Das Strafrecht ist ein Rechtsgebiet, das viele Menschen interessiert. Straffälle füllen ganze Kriminalromane oder Sendungen im Fernsehen. Doch wie ist der Ablauf von einem Strafverfahren in Deutschland?
Das Strafrecht besteht nicht nur aus dem Strafgesetzbuch, in dem Straftaten wie Mord, Diebstahl oder Körperverletzung geregelt sind, sondern auch aus der Strafprozessordnung. Hier werden alle formellen Anforderungen an das Strafverfahren geregelt – und wie es nach den polizeilichen Ermittlungen weitergeht. Erfahre mehr darüber in diesem Beitrag.
Du möchtest in die Rechtswelt eintauchen? Dann bist du bei uns genau richtig. Auf unserer Plattform erklären wir dir einfach und verständlich spannende Rechtsfakten, informieren über die wichtigsten Rechtsnews und bereiten alles in unserem wöchentlichen Newsletter auf. Jetzt kostenlos abonnieren und bei Bedarf jederzeit widerrufen.
Das Wichtigste in Kürze
✅ Das Strafverfahren besteht aus 4 Phasen, die in der Strafprozessordnung geregelt sind: Dem Ermittlungsverfahren, dem Zwischenverfahren, dem Hauptverfahren und dem Vollstreckungsverfahren.
✅ Die Staatsanwaltschaft leitet die Ermittlungen. Dabei darf sie nicht nur belastende, sondern muss auch entlastende Beweise sammeln.
✅ Das Hauptverfahren ist das Kernstück des gesamten Prozesses. Hier entscheidet ein Gericht darüber, ob es zu einer Verurteilung kommt und welches Strafmaß angemessen ist.
✅ Kommt es zu einer Verurteilung, regelt das Vollstreckungsverfahren die Umsetzung der Strafe, zum Beispiel die Verbüßung einer Haftstrafe.
Strafverfahren: Die 4 Phasen
Auch wenn jedes Strafverfahren einzigartig ist und es immer um individuelle Taten, verschiedene Menschen und besondere Geschehnisse geht, ist das Verfahren in der Strafprozessordnung sehr klar geregelt. In diesem Gesetz befinden sich alle Normen, die nicht nur den Ablauf eines Strafverfahrens regeln, sondern auch die Rechte und Pflichten der Beteiligten. Um besser zu verstehen, wie Gerichte und Ermittlungsbehörden im Strafverfahren arbeiten, schauen wir uns die 4 Phasen einmal genauer an.
Das Ermittlungsverfahren
Die Phase, die die meisten Menschen zumindest aus Fernsehsendungen oder Krimi-Romanen kennen, ist das Ermittlungsverfahren. Es beginnt, wenn das Verfahren als Ganzes eingeleitet wird, meist durch eine Strafanzeige oder einen Strafantrag. Oder wenn die Polizei selbständig eigene Ermittlungen anstrengt.
Das Ermittlungsverfahren dient im Grunde der Vorbereitung des Hauptverfahrens vor Gericht. Die Ermittlungsbehörden müssen hier zunächst den genauen Sachverhalt ermitteln und Beweise sammeln. Dazu werden Zeug:innen befragt, Dokumente oder Gegenstände beschlagnahmt oder auch Wohnungen durchsucht.
Polizei oder Staatsanwaltschaft?
Auch wenn in Film und Fernsehen meist nur die Polizei präsent ist, leitet die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren. Deshalb wird sie auch die “Herrin des Ermittlungsverfahrens” genannt. Bei den Ermittlungen nutzt die Staatsanwaltschaft aber in der Regel die Hilfe der Polizei (§ 152 Abs. 2 StPO). Es handelt sich bei den beiden um Strafverfolgungsbehörden, die eng miteinander zusammenarbeiten.
Die Staatsanwaltschaft ist während des gesamten Verfahrens zur Neutralität verpflichtet (§ 160 Abs. 2 StPO). Das bedeutet, dass sie sowohl be- als auch entlastende Beweise für den Beschuldigten sammeln und in die Ermittlungen einbeziehen muss. Das unterscheidet die deutsche Staatsanwaltschaft zum Beispiel von der US-amerikanischen Staatsanwaltschaft.
