteil sofort geltend machen und damit die wirtschaftliche Lage des überlebenden Ehegatten gefährden.

Gerade bei Familien mit nur einem oder zwei Kindern, die miteinander gut auskommen, ist diese Lösung oft sinnvoll. Wichtig ist aber: Das Testament bindet beide Ehepartner:innen – spätestens nach dem Tod eines Partners bzw. einer Partnerin ist einseitiges Ändern oder Widerrufen nicht mehr problemlos möglich. Auch zu Lebzeiten kann es nur gemeinsam geändert werden. Diese Bindung ist gesetzlich geregelt in § 2270 BGB.

Du solltest außerdem wissen: Auch wenn das Sylter Testament häufig formfrei und sehr individuell geschrieben wird, ist es rechtlich ein großes Thema. Denn Fehler in der Form oder bei der Formulierung können dazu führen, dass das Testament ungültig oder falsch ausgelegt wird. Daher kann es trotz der Einfachheit sinnvoll sein, sich juristisch beraten zu lassen oder eine:n Notar:in einzubeziehen – gerade wenn Immobilien, Unternehmensanteile oder große Vermögenswerte vererbt werden sollen.

Welche rechtliche Wirkung hat ein Sylter Testament?

Ein zentrales Merkmal des Sylter Testaments ist die starke gegenseitige Bindung zwischen den Ehepartner:innen. Diese Bindung bedeutet: Was gemeinsam entschieden wurde, kann später nicht mehr so einfach rückgängig gemacht oder geändert werden – zumindest nicht einseitig. Sobald eine:r der Ehepartner:innen stirbt, wird das Testament für die überlebende Person in vielen Punkten verbindlich. Nach dem Tod der ersten Person erhält die andere also alles – Kinder oder andere Angehörige werden erst nach dem Tod beider Personen bedacht. 

Gut zu wissen

Diese gegenseitige Einsetzung nennt man auch wechselbezügliche Verfügungen. Das bedeutet: Die Entscheidung einer Person hängt rechtlich gesehen direkt von der Entscheidung des anderen ab. Laut § 2270 BGB sind solche wechselbezüglichen Verfügungen nach dem Tod der ersten Person grundsätzlich bindend. 

Das hat klare Folgen: 

  • Wenn du als überlebende Person später das Testament neu gestalten oder bestimmte Erb:innen ausschließen willst, ist das ohne Weiteres nicht mehr möglich. 
  • Du kannst zwar ein neues Testament schreiben, aber das verstößt dann ggf. gegen die Vereinbarungen im Sylter Testament – und kann daher unwirksam sein. 
  • Ein solcher Verstoß kann sogar zur sogenannten Erbunwürdigkeit führen (§ 2339 BGB), wenn bewusst gegen die testamentarische Bindung gehandelt wird. 

Wer also ein Sylter Testament aufsetzt, sollte sich der Tragweite bewusst sein. Es schützt die länger lebende Person davor, dass Dritte versuchen, Einfluss zu nehmen oder das Erbe zu verändern. Gleichzeitig nimmt es ihr aber auch die Freiheit, den Nachlass später neu zu regeln – beispielsweise, wenn sich das Verhältnis zu den eigenen Kindern grundlegend ändert.

Was passiert mit dem Pflichtteil beim Sylter Testament?

Ein Punkt, der bei einem Sylter Testament oft übersehen wird: Die Kinder haben auch dann einen Anspruch auf den Pflichtteil, wenn sie im Testament erst nach dem Tod des zweiten Elternteils als Erb:innen vorgesehen sind. Nach § 2303 BGB steht Kindern ein Pflichtteil zu, wenn sie durch ein Testament enterbt wurden. 

Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des gesetzlichen Erbteils und ist ein reiner Geldanspruch. Wenn du also als Kind später erfährst, dass deine Eltern ein gemeinschaftliches Testament geschlossen haben, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerb:innen einsetzen, hast du im Todesfall eines Elternteils dennoch das Recht, deinen Pflichtteil einzufordern. Das führt oft zu Problemen. Denn: Wird der Pflichtteil gezahlt, muss die überlebende Person oft Schulden machen oder sogar Teile des geerbten Vermögens verkaufen, um die Kinder auszuzahlen. 

Um das zu vermeiden, gibt es im Sylter Testament regelmäßig sogenannte Pflichtteilsstrafklauseln. Diese sollen die Kinder davon abhalten, ihren Pflichtteil bereits nach dem Tod des ersten Elternteils zu fordern. Eine typische Klausel lautet zum Beispiel: „Macht ein Kind nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten seinen Pflichtteil geltend, so wird es nach dem Tod des Letztversterbenden auch nur mit dem Pflichtteil bedacht.“ – Das hat eine starke abschreckende Wirkung. Denn wer den Pflichtteil einmal geltend gemacht hat, wird später nicht mehr als Erbe oder Erbin berücksichtigt. Die Folge: kein Immobilienanteil, kein Sparbuch, keine Wertgegenstände. Nur der Pflichtteil bleibt. 

Wichtiges zum Pflichtteil

Ein Kind kann den Anspruch nicht vollständig verlieren. Der Pflichtteilsanspruch steht ihm rechtlich zu – auch gegen den Willen der Eltern. Das bedeutet: Selbst durch ein gemeinschaftliches Testament wie das Sylter Testament lässt sich der Anspruch nicht komplett ausschließen.

Wer Kinder hat und mit dem Partner bzw. der Partnerin ein solches Testament plant, sollte sich über die Auswirkungen genau informieren. Es kann sinnvoll sein, mit den Kindern offen über das Testament zu sprechen und die Beweggründe zu erklären. So vermeidest du Konflikte und mögliche Klagen im Erbfall.

Kann man ein Sylter Testament widerrufen oder ändern?

Ein Sylter Testament hat weitreichende Folgen, vor allem wenn du das Testament später widerrufen oder ändern willst. Grundsätzlich gilt: Solange beide Partner:innen leben, kann ein gemeinschaftliches Testament jederzeit widerrufen oder geändert werden. Auch das Sylter Testament bildet da keine Ausnahme. 

Aber: Sobald einer der Beteiligten stirbt, wird das Testament in vielen Punkten verbindlich. Änderungen sind dann in der Regel nicht mehr erlaubt. Ob und wie du danach noch etwas ändern kannst, hängt vom Einzelfall ab.

Sylter Testament: Änderung oder Widerruf zu Lebzeiten beider Partner

Solange ihr beide noch lebt, könnt ihr das Sylter Testament gemeinsam und formwirksam widerrufen. Ein solcher Widerruf muss in der Regel schriftlich erfolgen – und zwar als neue testamentarische Verfügung oder durch eine ausdrückliche Widerrufserklärung. Diese muss den Anforderungen des § 2296 BGB genügen. Ihr müsst sie eigenhändig schreiben und unterschreiben oder sie notariell beurkunden lassen.

Möchte nur einer von euch das Testament widerrufen, ist das ebenfalls möglich – allerdings nur, solange die andere Person noch lebt. In dem Fall ist ein notarieller Widerruf nach § 2271 BGB nötig. Zusätzlich muss der anderen Person dieser Widerruf offiziell zugestellt werden, damit sie wirksam wird.

Bindungswirkung nach dem Tod eines Partners

Durch den Tod eines Ehepartners oder einer Partnerin wird ein Sylter Testament oft zum unveränderlichen Regelwerk. Die beiderseitigen Verfügungen sind dann in der Regel bindend. Du kannst sie als überlebende Person nicht mehr einseitig widerrufen. Das ergibt sich aus § 2271 Abs. 2 BGB. Insbesondere sogenannte wechselbezügliche Verfügungen – also solche, die im Zusammenhang mit einer Verfügung der anderen Person stehen – sind nach dem Tod nicht mehr änderbar.

