Ein durchschnittlicher Morgen, du hast deine Tasse Kaffee in der Hand und die alltägliche Routine beginnt. Doch plötzlich ändert sich die Atmosphäre. Deine Vorgesetzte kommt mit ernster Miene in dein Büro und sagt: “Wir müssen da über eine Angelegenheit sprechen”. Sie übergibt dir eine Abmahnung. Der Schock sitzt tief. Du hast eine Abmahnung erhalten: Was tun?
Ist der erste Schreck überwunden, heißt es, einen kühlen Kopf zu bewahren und sich auf einen strategisch klugen Kurs zu begeben. Dieser Artikel zeigt dir, wie du auf eine Abmahnung reagieren kannst. Unser Experte Daniel Mantel, Fachanwalt für Arbeitsrecht, gibt dir Empfehlungen für diese besondere Situation.
Das Wichtigste in Kürze
✅ Auf eine Abmahnung kann man auf 3 Arten reagieren: mit einer Gegendarstellung, mit einer Aufforderung zur Rücknahme und Klage oder mit keiner Reaktion.
✅ Weder für die Gegendarstellung noch für die Klage gibt es eine Frist. Beides ist so lange möglich, wie die Abmahnung für das Arbeitsverhältnis noch von Bedeutung ist.
✅ In der Regel ist es ratsam, auf eine Abmahnung erst einmal nicht zu reagieren und sie später im Rahmen des Kündigungsprozesses zu beanstanden.
✅ Wenn du dein Arbeitsverhältnis auflösen möchtest, kann es jedoch sinnvoll sein, eine Abmahnung sofort anzugreifen.
Wann ist eine Abmahnung wirksam?
Für die Frage, wie man auf eine Abmahnung richtig reagiert, ist es wichtig zu prüfen, ob die Abmahnung überhaupt wirksam ist.
👉🏼 Voraussetzungen
Eine wirksame Abmahnung muss
(1) das Fehlverhalten genau dokumentieren, also Datum, Uhrzeit, genauer Vorwurf (Dokumentationsfunktion),
(2) das Verhalten rügen (Rügefunktion),
(3) zum künftigen ordnungsgemäßen Verhalten auffordern und
(4) für den Wiederholungsfall arbeitsrechtliche Konsequenzen androhen (Warnfunktion).
Das kann zum Beispiel so aussehen:
“Sie sind am 28.10.2017 erst um 8:12 Uhr und damit 42 Minuten verspätet zur Arbeit erschienen (1). Damit haben Sie Ihre Vertragspflichten verletzt (2). Wir erwarten, dass Sie in Zukunft pünktlich um 7:30 Uhr Ihre Arbeit aufnehmen (3). Im Wiederholungsfall behalten wir uns arbeitsrechtliche Sanktionen bis hin zur Kündigung vor (4).”
Grundsätzlich gibt es keine Frist, innerhalb der die Abmahnung zu erfolgen hat. Damit die Abmahnung ihre Warnfunktion aber erfüllt, muss sie zeitnah nach Feststellung des Fehlverhaltens erfolgen, in der Regel innerhalb weniger Wochen.
Wie reagiere ich auf eine Abmahnung?
Hast du eine Abmahnung erhalten und du bist mit ihr nicht einverstanden, hast du folgende Reaktionsmöglichkeiten:
- Einreichung einer Gegendarstellung
- Aufforderung und Klage zur Rücknahme
- Keine Reaktion
Schauen wir uns die einzelnen Möglichkeiten einmal genauer an.
Gegendarstellung zur Abmahnung
Als Gegendarstellung wird ein Schreiben bezeichnet, in dem du deine Sichtweise zu den Vorwürfen darlegst. Deine Gegendarstellung muss zusammen mit der Abmahnung in die Personalakte aufgenommen werden. Eine bestimmte Frist für die Gegendarstellung gibt es nicht.
Aufforderung zur Rücknahme der Abmahnung und Klage
Als „schärfere“ Alternative zur Gegendarstellung kannst du deine:n Arbeitgeber:in auch zunächst außergerichtlich auffordern, die Abmahnung aus deiner Personalakte zu entfernen.
Sofern dies nicht erfolgt, kannst du in einem nächsten Schritt die Rücknahme vor dem Arbeitsgericht einklagen. Das Arbeitsgericht prüft dann, ob die Abmahnung wirksam ist. Wenn ja, verbleibt sie in der Personalakte. Wenn nein, wird das Arbeitsgericht entscheiden, dass sie aus der Personalakte entfernt werden muss.
