Eine plötzliche Kündigung trifft viele Arbeitnehmer:innen völlig unerwartet. Gerade bei der aktuellen wirtschaftlichen Lage, in der Unternehmen Stellen abbauen oder ganze Abteilungen schließen, fragen sich viele: Habe ich Anspruch auf eine Abfindung? Besonders wenn die Kündigung „aus betrieblichen Gründen“ erfolgt, geht bei vielen sofort die Hoffnung auf eine finanzielle Entschädigung auf. Doch eine Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung gibt es leider nicht automatisch. Ob und wann du wirklich eine Abfindung bekommst, hängt von verschiedenen Voraussetzungen ab, die wir dir in diesem Artikel Schritt für Schritt erklären.
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Das Wichtigste in Kürze
✅ Eine Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung ist in Deutschland nicht selbstverständlich. Anspruch besteht nur, wenn das Unternehmen die Abfindung anbietet und du auf eine Kündigungsschutzklage verzichtest. Die angebotene Abfindung beträgt dann in der Regel ein halbes Monatsgehalt pro Jahr der Betriebszugehörigkeit.
✅ Auch ohne direktes Angebot der Arbeitgeberseite kann es zu einer Abfindung kommen. Beispiele dafür sind Vereinbarungen im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag, Abfindungszahlungen im Rahmen eines Sozialplans oder eines gerichtlichen Vergleichs nach einer Kündigungsschutzklage.
✅ Der Aufhebungsvertrag kann eine Alternative zur Kündigung sein. Hier wird die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einvernehmlich geregelt. Allerdings solltest du solche Verträge genau prüfen, um Nachteile wie eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld zu vermeiden und eine faire Abfindung auszuhandeln.
✅ Wer sich gegen eine betriebsbedingte Kündigung wehren möchte, muss innerhalb von 3 Wochen eine Kündigungsschutzklage einreichen. Im Gerichtsverfahren werden Kündigungsgründe geprüft. Häufig einigen sich Arbeitgeber:in und Arbeitnehmer:in auf eine Abfindung in einem gerichtlichen Vergleich, der individuell ausgehandelt werden kann.
✅ Besondere Aufmerksamkeit solltest du auf weitere wichtige Aspekte legen: Rechtliche Beratung frühzeitig einholen, die Kündigung genau prüfen lassen, geschickte Verhandlungen führen sowie steuerliche Auswirkungen der Abfindung beachten. Auch auf ein gutes Arbeitszeugnis und notwendige Bescheinigungen für das Arbeitsamt kannst du verhandeln.
Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung: Wann hast du Anspruch?
Eine Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung bekommst du nicht automatisch. Dein:e Arbeitgeber:in muss dir nicht immer eine Abfindung zahlen, wenn du aus betrieblichen Gründen gekündigt wirst. Ob du Anspruch hast, hängt von bestimmten Voraussetzungen ab.
Grundsätzlich gibt es in Deutschland kein Gesetz, das einen Anspruch auf Abfindung bei Kündigung regelt. Eine Ausnahme gibt es aber: Nach § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG) hast du Anspruch auf eine Abfindung, wenn der Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin in der Kündigung ausdrücklich anbietet, eine Abfindung zu zahlen, falls du auf eine Kündigungsschutzklage verzichtest.
Die Bedingungen dafür sind:
- Der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin kündigt dich aus betrieblichen Gründen.
- Er oder sie bietet dir die Abfindung schriftlich in der Kündigung an.
- Du erhebst keine Kündigungsschutzklage innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung (§ 4 KSchG).
In diesem Fall hast du mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Anspruch auf die Abfindung. Die gesetzliche Höhe beträgt dabei 0,5 Monatsgehälter pro Beschäftigungsjahr.
Auch außerhalb von § 1a KSchG kann eine Abfindung fällig werden – dann aber auf freiwilliger Basis oder als Ergebnis von Verhandlungen.
Hier einige typische Situationen:
- Vereinbarung im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag: Manche Arbeitsverträge oder Tarifverträge regeln, dass du bei betriebsbedingter Kündigung Anspruch auf eine bestimmte Abfindung hast.
- Sozialplan: In großen Betrieben verhandelt der Betriebsrat oft einen Sozialplan mit dem Arbeitgeber. Darin stehen Regelungen zu Abfindungen. Die rechtliche Basis dafür findest du in § 112 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).
- Vergleich vor Gericht: Reicht du Kündigungsschutzklage ein, enden viele Prozesse mit einem Vergleich, in dem eine Abfindung vereinbart wird. Juristisch basiert das auf § 278 Zivilprozessordnung (ZPO), der Vergleiche vor Gericht erlaubt.
