Du wachst mit Schüttelfrost, Übelkeit und null Energie auf. Klar ist: Du kannst auf keinen Fall zur Arbeit. Doch du hoffst, dass es besser wird – vielleicht morgen. 3 Tage später schleppst du dich zur Arztpraxis. Diagnose: Virusinfekt. Die Krankschreibung ist kein Problem. Aber dann kommt die Frage: Gilt eine Krankschreibung rückwirkend? – Genau da wird’s juristisch heikel.
Vielen ist nicht bewusst, dass eine rückwirkende Krankschreibung nur unter bestimmten Bedingungen zulässig ist. Wer hier Fehler macht, riskiert mehr als ein paar Tage Verdienstausfall. Es kann um Lohnfortzahlung, das Krankengeld oder sogar den Job gehen. Deshalb ist es wichtig zu wissen, was deine Rechte und Pflichten sind. Wir klären auf.
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Das Wichtigste in Kürze
✅ Eine Krankschreibung ist rückwirkend nur in Ausnahmefällen erlaubt. Du musst du deine Arbeitsunfähigkeit unverzüglich melden. Rückwirkend darf der Arzt dich nur krankschreiben, wenn er aus medizinischer Sicht sicher beurteilen kann, dass du auch an den Vortagen schon arbeitsunfähig warst – und das muss dokumentiert sein.
✅ Die Rückwirkung ist auf maximal 3 Kalendertage begrenzt. Diese Grenze ergibt sich aus den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Eine längere Rückdatierung ist praktisch ausgeschlossen und wird von Arbeitgebern, Krankenkassen und Gerichten selten anerkannt.
✅ Du brauchst nachvollziehbare Nachweise für deine Krankheit. Einfache Aussagen reichen nicht. Der Arzt muss anhand von Symptomen, Verlauf und Befund objektiv feststellen, dass du schon vorher krank warst. Eine lückenhafte oder unbegründete Krankschreibung kann abgelehnt werden.
✅ Versäumte Fristen können ernste Folgen haben. Wenn du deine Krankschreibung zu spät einreichst oder nicht rechtzeitig zum Arzt gehst, verlierst du möglicherweise dein Gehalt, deinen Anspruch auf Krankengeld oder sogar den Versicherungsschutz. Auch Abmahnungen oder Sanktionen durch die Arbeitsagentur sind möglich.
✅ Hol dir rechtliche Unterstützung, wenn du Probleme hast. Wird deine rückwirkende Krankschreibung nicht anerkannt oder droht dir Ärger mit dem Arbeitgeber oder der Krankenkasse, kannst du anwaltliche Hilfe suchen. Gerade bei Fristen und Beweispflichten kann juristische Beratung wichtig sein, um deine Rechte zu wahren.
Wann ist Krankschreibung rückwirkend möglich?
Grundsätzlich gilt: Eine Krankschreibung muss zeitnah erfolgen. Ärzt:innen dürfen dich nicht beliebig rückwirkend krankschreiben – das sieht das Entgeltfortzahlungsgesetz so vor.
In § 5 Abs. 1 EntgFG ist unter anderem Folgendes geregelt:
- Du bist verpflichtet, deinem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen.
- Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als 3 Kalendertage, musst du eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorlegen.
- Dein Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen.
- Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Bescheinigung angegeben,bist du verpflichtet, eine neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen.
Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) muss also spätestens am 4. Tag der Krankheit vorliegen – sonst kann der Anspruch auf Lohnfortzahlung verloren gehen. Eine rückwirkende Krankschreibung ist laut Gesetz nur in Ausnahmefällen zulässig.
Ärzt:innen dürfen eine AU rückwirkend maximal 3 Kalendertage ausstellen – aber nur, wenn der Krankheitsverlauf dies medizinisch rechtfertigt. Das bedeutet: Der Arzt oder die Ärztin muss aufgrund der Symptome und seiner Untersuchung sicher sagen können, dass du bereits an den vorherigen Tagen arbeitsunfähig warst. Eine reine Behauptung reicht nicht. Die Entscheidung liegt also im ärztlichen Ermessen – und muss in der Patientenakte nachvollziehbar dokumentiert sein.
