Elektronische Kündigung statt Einwurf-Einschreiben?

Aktuell findet eine geplante Gesetzesänderung von Justizminister Marco Buschmann viel Beachtung in den Medien. Mittlerweile hat das Bundeskabinett ein Eckpunktepapier zum Bürokratieentlastungsgesetz beschlossen, das die von Buschmann geplanten Änderungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) beinhaltet.

Dabei soll es insbesondere um Formvorschriften im Rahmen von Kündigungen gehen. Aber welche Formvorschriften müssen derzeit eingehalten werden und was könnte sich dadurch für Arbeitgeber und Arbeitnehmer:innen ändern? Dazu haben wir unsere Expertin Silke Hendrix in einem Interview zum Thema befragt.

Das Wichtigste in Kürze

✅ Das Eckpunktepapier sieht vor, die elektronische Form als Standard für Vertragsabschlüsse und Kündigungen einzuführen.
✅ Derzeit ist die Schriftform der Standard, diese verlangt eine eigenhändige Unterschrift.
✅ Das Vorhaben ist Teil des Bürokratieentlastungsgesetzes. 
✅ Unsere Expertin Silke Hendrix, Rechtsanwältin im Arbeits- und Vertragsrecht, befürwortet die Veränderungen, macht aber auch auf Gefahren aufmerksam.

Buschmann will die Bürokratie in Deutschland abbauen 

Der Bundesjustizminister hat der deutschen Bürokratie den Kampf angesagt. Konkret ist geplant, dass die elektronische Form zum Standard im Rahmen von Vertragsabschlüssen bzw. Vertragsbeendigungen (z. B. Kündigungen) werden soll. 

Die von Buschmann vorgesehenen Änderungen könnten in verschiedenen Bereichen relevant werden. Wir haben bei unserer Expertin Silke Hendrix, Rechtsanwältin im Arbeits- und Vertragsrecht, einmal nachgefragt, was sich hier für Arbeitnehmer:innen ändern wird.

Liebe Silke, wann ist eine Kündigung eigentlich rechtlich wirksam?

„Aktuell ist es so, dass die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses schriftlich erfolgen muss, das steht in § 623 BGB. Das heißt, es braucht ein ausgedrucktes oder handgeschriebenes Schriftstück, das die Original-Unterschrift der ausstellenden Person trägt. 

Das bedeutet aktuell, dass eine Kündigung nicht per E-Mail, per WhatsApp oder sonstige Messenger-Dienste erfolgen kann – selbst dann nicht, wenn ein entsprechend unterschriebenes Dokument eingescannt wurde, da es dann an der Original-Unterschrift fehlt. Wenn das Schriftformerfordernis nicht eingehalten wird, ist die Kündigung rechtlich also nicht wirksam.

Weiterhin ist wichtig, dass die Kündigung auch zugeht. Das bedeutet, sie muss in den sogenannten Herrschaftsbereich (z. B. dem Briefkasten) der adressierten Person gelangen, so dass dieser von der Kündigung Kenntnis nehmen kann. Das ist vor allem für die Einhaltung der Kündigungsfrist wichtig. Es genügt nicht, dass die Kündigung rechtzeitig geschrieben wurde, sondern sie muss der empfangenden Person auch noch rechtzeitig zugehen. Und diesen Zugang sollte man möglichst auch beweisen können.“ 

Wenn die elektronische Kündigung eingeführt wird, was ändert sich dann konkret?

„Nach den Vorschlägen des Bundeskabinetts würde die eben erwähnte Schriftform wegfallen, d.h. es wäre nicht mehr nötig, dass das Dokument mit der Originalunterschrift zum Empfänger gelangt. Auch Kündigungen könnte man dann – wie die meisten anderen Erklärungen heute ja auch – z. B. per E-Mail, WhatsApp oder Ähnliches verschicken.

Fraglich ist meines Erachtens noch, ob dann das unterschriebene Dokument eingescannt oder abfotografiert werden muss (so wie es für die Kündigung von Wohnraum wohl im Eckpunktepapier vorgesehen ist) oder ob das komplett wegfällt und man eben nur einen Text ganz ohne Unterschrift schicken muss, was für die im Gesetz vorgesehene Textform (§ 126b BGB) ausreichen würde. Elektronische Form (§ 126a BGB) ist aber nochmal etwas anderes, hier ist aktuell eine qualifizierte elektronische Signatur erforderlich.“

Was meinst du, welche Gefahren können hier bestehen?

„Der Grund, weshalb aktuell die Schriftform für Kündigungen vorgesehen ist, ist unter anderem der Schutz vor Übereilung (sogenannte Warnfunktion). Der Gesetzgeber ging davon aus, dass es schnell mal passieren kann, dass Mitarbeiter:innen „im Eifer des Gefechts“, z. B. in einem Streit mit seinem Arbeitgeber, diesem sinngemäß mitteilt: „Ich habe die Nase voll, ich kündige“. 

