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Unproduktiv im Home Office? Arbeitgeber trifft die Beweislast

Um die Produktivität im Home Office ranken sich viele Gerüchte. Während die einen in den eigenen vier Wänden deutlich konzentrierter arbeiten können, finden die anderen zwischen diversen Haushaltsaufgaben kaum noch eine freie Minute für die Arbeit. 

Nichtsdestotrotz bedeutet Home Office nicht gleich Freizeit. Was aber, wenn Arbeitgeber:innen der Meinung sind, dass Arbeitnehmer:innen im Home Office zu wenig leisten? Kann dies zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen? 

Grundsätzlich schon, sagt das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern in seinem Urteil vom 28.09.2023 (AZ: 5 Sa 15/23). Dass weniger gearbeitet wurde, müssen jedoch die Arbeitgeber:innen den Arbeitnehmer:innen nachweisen. Wir haben uns das Urteil für euch genauer angeschaut.

Das Wichtigste in Kürze

✅ Ein Arbeitsvertrag verpflichtet Arbeitnehmer:innen zur Ableistung von Arbeit. Auch im Home Office müssen die Arbeitsleistungen stimmen.
✅ Ist dies nicht der Fall, kann die Rückzahlung von Arbeitsentgelt im Raum stehen.
Arbeitgeber:innen müssen nachweisen, dass Arbeitnehmer:innen ihren Pflichten nicht nachgekommen sind.
✅ So können unter anderem E-Mails beweisen, dass auch aus dem Home Office Arbeitsleistungen stattfinden.

Was steht im Arbeitsvertrag?

Wenn zwischen zwei Parteien ein Arbeitsvertrag nach § 611a BGB geschlossen wird, dann hat die Arbeitnehmerseite die Pflicht, Arbeit zu leisten, während die Arbeitgeberseite die geleistete Arbeit entsprechend entlohnen muss. Um diesen Grundsatz noch einmal deutlich zu machen, gibt es im Arbeitsrecht den Spruch: “Kein Lohn ohne Arbeit.“

Die Pflicht zum Erbringen der Arbeitsleistung ist eine sogenannte Fixschuld. Die Arbeitsleistung wird also genau an den abgesprochenen Arbeitstagen und Zeiten geschuldet und kann nicht nachgeholt werden. 

Was ist eine Fixschuld?

Ein Fixgeschäft ist ein Geschäft, bei dem der Zeitpunkt der Leistung eine elementare Rolle für den Vertrag hat. Als Beispiel kann man sich einen die Bestellung einer Hochzeitstorte vorstellen. Bestellt man in der Konditorei eine Hochzeitstorte, so muss diese unbedingt am Tag der Hochzeit geliefert werden und nicht erst zwei Tage später.

Der Zeitpunkt der Leistung ist demnach so wichtig, dass er Teil des Vertrages geworden ist. Wird die Torte zwei Tage zu spät geliefert, so kann der Vertrag unter Umständen so behandelt werden, als wäre die Torte nie geliefert worden, denn für das Brautpaar ist die Torte nach der Hochzeit nunmehr unbrauchbar. 

Arbeitnehmerin wird vorgeworfen, im Home Office nicht gearbeitet zu haben

In dem Fall, der vor dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (LAG) verhandelt wurde, ging es um genau so eine Situation. Eine Arbeitnehmerin war als Pflegefachkraft in einer Pflegeeinrichtung tätig. Im Rahmen ihrer Tätigkeit war das Arbeiten aus dem Home Office gestattet. Die Arbeitszeiten aus dem Home Office wurden in einer dafür vorgesehenen Tabelle erfasst. Ein Ziel ihrer Tätigkeit war das Abliefern eines vollständigen Qualitätshandbuches.