Rückwirkende Krankschreibungen dürfen also nicht zur Regel werden. Nur wenn konkrete Umstände vorliegen – etwa bei plötzlicher Krankheit oder wenn ein Arzttermin vorher nicht möglich war –, kann eine rückwirkende AU gerechtfertigt sein.
Wie lange kann ein Arzt rückwirkend krankschreiben?
Eine rückwirkende Krankschreibung für mehr als 3 Tage ist praktisch ausgeschlossen – es sei denn, es liegen ganz besondere Umstände vor. Die 3-Tage-Grenze ist nicht gesetzlich festgeschrieben, sondern stammt aus den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), an die sich Ärzt:innen halten müssen.
Beispiel für eine rückwirkende Krankschreibung
Angenommen, du hattest einen Magen-Darm-Infekt, konntest nicht aus dem Haus – und bekommst erst 2 Tage später einen Arzttermin. Die Ärztin bestätigt auf Basis deiner Symptome und ihres Befundes, dass du bereits am ersten Tag krank warst. In diesem Fall ist eine rückwirkende AU für bis zu 3 Tage möglich.
Wenn du nur sagst, dass du krank warst, reicht das in der Regel nicht. Die medizinische Einschätzung muss objektiv nachvollziehbar sein. Und: Ärzt:innen sind nicht verpflichtet, rückwirkend zu krankschreiben – sie können es aber tun, wenn sie überzeugt sind.
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Nachweise für eine rückwirkende Krankschreibung
Wenn du eine rückwirkende Krankschreibung brauchst, reicht es nicht, einfach in der Arztpraxis zu sagen: „Ich war krank.“ Du musst glaubhaft machen können, dass du tatsächlich schon vor dem Arztbesuch arbeitsunfähig warst. Das bedeutet: Du brauchst nachvollziehbare Nachweise – und der Arzt oder die Ärztin muss diese in deiner Patientenakte dokumentieren.
Das wichtigste Beweismittel ist die ärztliche Einschätzung. Sie basiert auf deiner Schilderung, dem Verlauf der Symptome und den körperlichen Befunden bei der Untersuchung. Wenn du z. B. mit einer eitrigen Mandelentzündung zur Arztpraxis gehst, kann der Arzt oder die Ärztin medizinisch beurteilen, dass die Krankheit schon vor 2 Tagen bestanden haben muss – das kann eine rückwirkende Krankschreibung rechtfertigen.
Wichtig
Wenn du möchtest, dass der Arzt oder die Ärztin rückwirkend krankschreibt, solltest du von Anfang an klar sagen, seit wann du dich krank fühlst, welche Beschwerden du hattest und wie sie sich entwickelt haben. Je genauer und nachvollziehbarer du das schilderst, desto besser. Hilfreich ist es auch, wenn du deine Symptome vorher selbst notiert hast – z. B. in einer Notiz-App oder einem Kalender.
Krankenkassen und Arbeitgeber akzeptieren eine rückwirkende Krankschreibung meist nur, wenn die AU den Anforderungen entspricht. Die ärztliche Dokumentation muss eindeutig sein, sonst kann die Bescheinigung abgelehnt werden. Manche Arbeitgeber verlangen sogar einen Nachweis, warum du nicht früher zur Arztpraxis konntest – etwa, weil du bettlägerig warst oder es keine freien Termine gab. In solchen Fällen kann auch eine schriftliche Bestätigung der Praxis helfen. Manche Praxen bieten sogar Online-Terminvergaben mit Priorität bei Krankheitssymptomen an.
