Was ist ein Tarifvertrag? Einfach erklärt

Tarifverträge sind für viele ein abstrakter Begriff – dabei betreffen sie Millionen Arbeitnehmer:innen in Deutschland direkt. Vor allem in Branchen wie dem öffentlichen Dienst, der Metall- und Elektroindustrie oder im Einzelhandel regeln Tarifverträge die Höhe der Gehälter, die Arbeitszeiten und viele andere wichtige Details. Doch wie genau kommt ein solcher Vertrag zustande, wer verhandelt darüber, und wann gilt ein Tarifvertrag überhaupt? Wir haben die Frage “Was ist ein Tarifvertrag?“ einfach erklärt.

In diesem Artikel bekommst du einen einfachen Überblick darüber, was Tarifverträge sind, welche Arten es gibt und wann sie Anwendung finden. So erfährst du, welche Rechte und Pflichten sich aus einem Tarifvertrag für dich ergeben können. 

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Das Wichtigste in Kürze

Definition und Zweck von Tarifverträgen: Tarifverträge sind schriftliche Vereinbarungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeber:innen, die Arbeitsbedingungen für ganze Branchen oder Gruppen regeln.
Wer kann Tarifverträge abschließen? Nur Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände bzw. einzelne Arbeitgeber:innen können Tarifverträge abschließen. Die Verhandlungen sind gesetzlich geregelt und führen oft zu verbindlichen Kompromissen.
Arten von Tarifverträgen: Es gibt verschiedene Tarifverträge, wie Lohn- und Gehaltstarifverträge, Manteltarifverträge und Rahmentarifverträge, die jeweils andere Aspekte der Arbeitsbedingungen festlegen.
So erkennst du “gute” Tarifverträge: Gute Tarifverträge zeichnen sich durch faire Löhne, Sozialleistungen, langfristige Regelungen und flexible Arbeitszeitmodelle aus.

Was ist ein Tarifvertrag? Einfach erklärt

Ein Tarifvertrag ist ein schriftlicher Vertrag, der die Arbeitsbedingungen für viele Arbeitnehmer:innen gleichzeitig festlegt. Er wird zwischen Gewerkschaften, die die Interessen der Beschäftigten vertreten, und Arbeitgeber:innen oder Arbeitgeberverbänden ausgehandelt. 

Der Vorteil eines Tarifvertrags liegt darin, dass nicht alle Arbeitnehmer:innen einzeln verhandeln müssen, sondern für eine ganze Branche oder Gruppe von Beschäftigten verbindliche Regelungen getroffen werden.

In einem Tarifvertrag werden wichtige Bedingungen wie Löhne, Arbeitszeiten, Urlaubsansprüche und oft auch Themen wie Kündigungsfristen oder Zuschläge für Überstunden geregelt. Die genaue Ausgestaltung kann dabei stark variieren und ist abhängig von der Branche und den Verhandlungen zwischen den Tarifparteien.

Warum Tarifvertrag abschließen?

Tarifverträge sind für Arbeitnehmer:innen oft eine große Sicherheit, denn sie legen Mindeststandards fest, die Unternehmen nicht einfach unterbieten dürfen. So können Arbeitnehmer:innen sicher sein, dass sie zumindest die im Tarifvertrag festgelegten Bedingungen erhalten – oder sogar bessere, wenn dies im individuellen Arbeitsvertrag so vereinbart wird.

Wer kann einen Tarifvertrag abschließen?

Tarifverträge können nicht von allen abgeschlossen werden. Um einen Tarifvertrag aushandeln und unterzeichnen zu können, muss man entweder eine Gewerkschaft oder ein Arbeitgeberverband sein – oder als einzelne:r Arbeitgeber:in direkt verhandeln. Das bedeutet, dass nur organisierte Gruppen, die die Interessen vieler Arbeitnehmer:innen oder Arbeitgeber:innen vertreten, dazu berechtigt sind.

Der Abschluss von Tarifverträgen ist im Tarifvertragsgesetz (TVG) geregelt.

Wer sind die Vertragspartner beim Tarifvertrag?

Nur die genannten Parteien, die sogenannte Tariffähigkeit besitzen, können solche Verträge abschließen (Gewerkschaften, einzelne Arbeitgeber:innen sowie Vereinigungen von Arbeitgeber:innen, § 2 Abs. 1 TVG). 

Es handelt sich um Gewerkschaften, wie zum Beispiel die IG Metall, ver.di oder die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Diese vertreten die Interessen der Beschäftigten und setzen sich dafür ein, dass faire Arbeitsbedingungen und gute Löhne im Tarifvertrag festgeschrieben werden. 