Ergeben sich viele entlastende Beweise oder gibt es gar keine Beweise für den Tatvorwurf, gibt es keinen Anlass zur Klageerhebung. Das Strafverfahren wird in diesem Fall eingestellt (§ 170 Abs. 2 StPO). Der Grund: Die Staatsanwaltschaft darf nur Klage erheben, wenn eine Verurteilung wahrscheinlich ist, also die Wahrscheinlichkeit über 50 % liegt.
In einem Strafverfahren, das eingestellt wurde, wird nicht mehr ermittelt. Das heißt, niemand arbeitet mehr daran. Somit ist das Strafverfahren an dieser Stelle beendet. Kommt es aber anders und die Verurteilung erscheint wahrscheinlich, dann beginnt in der Regel das Zwischenverfahren.
Das Zwischenverfahren
Kommt die Staatsanwaltschaft nach den Ermittlungen zu dem Entschluss, dass eine Verurteilung wahrscheinlich ist, erhebt sie Anklage vor dem zuständigen Gericht. Das Zwischenverfahren ist also der nächste Schritt, nachdem die Anklage erhoben wurde.
In dem Fall prüft das Gericht, ob der Sachverhalt zu einer Anklage führt – oder eben nicht. Sieht das Gericht einen hinreichenden Tatverdacht für die Eröffnung eines Gerichtsverfahrens (Hauptverfahren), dann ergeht ein Eröffnungsbeschluss (§ 203 StPO). Teilt das Gericht hingegen nicht die Auffassung der Staatsanwaltschaft, ergeht ein Ablehnungsbeschluss (§ 204 StPO).
Was ist hinreichender Tatverdacht?
Ein hinreichender Tatverdacht liegt vor, wenn es aufgrund der Beweislage wahrscheinlich ist, dass die beschuldigte Person wegen einer Straftat verurteilt wird. Ist hinreichender Tatverdacht vorhanden, kann die Staatsanwaltschaft Anklage erheben oder einen Strafbefehl beantragen (§ 170 Abs. 1 StPO). Vorher ist ein Anfangsverdacht erforderlich, um das Ermittlungsverfahren einzuleiten (sog. Legalitätsgrundsatz, § 152 Abs. 2 StPO).
Bei einem dringenden Tatverdacht spricht eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass die beschuldigte Person eine Straftat begangen hat. In diesem Fall kann bis zum Hauptverfahren auch eine Untersuchungshaft angeordnet werden (§ 112 Abs. 1 StPO).
Das Hauptverfahren
Nach dem Eröffnungsbeschluss beginnt das Hauptverfahren, also die Verhandlung vor dem zuständigen Gericht. Das Gericht setzt dazu Termine fest und beschließt, wie viele Tage die Hauptverhandlung dauern soll. Das hängt maßgeblich davon ab, wie umfassend der Prozess ist, wie viele Beweise gesichtet werden müssen und wie viele Zeug:innen geladen sind.
Das ist wichtig, weil im Hauptverfahren das Mündlichkeitsprinzip gilt (§ 261 StPO). Dieses besagt, dass nur, was mündlich in den Prozess eingeführt wurde, auch Gegenstand des Urteils sein darf.
Ablauf des Hauptverfahrens
1. Die Staatsanwaltschaft verliest die Anklage.
2. Das Gericht befragt die angeklagte Person zu ihren persönlichen Angaben.
3. Die Strafverteidigung der angeklagten Person gibt eine Stellungnahme ab.
4. Die Zeug:innen und/oder Sachverständigen werden angehört, Beweise werden gesichtet.
5. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung halten ein Abschlussplädoyer.