Wenn der Nachweis nicht anerkannt wird, kann das für dich ernste Folgen haben:
- Dein Arbeitgeber zahlt kein Gehalt für die betroffenen Tage.
- Die Krankenkasse zahlt ggf. kein Krankengeld.
- Im schlimmsten Fall kann es zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen kommen.
Für gesetzlich Versicherte gelten die Vorgaben des G-BA und die AU-Richtlinien. Privat Versicherte sind an die vertraglichen Bedingungen gebunden – dort kann eine rückwirkende AU schwieriger durchzusetzen sein, weil private Krankenversicherer oft strengere Nachweise verlangen.
Rückwirkend krankschreiben: Deine Rechte gegenüber dem Arbeitgeber
Wenn du krank bist, hast du grundsätzlich Anspruch auf Lohnfortzahlung. Das regelt § 3 Abs. 1 Satz 1 EntgFG: „Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne daß ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von 6 Wochen.“
Aber: Damit dieser Anspruch gilt, musst du deine Krankheit nachweisen – und zwar mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU). Kommt diese zu spät oder ist sie lückenhaft, kann der Arbeitgeber die Zahlung verweigern. Bei einer rückwirkenden Krankschreibung kann es daher schnell zu Streit kommen.
Dein vielleicht wichtigstes Recht
Der Arbeitgeber darf die AU nicht ohne Weiteres ablehnen, nur weil sie rückwirkend ausgestellt wurde. Solange die ärztliche Bescheinigung den gesetzlichen Vorgaben entspricht – also maximal 3 Tage rückwirkend ist und gut begründet wurde – ist sie grundsätzlich wirksam. Auch der Bundesgerichtshof hat dazu klargestellt: Der Beweiswert der AU ist hoch, solange kein konkreter Anlass zur Zweifel besteht.
Wenn dein Arbeitgeber Zweifel hat, kann er dich an den Medizinischen Dienst verweisen. Dafür muss er die Krankenkasse einschalten (§ 275 Abs. 1a SGB V). Diese veranlasst dann eine unabhängige Prüfung deiner Arbeitsunfähigkeit. Aber: Solange keine Entscheidung vorliegt, gilt die AU erst einmal – du musst also nicht „nacharbeiten“ oder Urlaub nehmen.
Du hast außerdem das Recht, nicht alle Details deiner Krankheit offenzulegen. Der Arbeitgeber erfährt nur, dass du arbeitsunfähig bist, nicht warum. Eine Diagnose muss in der AU nicht stehen.
Deine Pflichten solltest du trotzdem ernst nehmen:
- Melde dich unverzüglich krank – am besten vor Arbeitsbeginn.
- Reiche die AU rechtzeitig ein – spätestens am 4. Krankheitstag (es sei denn, dein Arbeitsvertrag verlangt sie früher).
- Gib Bescheid, wenn du länger krank bist oder die AU verlängert wird.
In der Praxis zeigt sich jedoch: Je früher du zur Arztpraxis gehst, desto einfacher wird alles.
Mögliche Folgen einer rückwirkenden Krankschreibung
Viele denken: „Ich war doch krank – dann wird das schon passen.“ Aber juristisch zählt weniger dein Gefühl, sondern der Beweis. Und wenn die Krankschreibung zu spät kommt oder nicht lückenlos ist, kann das unangenehme Folgen haben.
Lohnfortzahlung kann entfallen
Wenn du deinem Arbeitgeber nicht rechtzeitig mitteilst, dass du krank bist, oder die AU zu spät einreichst, kann dir im schlimmsten Fall die Lohnfortzahlung gestrichen werden. Selbst wenn du tatsächlich krank warst, zählt die rechtzeitige Mitteilung, wie in § 5 Abs. 1 Satz 1 EntgFG geregelt ist. Fehlt eine unverzügliche Krankmeldung oder die ärztliche Krankschreibung, kann es passieren, dass du für die betroffenen Tage im Zweifel kein Gehalt bekommst – obwohl du nicht arbeitsfähig warst.
