Ob Snacks, Getränke, Tierfutter oder sogar Frischware: Immer mehr Menschen nutzen die neuen 24/7-Automatenshops, die ohne Personal rund um die Uhr zugänglich sind. Gerade in ländlichen Regionen oder an verkehrsreichen Standorten füllen sie eine echte Versorgungslücke – auch sonntags. Doch rechtlich war bisher nicht klar: Müssen sich solche Shops an das Ladenöffnungsrecht halten? Jetzt wurde entschieden: Es gibt keine Sonntagsruhe für Automatenshops.
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) hat ein sein Urteil gefällt: Automatenshops dürfen uneingeschränkt geöffnet bleiben, auch an Sonn- und Feiertagen. Denn sie gelten nicht als Verkaufsstellen im Sinne des Ladenöffnungsgesetzes (NLöffVZG). Damit hat das Gericht dem Versuch einer Gemeinde, die Öffnungszeiten zu beschränken, eine klare Absage erteilt (Beschluss vom 13. März 2025, Az. 7 ME 7/25).
Die Entscheidung bringt Rechtssicherheit für Betreiber:innen – und neue Möglichkeiten für Verbraucher:innen. Gleichzeitig stellt sie die Frage: Wie zeitgemäß ist unser Ladenrecht eigentlich noch? Wir fassen zusammen.
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Das Wichtigste in Kürze
✅ Automatenshops dürfen auch sonntags rund um die Uhr geöffnet bleiben. Das OVG Niedersachsen hat entschieden, dass unbemannte Verkaufsstellen keine „Verkaufsstellen“ im Sinne des Ladenöffnungsgesetzes sind.
✅ Das Ladenöffnungsrecht greift nur bei Verkauf durch Personal. Da Automatenshops vollständig ohne Mitarbeiter:innen funktionieren und der Verkauf rein technisch erfolgt, gelten sie nicht als klassische Läden. Weder Öffnungszeiten noch arbeitsrechtliche Schutzvorschriften finden Anwendung.
✅ Kommunen können Automatenshops nicht per se einschränken. Das Gericht hat klargestellt, dass Einschränkungen über das Ladenrecht unzulässig sind. Wer Einfluss nehmen will, muss über das Bau- oder Ordnungsrecht agieren – etwa über Nutzungsgenehmigungen oder Lärmschutzvorgaben.
✅ Für Verbraucher:innen gelten beim Automatenkauf dieselben Schutzrechte wie im Laden. Auch ohne Personal vor Ort besteht Anspruch auf funktionierende Ware, Rückgabe bei Mängeln und Datenschutz. Altersverifikationen und bargeldloses Bezahlen sind Standard bei modernen Shops.
✅ Das Urteil stärkt digitale Geschäftsmodelle im Handel. Die Entscheidung schafft Planungssicherheit für Betreiber:innen und fördert Innovationen im stationären Einzelhandel. Gerade in ländlichen Regionen können Automatenshops eine wichtige Ergänzung zur Grundversorgung werden.
Keine Sonntagsruhe für Automatenshops: Worum ging es im Streitfall?
Der Fall begann mit einer kleinen Gemeinde in Niedersachsen, die verhindern wollte, dass ein örtlicher Automatenshop rund um die Uhr – insbesondere an Sonn- und Feiertagen – geöffnet bleibt. Die Gemeinde argumentierte: Auch wenn kein Personal vor Ort ist, werde hier „verkauft“. Und das sei laut § 4 Abs. 1 Satz 1 des Niedersächsischen Gesetzes über Ladenöffnungszeiten (NLöffVZG) sonntags grundsätzlich verboten.
Tatsächlich hatte das Verwaltungsgericht Hannover der Gemeinde zunächst Recht gegeben. Es bejahte den Verkaufsstellenbegriff auch für unbemannte Automatenshops – und erlaubte eine entsprechende Verfügung zur Einschränkung der Öffnungszeiten.
Dagegen wehrte sich der Betreiber des Automatenshops mit einer Beschwerde beim OVG Niedersachsen – und bekam nun Recht. Das OVG hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und erklärte die Auflagen der Gemeinde für rechtswidrig.