Nachdem sie dieses nach einiger Zeit nicht vollständig abgeliefert hatte, war der Arbeitgeber allerdings der Meinung, dass die Ergebnisse nicht zu den abgerechneten Stunden passen würden. Daraufhin forderte der Arbeitgeber Teile des gezahlten Gehalts zurück. Der Grund: die Arbeitnehmerin hätte im Home Office nicht produktiv gearbeitet.

“Kein Lohn ohne Arbeit” gilt auch im Home Office

Das LAG bestätigte zunächst, dass der Grundsatz „kein Lohn ohne Arbeit“ auch im Home Office gilt. Das Home Office dürfe sich von der Produktivität grundsätzlich nicht vom Arbeiten im Büro unterscheiden. Wenn Arbeitnehmer:innen im Home Office stark an Produktivität verlieren oder Stunden erfassen, in denen sie nicht gearbeitet haben, dann kann das zu Gehaltskürzungen führen. 

Wer muss fehlende Produktivität im Home Office beweisen?

Nun stellt sich allerdings die Frage, wie und durch wen die Unproduktivität zu beweisen ist. Natürlich fällt es irgendwann auf, wenn die Arbeitsergebnisse nicht zu dem abgerechneten Aufwand passen. Im normalen Büroalltag können Arbeitgeber:innen den Arbeitsfortschritt ihrer Arbeitnehmer:innen deutlich besser einsehen und merken unter Umständen auch, wenn diese nicht arbeiten oder häufig unkonzentriert sind.

Im Home Office kann es dagegen sehr schwierig sein nachzuvollziehen, ob jemand tatsächlich arbeitet, länger braucht als sonst oder überhaupt nicht arbeitet.

Nun könnte man denken, dass Arbeitnehmer:innen in der Pflicht sind zu beweisen, dass sie in den angegebenen Stunden auch wirklich gearbeitet haben. Dem ist allerdings – nach Ansicht des LAG Mecklenburg-Vorpommern – nicht so.

Beweislast liegt bei Arbeitgeber:innen

Die Beweis- und Darlegungslast für die Arbeitsleistung treffe die Arbeitgeberseite.

Was bedeutet Beweis- und Darlegungslast?

Unter der Beweislast versteht man in einem Prozess vor Gericht die Pflicht, einer Seite bestimmte Umstände zu beweisen. So muss meist die klagende Person beweisen, dass sie von einem anderen geschädigt wurde. Kläger K muss beweisen, dass es wirklich der Beklagte B war, der ihm ins Auto gefahren ist und nicht ein Dritter. 

Die Darlegungslast bedeutet, dass man die bewiesenen Umstände dann im Prozess auch vorbringen muss. Kläger K muss im Prozess also auch die gesammelten Beweise für die Schuld des Beklagten offenlegen. 

Das bedeutet also, dass Arbeitgeber:innen eindeutig beweisen müssen, dass Arbeitnehmer:innen nicht die Arbeitsleistung erbracht haben, die sie erbringen sollten. Im vorliegenden Fall reiche das nicht vollständige Qualitätshandbuch, welches die Angestellte eingereicht hatte, nicht aus, um zu beweisen, dass sie gar nicht gearbeitet habe.

So sei anhand diverser Mails, die die Angestellte in ihrer Arbeitszeit aus dem Home Office verschickt hatte, deutlich geworden, dass sie sehr wohl in dieser Zeit gearbeitet habe. Dem Arbeitgeber stehe es also nicht zu, den ausgezahlten Lohn zurückzufordern.

Fazit

Arbeitnehmer:innen, die aus dem Home Office arbeiten, müssen nicht in ständiger Sorge sein, alle ihre Tätigkeiten genauestens zu dokumentieren, um ihre Produktivität nachweisen zu können. Vielmehr stehen Arbeitgeber:innen in der Pflicht zu beweisen, dass Arbeitnehmer:innen nicht oder nicht vertragsgemäß gearbeitet haben. 

Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat die Revision nicht zugelassen. Das bedeutet, dass das Urteil erst einmal steht.

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