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Exhibitionismus – nur für Männer strafbar?

Der Straftatbestand des Exhibitionismus begegnet uns im Alltag und der öffentlichen Debatte eher selten – und das, obwohl er eine ganz wichtige Besonderheit hat: Exhibitionismus ist nur für Männer strafbar. 

Die Nacktheit von Männern scheint also in unserer Gesellschaft anders bewertet zu werden als die Nacktheit von Frauen. Aber warum ist das so? Und müsste dies nicht eine Debatte sein, die viel lauter geführt wird? Denn unser Grundgesetz sagt doch eindeutig: Alle Menschen sind gleich. Wir schauen uns die Sache einmal genauer an.

Das Wichtigste in Kürze

✅ Exhibitionismus ist tatsächlich nur für Männer bzw. nur bei der Entblößung der männlichen Genitalien strafbar.
✅ Exhibitionistische Handlungen können aber nur bestraft werden, wenn sie zu einer Belästigung einer anwesenden Person führen. 
✅ Frauen können sich auch strafbar machen – etwa wegen der Erregung des öffentlichen Ärgernisses
✅ Das Gesetz steht immer wieder in der Kritik, eine Änderung oder Streichung ist jedoch nicht geplant.

Was ist Exhibitionismus?

In § 183 StGB wird der Exhibitionismus nicht näher erläutert, hier steht nur: “Ein Mann, der eine andere Person durch eine exhibitionistische Handlung belästigt, wird (…) bestraft.” Doch was bedeutet exhibitionistische Handlung genau? 

Grundsätzlich versteht man unter Exhibitionismus die Entblößung von Geschlechtsorganen oder die Ausübung sexueller Aktivitäten in der Öffentlichkeit (Geschlechtsverkehr oder Masturbation). 

Wichtig für eine exhibitionistische Handlung ist aber auch der Kontext und die Reaktion der anderen Person(en) auf den Exhibitionismus. Durch das Entblößen oder die Nacktheit soll dabei die Aufmerksamkeit auf die handelnde Person gelenkt werden. In Bereichen, in denen die Nacktheit erwünscht oder normal ist (z. B. in der Sauna oder am FKK-Strand) spricht man daher nicht von Exhibitionismus – und dieser ist dann entsprechend auch nicht unter Strafe gestellt.

Wie ist die Rechtslage?

Der strafbare Exhibitionismus liegt erst dann vor, wenn sich eine zuschauende Person dadurch belästigt fühlt. Ist die andere Person nur verwundert oder belustigt von der Situation, reicht das grundsätzlich nicht für eine Strafbarkeit. 

Belästigung ist erfahrungsgemäß dann gegeben, wenn die Zuschauer:innen Scham, Ekel, Schrecken, Angst oder Entsetzen empfinden. Die Entblößung dient in der Regel dazu, sich durch die Reaktion der anderen Person sexuell zu erregen.

Wichtig ist auch, dass die Zuschauer:innen tatsächlich anwesend sind, damit es sich um eine exhibitionistische Handlung handelt. Eine Belästigung per Videochat oder durch das Zeigen von Fotos, Videos oder pornografischen Inhalten ist nicht nach § 183 StGB strafbar, kann jedoch unter Umständen unter die Verbreitung von pornografischen Inhalten nach § 184 StGB fallen.

Ist Exhibitionismus nur für Männer strafbar?

Tatsächlich ist § 183 StGB nur für Männer strafbar. Der Gesetzestext spricht ausdrücklich von einem Mann, der eine andere Person (…) belästigt. Damit ist eindeutig, dass nur männlich gelesene Personen sich des Exhibitionismus strafbar machen können. Opfer dieser Tat können hingegen sowohl Männer als auch Frauen sein. 

Übrigens: Exhibitionismus erfordert immer eine besondere Prüfung der Schuldfähigkeit der handelnden Person. Exhibitionistische Handlungen können nämlich auch in Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen vorkommen, die wiederum zu einer Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) oder zu einer verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) führen können. 

Warum ist Exhibitionismus nur für Männer strafbar?