Kernfrage war: Fällt ein vollständig automatisierter Verkaufsraum überhaupt unter die Regelungen des NLöffVZG? Oder ist das ein Sonderfall, für den das klassische Ladenöffnungsrecht gar nicht gilt?
Das OVG stellte klar: Der Gesetzgeber wollte mit dem Begriff der Verkaufsstelle einen Ort beschreiben, an dem Menschen Waren verkaufen. Ein Automatenshop sei kein solcher Ort – weil es dort keine Verkäufer:innen gibt, keine Öffnungszeiten im herkömmlichen Sinn und keine Möglichkeit, auf Kund:innen individuell einzuwirken.
Damit wurde deutlich: Der Automatenshop ist rechtlich kein Laden – und darf deshalb auch nicht wie einer behandelt werden.
Warum dürfen Automatenshops rund um die Uhr öffnen?
Das OVG Niedersachsen hat sich im Beschluss ausführlich mit dem Begriff der „Verkaufsstelle“ auseinandergesetzt – und kam zu einem klaren Ergebnis: Automatenshops sind keine Verkaufsstellen im Sinne des § 1 Abs. 1 NLöffVZG, weil sie komplett ohne Personal betrieben werden und sich der Verkaufsvorgang rein technisch vollzieht.
Laut Gesetz liegt eine Verkaufsstelle nur dann vor, wenn dort Waren „von Personen an Letztverbraucher abgegeben“ werden. Im Automatenbetrieb fehlt genau dieses Element: Es gibt keine Verkäuferin, keinen Kassierer, kein Gespräch. Die Ware wird automatisch ausgegeben – ganz ohne menschliches Zutun. Auch das Öffnen und Schließen der Verkaufsstätte ist technisch organisiert und nicht vom Willen eines Betreibers abhängig. Wo also niemand verkauft, gelte auch kein Verkaufsverbot.
Ein weiterer Punkt: Das Ladenöffnungsgesetz regelt Arbeitszeiten und Ruhezeiten – insbesondere den Schutz von Beschäftigten und die Sonn- und Feiertagsruhe. Doch beides spielt bei Automatenläden keine Rolle. Es gibt keine Angestellten, die sonntags arbeiten, und keine Lärmbelästigung, die mit klassischem Kundenverkehr verbunden wäre. Der Automat funktioniert immer gleich – egal ob Mittwochmittag oder Sonntagabend.
Das OVG erkannte zwar an, dass solche Shops unter Umständen Auswirkungen auf das Stadtbild oder die Konkurrenzsituation im Einzelhandel haben können. Aber das allein sei kein Grund, sie unter das Ladenrecht zu fassen, solange keine menschliche Verkaufsleistung erbracht wird.
Damit stellt das Gericht klar: Die rein technische Abgabe von Waren fällt nicht in den Anwendungsbereich des NLöffVZG. Automatenshops dürfen also legal 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche geöffnet sein – auch an Sonn- und Feiertagen.
Mögliche Folgen für Kommunen und Betreiber
Das Urteil hat große Signalwirkung – nicht nur für Niedersachsen, sondern bundesweit. Denn auch in anderen Bundesländern werden Fragen zur Ladenöffnung zunehmend durch das Aufkommen von Automatenshops herausgefordert. Das OVG hat jetzt eine klare Linie gezogen: Automatenshops fallen nicht unter das Ladenöffnungsrecht – und können deshalb nicht per Allgemeinverfügung oder durch Berufung auf das NLöffVZG eingeschränkt werden.
Für Kommunen heißt das: Sie können die Öffnungszeiten solcher Shops nicht über das Ladenrecht regulieren. Wer sich an den “durchdigitalisierten” Verkaufsformaten stört, muss auf andere Rechtsinstrumente zurückgreifen – etwa das Baurecht, das Ordnungsrecht oder gegebenenfalls das Straßenrecht, wenn die Automaten im öffentlichen Raum stehen.
Für Betreiber:innen bedeutet das Urteil vor allem eins: Rechtssicherheit. Sie können ihre Automaten weiter betreiben – und das auch an Standorten, an denen klassische Läden längst geschlossen wären. Gerade in ländlichen Regionen, auf Rastplätzen oder in Wohngebieten ohne Nahversorgung wird das Modell dadurch attraktiver.