Wichtig
Das Unternehmen darf dir nicht einfach wegen schlechter Auftragslage kündigen, er muss die Kündigung sorgfältig begründen. Die Regeln dazu stehen im § 1 KSchG. Kurz gesagt, muss es nachweisen, dass dein Arbeitsplatz dauerhaft entfällt und dass es keine andere Möglichkeit gibt, dich weiterzubeschäftigen.
Doch nicht jeder Betrieb muss sich daran halten. Der Kündigungsschutz nach dem KSchG gilt erst, wenn im Unternehmen mehr als 10 Arbeitnehmer:innen beschäftigt sind (§ 23 KSchG). Außerdem musst du schon mindestens 6 Monate ununterbrochen dort gearbeitet haben (§ 1 Abs. 1 KSchG).
Einen gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung hast du also nur unter bestimmten Bedingungen. Oft musst du selbst aktiv werden, also entweder mit deinem Arbeitgeber bzw. deiner Arbeitgeberin verhandeln oder eine Kündigungsschutzklage erheben.
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Ablauf des Verfahrens bei Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung
Kündigung und Angebot der Abfindung
Läuft alles nach § 1a KSchG, bietet dir dein:e Arbeitgeber:in direkt mit der Kündigung eine Abfindung an. Dafür muss die Arbeitgeberseite im Kündigungsschreiben klar sagen, dass du wegen dringlicher betrieblicher Gründe gekündigt wirst und eine Abfindung bekommst, wenn du keine Kündigungsschutzklage einreichst. In diesem Fall steht dir eine Abfindung von 0,5 Monatsverdiensten pro beschäftigtem Jahr zu.
Was gilt als Monatsverdienst?
Dein Monatsverdienst ist, was du durchschnittlich brutto pro Monat in den letzten 12 Monaten verdient hast (§ 10 KSchG). Ein Beispiel: Arbeitest du seit 6 Jahren dort und verdienst 3.000 Euro brutto, beträgt die Abfindung: 6 x 0,5 x 3.000 € = 9.000 € Abfindung.
Kommt so ein Angebot nicht mit der Kündigung, besteht in der Regel auch kein Anspruch auf eine Abfindung. Viele Arbeitgeber:innen bieten trotzdem freiwillig eine Abfindung an, um einen Rechtsstreit zu vermeiden.
Aufhebungsvertrag statt Kündigung
Manchmal versuchen Arbeitgeber:innen, eine Kündigung zu umgehen, indem sie dir einen Aufhebungsvertrag anbieten. Hier trennt ihr euch einvernehmlich, und oft gehört eine Abfindung zum Deal dazu. Anders als bei einer Kündigung musst du einem Aufhebungsvertrag aktiv zustimmen. Du unterschreibst ihn freiwillig.
Damit bekommst du zwar die Abfindung, aber Vorsicht: Ohne genaue Prüfung kann es später Probleme mit dem Arbeitslosengeld geben, weil die Agentur für Arbeit eine Sperrzeit verhängen kann. Lass den Vertrag also unbedingt prüfen, bevor du unterschreibst, am besten durch eine Fachanwältin oder einen Fachanwalt für Arbeitsrecht.
Achte zum Beispiel darauf, dass die Höhe der Abfindung fair geregelt ist und dass Formulierungen zur Kündigungsfrist und dem Beendigungsdatum eindeutig sind (Schriftform bei Beendigung von Arbeitsverhältnissen, § 623 BGB). In einem Aufhebungsvertrag kannst du übrigens auch bessere Bedingungen aushandeln als das, was dir bei einer normalen Kündigung zustehen würde.
Kündigungsschutzklage und Abfindung vor Gericht
Willst du dich gegen die betriebsbedingte Kündigung wehren, bleibt dir die Kündigungsschutzklage. Dafür hast du aber nur 3 Wochen ab Zugang der Kündigung Zeit (§ 4 KSchG). Verpasst du diese Frist, ist die Kündigung wirksam, auch wenn sie eigentlich ungerechtfertigt ist. Reichst du Klage ein, prüft das Arbeitsgericht, ob die Kündigung rechtlich zulässig war.
Gerade bei betriebsbedingten Kündigungen müssen Arbeitgeber:innen gut darlegen, welche betriebliche Situation die Kündigung zwingend nötig macht und warum sie gerade dich auswählen (§ 1 KSchG). Im Laufe des Prozesses schlagen Gerichte oft einen Vergleich vor, um den Streit gütlich zu regeln. In diesem Vergleich wird oft eine Abfindung vereinbart.
Höhe der Abfindung
Die Höhe ist Verhandlungssache, orientiert sich aber meistens an der Faustformel: 0,5 bis 1,0 Monatsgehälter pro Jahr der Betriebszugehörigkeit. Ein Beispiel: Wenn du seit 4 Jahren dabei bist und 2.500 Euro verdienst, könnte die Abfindung im Vergleich zwischen 5.000 und 10.000 Euro liegen.
