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Staatsanwältin Anne Brorhilker geht – was bleibt?

In den letzten Wochen hat eine Nachricht die Rechtswelt besonders beschäftigt:  Das Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis von Anne Brorhilker war Anlass diverser Diskussionen. 

Aber wer ist Staatsanwältin Anne Brorhilker, welche Aufgabe hatte sie als Staatsanwältin und was passiert nach ihrem Ausscheiden? Diese Fragen haben wir für euch beantwortet.

Das Wichtigste in Kürze

✅ Die Staatsanwaltschaft ist eine Anklagebehörde, die je nach Verdachtsgrad potentielle Täter:innen anklagt.
✅ Frau Brorhilker ist Staatsanwältin und hat die Strafverfolgung von Cum-Ex Geschäften erheblich vorangetrieben.
✅ Bereits im Jahr 2020 kam es zu Streitigkeiten in der Staatsanwaltschaft Köln.
✅ Frau Brauhilker hat angekündigt, die Staatsanwaltschaft zu verlassen und gibt damit u.a. Pensionsansprüche auf.

Cum Ex: Staatsanwaltschaft auf den Spuren der Finanzbetrüger

Anne Brorhilker arbeitet bei der Staatsanwaltschaft Köln. Sie verfolgt in ihrem Amt als Staatsanwältin Straftaten und klagt diese vor Gericht an. In Deutschland werden einige Straftaten nicht von den Opfern selbst, sondern vom Staat angeklagt. Dafür ist die Staatsanwaltschaft zuständig.

Nachdem ein Opfer bei der Polizei eine Anzeige erstattet hat, leitet diese die erlangten Informationen an die Staatsanwaltschaft weiter. Die Staatsanwält:innen entscheiden dann, ob und in welchem Maße Ermittlungen erfolgen. Ergeben die Ermittlungen einen ausreichenden Verdacht, dann entscheiden die Staatsanwält:innen, ob es zu einer Anklage vor Gericht kommen soll. Das Opfer kann im Prozess als Zeuge oder als sog. Nebenkläger auftreten.

Welche Verdachtsgrade gibt es im Strafrecht?

Im  deutschen Strafverfahren gibt es drei Verdachtsgrade. Zunächst den Anfangsverdacht. Dieser ist gegeben, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die die Straftat als möglich erscheinen lassen. Ein Anfangsverdacht ist notwendig, um mit den Ermittlungen durch die Polizei und Staatsanwaltschaft zu beginnen. Der Anfangsverdacht schützt Beschuldigte vor unbegründeten Ermittlungsmaßnahmen. 

Der nächst stärkere Verdachtsgrad ist der hinreichende Tatverdacht. Dieser Verdacht liegt vor, wenn bei Betrachtung der Umstände eine Verurteilung wahrscheinlich wäre. Nur wenn ein Verdacht auch ein hinreichender Tatverdacht ist, wird Anklage erhoben. Ansonsten wird das Verfahren in der Regel eingestellt oder außergerichtlich behandelt.

Beim dringenden Tatverdacht muss eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehen, dass die beschuldigte Person auch tatsächlich schuldig ist. Diese Art von Verdacht muss vorliegen, um z. B. freiheitsentziehende Maßnahmen wie Untersuchungshaft anzuordnen. Häufig wird U-Haft angeordnet, wenn die Gefahr besteht, dass die beschuldigte Person bis zum Gerichtsprozess nicht mehr auffindbar sein wird.

Achtung!

Eine Anklage bedeutet nicht gleich eine Verurteilung. Wer von der Staatsanwaltschaft angeklagt wird, muss sich vor Gericht einem Strafprozess stellen. Am Ende entscheiden Richter:innen nach der Anhörung der Staatsanwaltschaft und der angeklagten Person, ob es zu einer Verurteilung oder einem Freispruch kommt und welche Strafe angemessen ist.  

Wie funktioniert die Staatsanwaltschaft?

Die Staatsanwaltschaft ist eine Behörde, also ein staatliches Organ. Bei ihr sind neben den Staatsanwält:innen auch Rechtspfleger:innen und diverse andere Beamt:innen angestellt. 

Die Behörde wird von einer leitenden Oberstaatsanwältin oder einem leitenden Oberstaatsanwalt geführt. Die innere Organisation der Staatsanwaltschaft hängt vom Einzelfall ab. Dabei wird die Behörde oft in Fachbereiche wie z. B. Kapitalstraftaten, politische Strafsachen, Clankriminalität oder auch Wirtschaftssachen unterteilt.

Anne Brorhilker war zuletzt als Oberstaatsanwältin der Staatsanwaltschaft Köln in der Hauptabteilung Cum-Ex tätig. In dieser Abteilung arbeiten derzeit bis zu 40 Staatsanwält:innen an der Aufklärung von Cum-Ex Fällen. Innerhalb dieser Behörde waren über 100 Verfahren mit Bezug zum sog. Cum-Ex Skandal anhängig. Die Staatsanwält:innen hatten und haben es dabei mit über 1.500 Beschuldigten zu tun. 