Zugleich ist die Entscheidung auch eine wirtschaftspolitische Botschaft: Sie stärkt innovative Geschäftsmodelle, die auf Digitalisierung, Automatisierung und flexible Strukturen setzen – ganz im Sinne moderner Daseinsvorsorge.
Ob andere Bundesländer ähnliche Urteile fällen werden, bleibt abzuwarten.
Automatenshops im Alltag: Was gilt für Kunden?
Automatenshops wirken wie kleine Supermärkte ohne Personal. Doch wer dort einkauft, sollte wissen, welche rechtlichen und praktischen Regeln gelten – besonders bei sensiblen Produkten wie Alkohol oder Tabak.
Alkohol, Tabak & Co.: Nur mit Altersnachweis
Obwohl kein Mensch den Verkauf überwacht, gelten dieselben Jugendschutzgesetze wie im normalen Laden. Deshalb setzen Automaten auf technische Altersverifikationen. Das funktioniert zum Beispiel über den Personalausweis (mit eID), einen Führerschein-Scan, eine Kundenkarte oder Apps mit Altersfreigabe. Ohne Nachweis bleibt der Automat zu – zumindest bei altersbeschränkten Produkten.
Welche Waren darf ein Automat verkaufen?
Erlaubt ist grundsätzlich alles, was auch im regulären Handel frei erhältlich ist. Dazu zählen Lebensmittel, Getränke, Hygieneartikel, Drogerieprodukte oder Tierfutter. Verboten sind dagegen rezeptpflichtige Arzneimittel, Betäubungsmittel oder apothekenpflichtige Produkte. Auch Waffen oder sonstige genehmigungspflichtige Güter dürfen nicht angeboten werden.
Kameras und Daten: Was mitgeschnitten wird
Viele Automaten arbeiten mit Videoüberwachung, um Diebstahl oder Vandalismus zu verhindern. Kombiniert mit digitalen Bezahlsystemen entstehen dabei automatisch personenbezogene Daten. Betreiber:innen sind verpflichtet, klar zu kennzeichnen, was aufgezeichnet wird und wie lange. Du hast jederzeit das Recht auf Auskunft, und die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gilt auch hier.
Bezahlen geht meist nur digital
Die meisten Automaten nehmen kein Bargeld. Stattdessen kannst du mit EC-/Kreditkarte, Apple Pay, Google Pay oder PayPal bezahlen. Das geht schnell – aber erfordert ein gewisses Maß an digitaler Bereitschaft. Für Menschen ohne Smartphone oder Karte ist der Zugang oft eingeschränkt.
Was passiert bei Reklamationen?
Auch wenn kein Personal vor Ort ist, hast du Anspruch auf ein funktionierendes Produkt. Fehlerhafte Ware oder technische Probleme müssen über eine Kontaktmöglichkeit (z. B. Hotline oder QR-Code am Automaten) gemeldet werden können. Betreiber:innen sind verpflichtet, gesetzliche Regelungen einzuhalten, z.B. Rückerstattungen oder Ersatz zu leisten – genau wie in jedem anderen Geschäft.
Fazit: Das OVG stärkt neue Geschäftsmodelle – und stellt das alte Ladenverständnis in Frage
Das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts bringt Klarheit in eine bisher rechtlich unsichere Frage: Automatenshops sind keine klassischen Läden – und fallen deshalb nicht unter das Ladenöffnungsrecht. Das bedeutet: Sie dürfen ohne Einschränkung rund um die Uhr geöffnet sein, auch an Sonn- und Feiertagen.
Damit stärkt das Gericht ein modernes, digitales Geschäftsmodell, das gerade in strukturschwachen Regionen großes Potenzial bietet. Gleichzeitig zeigt die Entscheidung, dass unser traditionelles Verständnis vom „Laden“ nicht mehr zu allen Formen des Handels passt. Für Betreiber:innen bringt das Urteil Rechtssicherheit und Planungsspielraum. Für Gemeinden bedeutet es: Wer Einfluss nehmen will, muss andere rechtliche Wege nutzen. Und für Verbraucher:innen heißt es: Der Einkauf am Automaten ist nicht nur praktisch, sondern auch rechtlich abgesichert.