Arbeitgeber:innen werden entweder durch ihre Verbände, wie den Arbeitgeberverband Gesamtmetall, vertreten oder treten selbst als Vertragspartner:in auf.

Wie kommt ein Tarifvertrag zustande?

Ein Tarifvertrag entsteht durch Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeber:innen bzw. Arbeitgeberverbänden. Der Weg bis zum fertigen Tarifvertrag kann unterschiedlich lang und kompliziert sein, je nachdem, wie weit die Interessen der beiden Parteien auseinanderliegen.

Die Verhandlungen beginnen meist, wenn ein bestehender Tarifvertrag ausläuft oder einer der Vertragsparteien neue Bedingungen einfordert. Die Gewerkschaft setzt sich in der Regel für höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten oder bessere Arbeitsbedingungen ein, während die Arbeitgeberseite versucht, wirtschaftlich tragbare Lösungen zu finden.

Wenn sich die Parteien nicht einigen, kann es zu einem sogenannten Schlichtungsverfahren kommen. Hierbei vermittelt eine neutrale dritte Person, um eine Einigung zu erreichen. Führt auch das nicht zum Ziel, können Gewerkschaften mit Arbeitskampfmaßnahmen wie Warnstreiks oder Streiks Druck ausüben. Im besten Fall einigt man sich jedoch vorher auf einen Kompromiss und erstellt einen neuen Tarifvertrag, der dann für eine bestimmte Laufzeit gilt.

Ein fertiger Tarifvertrag wird schriftlich festgehalten und von beiden Parteien unterzeichnet (§ 1 TVG). Ab diesem Zeitpunkt ist er für die Mitglieder der Gewerkschaft und die tarifgebundenen Arbeitgeber:innen verbindlich.

Wann findet ein Tarifvertrag Anwendung?

Ein Tarifvertrag findet Anwendung, wenn beide Seiten – also Arbeitnehmer:in und Arbeitgeber:in – an eine tarifliche Vereinbarung gebunden sind. Das bedeutet konkret:

  • der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin muss Mitglied einer Gewerkschaft sein,
  • der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin muss einem Arbeitgeberverband angehören, der den Tarifvertrag mitverhandelt hat, oder selbst einen Tarifvertrag mit der Gewerkschaft abgeschlossen haben.

Eine besondere Rolle spielt dabei die sogenannte Allgemeinverbindlichkeitserklärung. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann einen Tarifvertrag allgemeinverbindlich erklären (§ 5 TVG). Das hat zur Folge, dass die Regelungen des Tarifvertrags auch für Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen gelten, die nicht Mitglied einer Gewerkschaft oder eines Arbeitgeberverbands sind. So wird sichergestellt, dass die Tarifbedingungen in einer bestimmten Branche flächendeckend Anwendung finden.

Gut zu wissen: Arbeitsverträge

Tarifverträge gelten auch dann, wenn im Arbeitsvertrag ausdrücklich auf sie verwiesen wird. In solchen Fällen verpflichten sich Arbeitgeber:in und Arbeitnehmer:in, die im Tarifvertrag festgelegten Bedingungen zu übernehmen. Das bedeutet, dass selbst Arbeitnehmer:innen, die nicht gewerkschaftlich organisiert sind, oft von tariflichen Regelungen profitieren können, wenn ihr Unternehmen den Tarifvertrag im Arbeitsvertrag einbezieht.

Welche Arten von Tarifverträgen gibt es?

In Deutschland gibt es verschiedene Arten von Tarifverträgen, die jeweils unterschiedliche Aspekte der Arbeitsbedingungen regeln. Die wichtigsten Tarifverträge sind:

Lohn- und Gehaltstarifvertrag

Dieser Tarifvertrag regelt die Höhe der Löhne und Gehälter für eine bestimmte Branche oder Berufsgruppe. Er hat meist eine kurze Laufzeit von etwa ein bis zwei Jahren, da sich die Höhe der Vergütung regelmäßig an die wirtschaftliche Lage und Preisentwicklung anpassen muss.

Manteltarifvertrag

Der Manteltarifvertrag legt allgemeine Arbeitsbedingungen fest, die über die Vergütung hinausgehen. Dazu gehören Arbeitszeiten, Urlaubstage, Kündigungsfristen und Zuschläge für Überstunden oder Nachtarbeit. Manteltarifverträge haben oft eine längere Laufzeit als Lohn- und Gehaltstarifverträge, da diese grundlegenden Bedingungen nicht so häufig geändert werden.

Rahmentarifvertrag

Ein Rahmentarifvertrag legt die Kriterien für die Eingruppierung in verschiedene Lohn- und Gehaltsgruppen fest. Dabei wird zum Beispiel nach Berufserfahrung, Qualifikation und Verantwortungsbereich differenziert. Dieser Vertrag gibt damit den Rahmen für die Entlohnung vor, ohne konkrete Gehälter zu nennen.