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Worum geht es beim Cum-Ex-Skandal?

Der Cum-Ex-Skandal ist ein Steuerskandal. Dabei haben Personen unter dem Vorwand einer vermeintlichen Gesetzeslücke Steuerrückzahlungen erhalten. Das Problem dabei? Die Steuern wurden überhaupt nicht gezahlt. Zwischen den Jahren 2001 und 2011 sollen dem Staat und somit auch den Steuerzahler:innen ein Schaden von 10 Milliarden Euro entstanden sein. 

Nachdem diese Praxis den Strafbehörden aufgefallen war, kamen die Ermittlungen nur schwer in Gang. Nur wenige Staatsanwält:innen nahmen sich der komplexen Ermittlung dieses besonderen Skandals an. Eine davon ist Anne Brorhilker. Seit 2013 ermittelte sie gegen Beschuldigte in Cum-Ex-Verfahren. Für dieses Engagement wurde sie von vielen Seiten öffentlich gelobt. 

Probleme bei der Aufarbeitung des Cum-Ex-Skandals

Bereits im Jahr 2020 sorgte der Justizminister von NRW Benjamin Limbach mit einem Vorhaben für Aufsehen, bei dem er die Steuerabteilung mit dem Schwerpunkt Cum-Ex in der Staatsanwaltschaft Köln umstrukturieren wollte. 

Sein Plan: Die Abteilung aufsplitten und einen zweiten Abteilungsleiter einsetzen. Eigenen Aussagen nach wollte der Minister damit Anne Brorhilker entlasten. In der öffentlichen Wahrnehmung setzte sich aber viel mehr das Bild durch, er wolle sie entmachten.

Nachdem viel Kritik an den Plänen laut geworden war, zog Limbach sein Vorhaben zurück. Stattdessen wurden der Abteilung von Brorhilker neue Stellen versprochen.

Brorhilker verlässt die Staatsanwaltschaft

Eine Entwicklung, mit der allerdings nicht viele gerechnet hätten, ereignete sich im Mai 2024. Informationen des WDR zufolge werde Oberstaatsanwältin Brorhilker die Staatsanwaltschaft Köln verlassen. Damit verlässt ausgerechnet die Person, die sich in den Augen der Öffentlichkeit am meisten für eine Aufklärung der Cum-Ex-Affäre eingesetzt hat, die Behörde, die hauptsächlich für die Ermittlungen in diesem Fall zuständig ist. 

Während sie betont, dass ihre Abteilung gut auf die Strafverfolgung der Cum-Ex-Geschäfte vorbereitet ist, wird in den sozialen Medien kontrovers diskutiert, wie es nun mit den Ermittlungen weitergehen wird.

Grundsätzlich sind Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht an eine:n Staatsanwält:in gebunden. Das bedeutet, dass ohne Probleme auch andere Staatsanwält:innen die Ermittlungen und die Anklage übernehmen können. Ob das auch in der Realität klappt, wird sich zeigen.

Was passiert, wenn eine Staatsanwältin kündigt?

Eine Oberstaatsanwältin ist eine Beamtin im öffentlichen Dienst. Das Beamtenverhältnis ist in Deutschland grundsätzlich auf Lebenszeit angelegt und soll dafür sorgen, dass Beamt:innen ihren Job ohne Zukunftssorgen ausüben können. 

Beamt:innen erhalten monatliche Bezüge, Zuschüsse zur Krankenversicherung und haben in der Rente ebenso einen Anspruch auf Pensionszahlungen. Doch Beamt:innen können auch aus dem Beamtenverhältnis entlassen werden. Das geht zum einen dann, wenn sie direkt durch ihre Vorgesetzten entlassen werden oder wenn sie selbst die Entlassung beantragen. 

Wird die Entlassung beantragt, so fallen aber auch die Pensionsansprüche weg. Für Beamt:innen ist dieser Weg also durchaus mit einem hohen wirtschaftlichen Risiko belastet. 

Fazit

Warum Frau Brorhilker die Staatsanwaltschaft Köln verlässt, lässt sich nur mutmaßen. Besonders aufsehenerregend ist allerdings, dass sie einige der wenigen Staatsanwältinnen ist, die sich sehr intensiv mit der Verfolgung von Cum-Ex-Straftaten befasst hat. 

Dabei hat sie nicht nur im Rahmen der Ermittlungen, sondern auch in der eigenen Behörde gegen Widerstände kämpfen müssen. Für die Beschuldigten in den Cum-Ex-Verfahren ist diese Entwicklung kein Freifahrtschein. Die Verfahren gegen sie werden weiter von anderen Staatsanwält:innen vorangetrieben. Wir bleiben für euch dran!

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