Exhibitionistische Handlungen sind schon seit den 1950er Jahren, also seit der Einführung dieser rechtlichen Regelung, nur für Männer strafbar. Der Gesetzgeber begründete diese Beschränkung damals damit, dass exhibitionistische Handlungen von Frauen sehr selten vorkommen.

Auch eine Verfassungsbeschwerde im Jahr 1957 konnte dies nicht ändern, die Klage scheiterte. Anders als der deutsche Bundestag, nannten die Richter:innen hierzu verschiedene Gründe, die eine Ungleichbehandlung von Männern und Frauen in diese Hinsicht rechtfertigten. 

Die hervorgebrachten Gründe sind dabei unter anderem: 

  • Durch das größere weibliche Schamgefühl und die Zurückhaltung von Frauen würde weiblicher Exhibitionismus nicht nennenswert auftreten.
  • Außerdem sei bei Frauen die Sexualität fast immer mit Zärtlichkeit verbunden, weshalb Exhibitionismus für sie nicht erregend sei.
  • Die körperlichen Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Geschlechtsorganen würden es gebieten, hier eine Unterscheidung zu treffen, das männliche Geschlechtsorgan sei “drängender und fordernder”. 

Es ist aber auch annehmbar, dass die Straftat deshalb nur für Männer gilt, weil unsere Gesellschaft Männer- und Frauenkörper ganz unterschiedlich betrachtet. Gerade durch die #MeToo-Bewegung ist noch einmal klar geworden, dass das Thema einer ausgiebigen gesellschaftlichen Diskussion bedarf. So wird die Nacktheit von Frauen in Werbespots und Co. immer noch als Kaufanreiz genutzt (“Sex Sells”). Möglich ist deshalb, dass aufgrund dieser unterschiedlichen Bewertung eine exhibitionistische Handlung durch Frauen fast nie in Betracht kommt, insbesondere weil ohne weiteres angenommen wird, dass sich die Gesellschaft dadurch nicht belästigt fühlt. 

Exhibitionismus bleibt wohl weiterhin nur für Männer strafbar

Vor dem Gesetz sollten alle Menschen gleichgestellt sein – wie es Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz vorschreibt. Aber auch in einem Urteil aus 2002 bekräftigte das Bundesverfassungsgericht noch einmal die Entscheidung von 1957 und legitimierte die Ungleichbehandlung von Mann und Frau in dieser Hinsicht.

Dass damit nicht alle Menschen einverstanden sind, zeigt eine Petition, die es 2017 in den Petitionsausschuss des Bundestages geschafft hat und eine Gleichstellung des § 183 StGB fordert. Der Petitionsausschuss unterstützte damals die Forderung nach einer Umformulierung des Paragraphen. Auch eine Streichung wurde damals diskutiert. Die Bundesregierung sah damals zwar den Handlungsbedarf, umgesetzt wurde das Vorhaben der Großen Koalition jedoch nicht.

Für Frauen kommt bei exhibitionistischen Handlungen weiterhin eine Strafbarkeit wegen § 183a StGB, also wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses, in Betracht. Einen Straftatbestand, der explizit nur für Frauen gilt, sucht man im Strafgesetzbuch vergeblich. Einzig die Regelung des Schwangerschaftsabbruchs (§§ 218 ff. StGB) gelten nur für schwangere Personen, sprich für biologische Frauen bzw. gebärfähige Menschen. 

Fazit

Trotz anhaltender Kritik ist Exhibitionismus weiterhin nur für Männer strafbar. Problematisch ist das auch deshalb, weil § 183 StGB auf einem nationalsozialistischen Erlass beruht. Nicht nur aus Gründen der Gleichberechtigung stellt sich daher die Frage, ob der Paragraph nicht längst überholt ist. 

Dennoch ist er weiterhin Teil des Strafgesetzbuches und sollte deshalb nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Solltest du des Exhibitionismus beschuldigt oder durch einen Exhibitionisten belästigt werden, suche am besten schnellstmöglich eine Kanzlei für Strafrecht auf. Schau dazu gerne auf unserer Kanzleisuche vorbei.

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