Es gibt hier aber keinen Zwang zu einem Vergleich. Arbeitgeber:in und Arbeitnehmer:in müssen beide zustimmen. Gerade bei schwachen Kündigungsgründen kannst du eine höhere Abfindung herausholen.
So sicherst du dir eine faire Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung
Wenn du von einer betriebsbedingten Kündigung betroffen bist, willst du natürlich eine möglichst gute Abfindung herausholen. Mit den richtigen Schritten kannst du deine Chancen deutlich verbessern. Hier geben wir dir praktische Tipps, was du tun kannst, um eine möglichst faire Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung zu sichern.
Frühzeitig rechtliche Beratung einholen
Warte nicht zu lange, wenn du eine Kündigung bekommst. Hole dir so früh wie möglich rechtlichen Beistand, am besten von einer Fachanwältin oder einem Fachanwalt für Arbeitsrecht.
Oft haben Arbeitgeber:innen spezielle Fristen gesetzt, innerhalb derer du reagieren musst. Außerdem kannst du nach Zugang einer Kündigung innerhalb von 3 Wochen eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreichen. Diese Frist solltest du auf keinen Fall verpassen, sonst gilt die Kündigung automatisch als wirksam – selbst wenn sie eigentlich unwirksam wäre.
Kündigung genau prüfen lassen
Eine betriebsbedingte Kündigung ist nur wirksam, wenn dein:e Arbeitgeber:in bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG muss der Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin nachweisen, dass dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen, die deine Weiterbeschäftigung unmöglich machen.
Außerdem muss eine korrekte Sozialauswahl stattfinden, das heißt, der Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin darf nicht einfach irgendwen kündigen, sondern er muss soziale Gesichtspunkte (z.B. Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten) berücksichtigen. Wenn diese Regeln verletzt wurden, kannst das deine Aussichten auf eine hohe Abfindung ggf. verbessern.
Verhandlungsbereitschaft zeigen
Sei offen für eine Verhandlung. Oft bieten Arbeitgeber:innen freiwillig eine Abfindung an, um einen langen Rechtsstreit zu vermeiden. Du kannst meistens noch etwas herausholen, wenn du freundlich, aber bestimmt argumentierst, warum dir mehr zusteht – zum Beispiel wegen langer Betriebszugehörigkeit oder besonders schwerer Nachteile auf dem Arbeitsmarkt.
Vergleich vor Gericht nutzen
Wenn du Kündigungsschutzklage einreichst, suchen die Beteiligten in der Regel früh im Verfahren nach einem Vergleich. Das bedeutet: Beide Seiten einigen sich auf eine Abfindung, damit der Prozess nicht weiterläuft. Denn jeder Prozess ist mit Kosten und einem ungewissen Ausgang verbunden. Dieses Risiko wollen auch Unternehmen meist nicht eingehen.
Je besser deine Erfolgsaussichten bei der Klage sind, desto höher kann auch die Abfindung im Vergleich ausfallen. Dazu kann dir nur eine Anwältin oder ein Anwalt im Arbeitsrecht eine rechtliche Einschätzung geben.
Achtung: Steuern!
Eine Abfindung ist steuerpflichtig. Sie wird als Einkommen versteuert, allerdings kannst du von der sogenannten Fünftelregelung (§ 34 Abs. 1 Einkommensteuergesetz) profitieren. Das bedeutet, dass dein Steuersatz günstiger berechnet wird, als wenn die volle Abfindung auf einmal versteuert werden müsste. Lass dich hierzu am besten steuerlich beraten.
Kündigungsschutz genau prüfen
Manche Arbeitnehmer:innen genießen besonderen Kündigungsschutz, etwa Schwangere, Menschen in Elternzeit, schwerbehinderte Menschen oder Betriebsratsmitglieder. Wenn du unter eine dieser Gruppen fällst, kann dein:e Arbeitgeber:in dich nicht einfach kündigen. Hier gelten besondere Voraussetzungen (§ 17 Mutterschutzgesetz, § 15 Kündigungsschutzgesetz für Elternzeit, § 85 SGB IX für schwerbehinderte Menschen).
Fazit
Bei einer betriebsbedingten Kündigung haben Arbeitnehmer:innen unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf eine Abfindung. Entscheidend sind dabei Faktoren wie Tarifverträge, individuelle Vereinbarungen oder ein gerichtlicher Vergleich. Auch wenn gesetzlich kein genereller Anspruch auf eine Abfindung besteht, bieten freiwillige Angebote des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin oder bestimmte Klauseln im Kündigungsschutzgesetz gute Chancen. Eine rechtliche Beratung ist ratsam, um die individuellen Ansprüche korrekt einschätzen und durchsetzen zu können.