Ein typisches Beispiel: Wenn du in einem Sylter Testament mit deinem Partner oder deiner Partnerin vereinbart hast, dass ihr euch gegenseitig zu Alleinerb:innen einsetzt und die gemeinsamen Kinder erst nach dem Tod der längerlebenden Person erben, kannst du nach ihrem Tod keine anderen Erb:innen einsetzen. Ein neues Testament wäre in diesem Fall unwirksam.

Auch wenn es hart klingt: Rechtlich gesehen bist du an den letzten gemeinsamen Willen gebunden. Der Gesetzgeber schützt so das Vertrauen der zuerst verstorbenen Person in die Gültigkeit der Vereinbarung.

Wann eine Änderung nach dem Tod trotzdem möglich ist

Ausnahmen gibt es, aber nur wenige. Eine Änderung nach dem Tod deines Partners bzw. deiner Partnerin ist nur dann möglich, wenn ihr im Testament ausdrücklich geregelt habt, dass bestimmte Teile nicht wechselbezüglich oder eben nicht bindend sind. Ohne diese Formulierung greift automatisch die gesetzliche Bindung.

Auch eine sogenannte Rücktrittsklausel kann helfen. Darin steht dann zum Beispiel, dass die überlebende Person vom gesamten Testament zurücktreten darf oder neue Verfügungen treffen kann. Solche Klauseln müssen aber klar und ausdrücklich ins Testament aufgenommen worden sein – sonst gelten sie nicht.

Wenn du das Testament nach dem Tod deines Partners bzw. deiner Partnerin trotz allem ändern möchtest, bleibt oft nur eine Lösung: Erbe ausschlagen. Denn wenn du das Testament annimmst und daraus Vorteile ziehst, kann das als Stillhaltepflicht gewertet werden – dann darfst du keine Nachträge oder neuen Testamente mehr machen. Mehr dazu steht in § 2286 BGB. Eine Ausschlagung ist allerdings eine weitreichende Entscheidung und sollte nur mit anwaltlicher Beratung erfolgen.

Fazit

Wer ein Sylter Testament in Erwägung zieht, sollte sich im Klaren darüber sein, dass es sowohl Chancen als auch Risiken birgt. Wichtig ist eine individuelle Gestaltung, die auf die jeweilige familiäre und finanzielle Situation zugeschnitten ist. Um spätere Streitigkeiten zu vermeiden, empfiehlt sich ein fachlich fundierter rechtlicher Beistand – idealerweise durch ein Notariat oder eine Fachanwältin oder einen Fachanwalt für Erbrecht. So lässt sich sicherstellen, dass der letzte Wille eindeutig formuliert und rechtssicher umgesetzt wird.

Unsere Plattform dient der rechtlichen Aufklärung. Dies ersetzt jedoch keine Rechtsberatung durch Expert:innen, die wir gerne vermitteln. Mit dem Ausfüllen des Formulars willigst du in diese Datenverarbeitung ein. Deine Daten werden rechtskonform verarbeitet und können jederzeit auf Anfrage gelöscht werden. Mehr Infos in dazu unserer Datenschutzerklärung.

Bleibe auf dem Laufenden

Unser Podcast

legalnerd Podcast

Jetzt reinhören!

Deine Hosts Su und Ines sprechen regelmäßig über interessante Rechtsfragen.

Zum Podcast

Social Media

Du brauchst Rechtsrat?

Juristische Unterstützung

Schildere jetzt dein Anliegen und wir vermitteln dich zu spezialisierten Expert:innen, die dir weiterhelfen können.

Jetzt ausfüllen

Newsletter

Abonnieren

Erhalte relevante News, spannende Jobs und mehr wöchentlich & kostenlos in dein Postfach.

Anmelden

Aktuelles