6. Die angeklagte Person hat das letzte Wort.
7. Das Gericht berät sich über die Urteilsfindung.
8. Das Urteil wird verkündet.
Ein gesprochenes Urteil muss nach der Verkündung noch rechtskräftig werden. Das wird es, wenn keine Rechtsmittel eingelegt werden, nicht eingelegt werden können oder verworfen werden. Werden Rechtsmittel wirksam eingelegt, kann es nach dem Urteilsspruch noch zu einem Berufungs- oder Revisionsverfahren kommen.
Das Vollstreckungsverfahren
Kommt es zu einer rechtskräftigen Verurteilung, folgt das Vollstreckungsverfahren. Die verhängte Strafe muss ja schließlich auch vollzogen werden.
Strafvollstreckung kann zum einen bedeuten, dass geprüft wird, ob die verurteilte Person auch der Verurteilung nachkommt, indem zum Beispiel die Geldstrafe gezahlt wird oder sonstige Auflagen erfüllt werden.
Vollstreckung kann jedoch auch bedeuten, dass die Freiheitsstrafe vollzogen wird, die Verurteilten also in Haft kommen und ihre Strafe absitzen müssen.
Das sind deine Rechte im Strafverfahren
Natürlich finden sich in der Strafprozessordnung nicht nur Regelungen zum Ablauf des Strafverfahrens, sondern auch zu den Rechten und Pflichten der Beteiligten. Besonders wichtig sind dabei die Rechte der Beschuldigten.
In Deutschland steht jedem Menschen ein fairer Prozess zu – dazu gehören gewisse Spielregeln. Wirst du einer Straftat beschuldigt, müssen dich die Ermittlungsbehörden über deine Rechte belehren, zum Beispiel wenn du verhaftet wirst oder zur Vernehmung geladen bist.
Rechte von Beschuldigten
Im gesamten Strafverfahren hast du insbesondere folgende Rechte:
⚖️ Das Recht auf ein faires Verfahren: Dazu gehören insbesondere das Recht auf unabhängige Gerichte, das Recht auf rechtliches Gehör, ein Urteil in zumutbarer Zeit und das Recht auf effektive Verteidigung.
🤫 Das Recht zu schweigen: Beschuldigte sind nicht verpflichtet, sich zu den Vorwürfen gegen sie zu äußern und sich damit selbst zu belasten (“ne bis in idem”). Das Schweigen darf ihnen nicht zum Nachteil werden.
🤝 Das Recht auf juristische Unterstützung: In jedem Moment des Verfahrens haben Beschuldigte das Recht auf Strafverteidigung durch Strafverteidiger:innen oder Anwält:innen für Strafrecht. Sie müssen außerdem jederzeit Zugang zu Kontaktmöglichkeiten erhalten.
🔎 Das Recht auf eine ordentliche Vernehmung: Beschuldigte müssen vor einer Vernehmung über ihre Rechte belehrt werden. Außerdem dürfen sie nicht während der Vernehmung misshandelt oder getäuscht werden. Die Androhung von Gewalt oder Folter ist verboten.
👩🏽⚖️ Das Recht auf das letzte Wort: Im Hauptverfahren haben Angeklagte immer das Recht auf das letzte Wort.
Du suchst nach Unterstützung für ein Strafverfahren? Schau dich gerne auf unserer Kanzleisuche um. Hier findest du für jedes Anliegen eine passende Kanzlei. Du möchtest auf dem Laufenden bleiben und mehr über deine Rechte und Pflichten erfahren? Abonniere unseren Newsletter – kostenlos und jederzeit widerrufbar.
Fazit
Wie du siehst, ist das Strafverfahren in Deutschland sehr klar geregelt und hat viele Formalitäten, die erfüllt werden müssen. Das mag vielleicht auf den ersten Blick bürokratisch und umständlich wirken, hat aber einen wichtigen Grund. Durch ein so gut geregeltes Strafverfahren ist es möglich, dass jeder beschuldigten Person ein transparentes, faires Verfahren zuteil wird. So soll jeder Mensch gleich behandelt werden und auch wissen, was auf ihn zukommt. Das ist besonders wichtig in einem funktionierenden Rechtsstaat.