Diesen Ausbruch können die Arbeitnehmer:innen dann später, wenn sich die Gemüter wieder abgekühlt haben, schnell bereuen. Deshalb sollen sie davor geschützt werden, übereilte Entscheidungen zu treffen. Bevor man ein Dokument erstellt und unterschreibt, denkt man ja meistens doch noch einmal darüber nach.“

Hürde zur Kündigung sinkt

„Dieser Schutz vor übereilten Entscheidungen fällt mit der Neuregelung natürlich zum Teil – aber nicht vollständig – weg. Eine E-Mail schreibt man zwar weniger spontan als man etwas mündlich ausspricht, die Hemmschwelle ist aber doch deutlich geringer als bei einem unterschriebenen Schriftstück, welches man ja auch noch zur Post bringen muss. Wie sich die Risikolage verändert, wird man meines Erachtens erst abschätzen können, wenn der genaue Gesetzesentwurf bekannt ist, erst dann wird man sehen, wie genau sich die bisherigen Formvorschriften ändern sollen.

Eine Gefahr ist aber in jedem Falle die Beweisbarkeit. Eine Kündigung stellt man heute sinnvollerweise entweder per Einwurf-Einschreiben oder mit Zeug:innen zu oder lässt sich den Erhalt von der empfangenden Person bestätigen. In der Regel wird daher kein Streit über die Frage entstehen, ob die Kündigung tatsächlich ausgesprochen wurde und zugegangen ist. Das entlastet insbesondere auch die Gerichte und bietet Rechtssicherheit – aus diesem Grund wurde § 623 BGB damals auch eingeführt. 

Diese Beweisfunktion gibt es bei der Text- oder elektronischen Form nicht in vergleichbarem Maße. Selbst wenn man beweisen kann, dass man eine Nachricht etwa per E-Mail abgesendet hat (E-Mail-Ausgang), bedeutet das noch lange nicht, dass sie der empfangenden Person auch zugegangen ist. Sie kann z. B. in einem Spam-Filter gelandet oder aus anderen Gründen nicht zur empfangenden Person gelangt sein. 

Dieses Risiko, die sog. Darlegungs-und Beweislast, trägt die kündigende Person. Diese kann zwar eine Lesebestätigung anfordern, gibt die adressierte Person diese aber nicht ab, hat die absendende Person ein Problem. Hier sehe ich das größte Risiko der Neuregelung.

Allerdings steht es ja auch weiterhin jedem frei, einen anderen Weg für die Übermittlung zu wählen, der mehr Sicherheit bietet, etwa ein (Computer-)Telefax.“

Was hältst du von den Vorschlägen, werden diese zu einer Entlastung führen?

„Für Arbeitnehmer:innen scheint mir die Entlastung durch die Neuregelung überschaubar zu sein –  allzu oft kündigt man als Arbeitnehmer:in ja normalerweise nicht und das eine Mal dann ein Schreiben zu erstellen und es zum Briefkasten zu tragen, ist wohl keine allzu große Belastung für Arbeitnehmer:innen. Und wenn wirklich die bisherige elektronische Form mit dem Erfordernis einer qualifizierten elektronischen Signatur ins Gesetz kommt – ganz ehrlich, davon werden nur für sehr wenige Arbeitnehmer:innen Gebrauch machen. 

Für Arbeitgeber ist die Entlastung schon spürbarer. In größeren Unternehmen müssen eben auch ab und an mal Kündigungen und manchmal auch gleich eine größere Anzahl ausgesprochen werden. Wenn diese dann immer von zwei Personen mit entsprechender Kündigungsvollmacht unterschrieben sein müssen, die sich vielleicht nicht am selben Standort befinden, kann das schon mal ganz schön Aufwand bedeuten, zumal das Dokument ja auch noch für die (digitale) Personalakte kopiert bzw gescannt werden muss. Hier würde der Prozess schon deutlich erleichtert.

Insgesamt sehe ich den Vorschlag durchaus positiv, vor allem enthält er ja noch einige weitere Aspekte. Meines Erachtens ist es wichtig, dass auch das Arbeitsrecht im 21. Jahrhundert ankommt. Und da ist es nun mal so, dass Kommunikation per E-Mail etc. an der Tagesordnung ist.

Deshalb bin ich persönlich auch überhaupt kein Fan des noch recht neuen Nachweisgesetzes, wonach für die Mitteilung der wesentlichen Arbeitsbedingungen Schriftform erforderlich ist. Hier hätte meines Erachtens von Anfang an Textform völlig genügt. 

Dies scheint aber auch das Bundeskabinett erkannt zu haben, denn auch das Nachweisgesetz soll angepasst werden. Außerdem soll es weitere Erleichterungen geben, unter anderem bei Anträgen auf Elternzeit, für Arbeitszeugnisse und sowie bei Aushangpflichten – in Summe durchaus ein paar Entlastungen für Arbeitgeber:innen.“

Was wünschst du dir für die Zukunft im Arbeitsrecht?

„Ich würde mir mit Blick auf das an vielen weiteren Stellen nicht mehr zeitgemäße Arbeitsrecht vom Gesetzgeber wünschen, nicht mal hier und mal da irgendwas auszubessern, sondern gesamtheitlich darauf zu schauen. 

Erforderlich sind Gesetze, die einen gesunden Ausgleich der berechtigten Schutzinteressen von Arbeitnehmer:innen einerseits und Bürokratie-Reduzierung für Arbeitgeber andererseits schaffen. Eine moderne Arbeitswelt braucht vor allem eins: praktikable Lösungen. Die aktuellen Änderungen gehen aber immerhin in die richtige Richtung.“

Ganz herzlichen Dank für das Interview und deine fachkundige Einschätzung, liebe Silke!

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