Sondertarifverträge

Diese Verträge gelten für spezielle Arbeitnehmergruppen oder bestimmte betriebliche Situationen. Beispielsweise gibt es Tarifverträge, die speziell für Auszubildende abgeschlossen werden oder Sonderregelungen für die Beschäftigung von Teilzeitkräften.

Wie viele Tarifverträge gibt es in Deutschland?

In Deutschland gibt es mehrere tausend Tarifverträge, die sich auf verschiedene Branchen, Regionen und Tätigkeitsfelder erstrecken. Schätzungen zufolge sind über 75.000 Tarifverträge registriert. Sie spielen eine wichtige Rolle, um flächendeckend faire Arbeitsbedingungen zu sichern und branchenspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen.

Wann gilt ein Tarifvertrag – wann nicht?

Ein Tarifvertrag gilt in der Regel dann, wenn beide Vertragsparteien, also Arbeitnehmer:in und Arbeitgeber:in, tarifgebunden sind. Allerdings gibt es auch Ausnahmen und Sonderfälle:

  1. Allgemeinverbindlicher Tarifvertrag: Wenn ein Tarifvertrag vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales für allgemeinverbindlich erklärt wird, gilt er auch für Betriebe und Beschäftigte, die keiner Gewerkschaft oder keinem Arbeitgeberverband angehören. Das passiert oft, wenn der Tarifvertrag in einer Branche eine besondere Bedeutung hat und möglichst flächendeckend gelten soll.
  2. Tarifvertrag durch Verweis im Arbeitsvertrag: Arbeitgeber:innen können auch freiwillig Tarifverträge anwenden, indem sie sie in den Arbeitsvertrag aufnehmen. In solchen Fällen verpflichten sich Arbeitgeber:innen, die tariflichen Regelungen anzuwenden, auch wenn keine der Parteien tarifgebunden ist.
  3. Außertarifliche Angestellte (AT-Angestellte): Manche Arbeitnehmer:innen fallen nicht unter den Tarifvertrag, obwohl ihr Unternehmen tarifgebunden ist. Außertarifliche Angestellte sind meist Führungskräfte oder Spezialist:innen, die über dem höchsten Tarifgehalt liegen. Für sie gelten oft individuelle Regelungen, die über die tariflichen Bestimmungen hinausgehen.

Gilt der Tarifvertrag also nicht, kommt es ausschließlich auf die Regelungen des individuellen Arbeitsvertrags und allgemeine arbeitsrechtliche Bestimmungen an.

Welcher Tarifvertrag ist der beste?

Die Frage nach dem „besten“ Tarifvertrag lässt sich nicht pauschal beantworten, da die Qualität eines Tarifvertrags stark von der jeweiligen Branche, der beruflichen Position und den individuellen Bedürfnissen der Beschäftigten abhängt. 

Es gibt jedoch einige Merkmale, die allgemein als vorteilhaft gelten:

  1. Hohe Tariflöhne und regelmäßige Anpassungen: Ein guter Tarifvertrag enthält faire Löhne, die regelmäßig an die Inflation und die allgemeine Lohnentwicklung angepasst werden. Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie sind oft bekannt für attraktive Gehälter und regelmäßige Erhöhungen.
  2. Umfangreiche Sozialleistungen: Manche Tarifverträge enthalten besondere Regelungen für Zusatzleistungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld, vermögenswirksame Leistungen oder zusätzliche Urlaubstage. Solche Zusatzleistungen steigern das Einkommen und sorgen für finanzielle Sicherheit.
  3. Langfristige Sicherheiten: Tarifverträge mit längeren Laufzeiten (z. B. Manteltarifverträge) bieten Arbeitnehmer:innen langfristige Planungssicherheit. Sie beinhalten oft Kündigungsfristen, Urlaubsansprüche und andere Arbeitsbedingungen, die nicht jedes Jahr neu verhandelt werden müssen.
  4. Flexible Arbeitszeiten: Viele moderne Tarifverträge berücksichtigen die Notwendigkeit flexibler Arbeitszeiten, insbesondere im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Tarifverträge im öffentlichen Dienst beispielsweise ermöglichen oft Gleitzeitmodelle und Teilzeitoptionen.

Letztlich hängt die Qualität eines Tarifvertrags von den Bedingungen ab, die für die Beschäftigten einer Branche besonders wichtig sind. Wer in einer tarifgebundenen Branche arbeitet, profitiert in den meisten Fällen von geregelten und oft auch besseren Bedingungen als ohne Tarifvertrag.

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