Es gibt keine Frist, innerhalb der gegen die Abmahnung zu klagen ist. Es ist aber möglich, dass du dein Klagerecht verwirkst. In diesem Fall kannst du keine Klage mehr erheben. Ob dies der Fall ist, hängt immer vom Einzelfall ab.
Gut zu wissen 💡
Grundsätzlich gilt, dass eine Klage gegen eine Abmahnung nur möglich ist, wenn diese aktuell noch von Bedeutung für das Arbeitsverhältnis ist. In den letzten Jahren hat die Rechtsprechung bei Kündigungen immer geprüft, ob das Arbeitsverhältnis störungsfrei verlaufen ist, d.h. ob es Abmahnungen gab. Eine Abmahnung bleibt daher in der Regel auch nach mehreren Jahren noch bedeutend.
Keine Reaktion auf die Abmahnung
Eine weitere Möglichkeit, auf eine Abmahnung zu reagieren, ist nicht zu reagieren. Du kannst einfach abwarten, bis die Abmahnung wieder relevant wird, z. B. im Zusammenhang mit einer späteren Kündigung.
Vor einer Kündigung muss grundsätzlich eine Abmahnung als milderes Mittel erfolgen. Andernfalls wird die Kündigung in der Regel unwirksam sein.
Wenn du dich gegen die Kündigung wehren möchtest, musst du eine Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht einreichen. In diesem Kündigungsschutzprozess prüft das Gericht dann auch die Rechtmäßigkeit des Schreibens.
Wenn die Abmahnung unwirksam ist, ist die Kündigung in der Regel auch unwirksam. Das heißt: Du wirst in diesem Fall den Prozess gewinnen und dein Arbeitsverhältnis bleibt bestehen.
Abmahnung erhalten: Was tun?
Wie du auf eine Abmahnung richtig reagierst, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Vor allem ist von Bedeutung, ob du gerne weiterhin in deinem aktuellen Job arbeiten möchtest.
Wenn dies der Fall ist, empfiehlt es sich, vorerst nicht gegen die Abmahnung vorzugehen und keinen weiteren „Staub aufzuwirbeln“. Solltest du dann tatsächlich gekündigt werden, ist der Kündigungsschutzprozess der richtige Zeitpunkt, um die Abmahnung anzugreifen. Dies hat für dich zudem den Vorteil, dass die Zeit für dich spielt. Arbeitgebende müssen nämlich die Gründe für die Abmahnung darlegen und beweisen. Dies ist umso schwieriger, je länger der Sachverhalt zurückliegt.
Wenn du dein Arbeitsverhältnis gerne beenden möchtest, kann es sinnvoll sein, die Abmahnung unmittelbar anzugreifen. Auf diese Weise besteht die Möglichkeit, dass du in ein Gespräch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eintreten kannst. Ziel ist es dann, eine Abfindung zu verhandeln. Da es grundsätzlich keinen Anspruch auf eine Abfindung gibt, würdest du im Falle einer Eigenkündigung nämlich leer ausgehen.
Fazit
Hast du eine Abmahnung erhalten, heißt es erst einmal Ruhe und einen kühlen Kopf bewahren. Eine Abmahnung ist oft eine Reaktion auf Fehlverhalten und ein Wunsch nach Besserung in der Zukunft. Sie ist nicht immer zwangsläufig ein Vorbote einer Kündigung.
Wie du auf eine Abmahnung reagierst, hängt maßgeblich von der Frage ab, ob du gerne in deinem Job bleiben oder das Arbeitsverhältnis lieber beenden möchtest. Auch wenn es sich komisch anfühlen mag, aus rechtlicher Hinsicht ist es oftmals die beste Lösung, auf eine Abmahnung gar nicht zu reagieren. Bei Fragen wende dich gerne direkt an mich.
Daniel Mantel
ist Fachanwalt für Arbeitsrecht & DAI-zertifiziert im Kündigungsschutzrecht.
Ich betreue Führungskräfte, Arbeitnehmende, Arbeitgebende und Betriebsräte. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt u. a. in der Beratung rund um Kündigungen, Abfindungen, Aufhebungen und Bonusansprüche, in der Vertragsgestaltung sowie in allen Fragen des Betriebsverfassungsrechts.
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