Unterbrechung beim Krankengeld
Auch für gesetzlich Versicherte, die länger als 6 Wochen krank sind, ist eine lückenlose AU wichtig. Wenn zwischen 2 Bescheinigungen ein Tag fehlt, kann das die Krankenkasse als Unterbrechung werten. Die Folge: Der Anspruch auf Krankengeld ruht oder endet sogar ganz (§ 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V). Eine rückwirkende AU kann das in manchen Fällen ausgleichen – aber oft nur, wenn sie gut dokumentiert und maximal 3 Tage rückwirkend ist.
Stress mit Arbeitgeber oder der Agentur für Arbeit
Wiederholt verspätete Krankschreibungen führen schnell zu Misstrauen beim Arbeitgeber. Das kann eine Abmahnung zur Folge haben – im schlimmsten Fall sogar eine Kündigung. Auch bei der Agentur für Arbeit gelten strenge Mitwirkungspflichten. Wer diese verletzt, etwa durch verspätete Krankschreibungen, muss mit Leistungskürzungen oder Sperrzeiten rechnen.
Kein Schutz bei Arbeitsunfällen oder Versicherungsfällen
Eine verspätete AU kann auch den Versicherungsschutz gefährden – zum Beispiel nach einem Arbeitsunfall oder bei Leistungen aus einer privaten Krankentagegeldversicherung. Hier gilt oft: Nur wer lückenlos nachweisen kann, wann die Arbeitsunfähigkeit begonnen hat, behält den vollen Leistungsanspruch. Deshalb ist eine rechtzeitige AU auch für den Versicherungsschutz entscheidend.
Weniger rechtlicher Spielraum bei verspäteter Meldung
Selbst wenn du nachträglich eine AU bekommst, ist dein rechtlicher Spielraum begrenzt. Der Arzt oder die Ärztin muss genau dokumentieren, seit wann du krank warst – und das muss für den Arbeitgeber oder die Krankenkasse nachvollziehbar sein. Liegt kein plausibler Grund für die Verspätung vor (z. B. akute Bettlägerigkeit), kann deine rückwirkende AU angezweifelt und abgelehnt werden.
So kann ein Anwalt im Streitfall helfen
Wenn dein Arbeitgeber die rückwirkende Krankschreibung nicht akzeptiert oder dir sogar mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen droht, kannst du dir rechtliche Unterstützung holen. Auch bei Problemen mit der Krankenkasse – etwa wenn Krankengeld verweigert wird – kann eine erfahrene Anwältin oder ein erfahrener Anwalt für Sozial- oder Arbeitsrecht helfen, deine Ansprüche durchzusetzen.
Oft geht es um viel Geld oder sogar den Arbeitsplatz. Gerade bei strittigen Fragen rund um Fristen, Beweise und Nachweispflichten ist anwaltliche Hilfe sinnvoll und oft auch entscheidend. In vielen Fällen kannst du auch über eine Rechtsschutzversicherung oder Prozesskostenhilfe Unterstützung bekommen.
Fazit
Eine rückwirkende Krankschreibung kann in bestimmten Fällen erlaubt sein – aber sie ist die Ausnahme, nicht die Regel. Damit sie rechtlich anerkannt wird, muss sie gut begründet und medizinisch nachvollziehbar dokumentiert sein. Vor allem die 3-Tage-Grenze ist dabei einzuhalten.
Wichtig ist, dass du dich im Krankheitsfall so früh wie möglich um einen Arzttermin kümmerst und deine Beschwerden genau schilderst. Wenn es trotzdem zu Problemen kommt – etwa mit dem Arbeitgeber oder der Krankenkasse – lohnt sich der Gang zur Anwältin oder zum Anwalt. Sie kennen die aktuelle Rechtsprechung und helfen dir, deine Ansprüche durchzusetzen.