Mal eben etwas im Internet recherchieren, den Fahrplan der S-Bahn herunterladen oder einen Urlaub buchen. Dies und mehr ist für viele von uns problemlos möglich. Was aber, wenn man keinen uneingeschränkten Zugang zu Webseiten und Onlineshops hat?
Für Menschen mit Behinderung kommen viele Internetseiten einer Treppe ohne Fahrstuhl gleich. Wer z. B. eine Sehbehinderung hat, kann viele Webseiten möglicherweise nicht ohne weiteres lesen können. Um Barrieren auch im digitalen Bereich abzubauen, hat der Bundestag mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) ein Gesetz erlassen, das auch Unternehmer:innen und Unternehmen aus der freien Wirtschaft in die Pflicht nimmt und für mehr Barrierefreiheit sorgen soll.
Was digitale Barrierefreiheit bedeutet, welche Regelungen neu sind und ab wann diese gelten, haben wir für euch zusammengefasst.
Das Wichtigste in Kürze
✅ Das BFSG verpflichtet zum ersten Mal auch Wirtschaftsunternehmen zur Barrierefreiheit, vorher galten die Verpflichtungen nur für öffentliche Einrichtungen
✅ Das Gesetz setzt eine europäische Richtlinie, den europäischen Accessibility Act, um
✅ Die Regelungen richten sich an Anbieter:innen von digitalen Produkten und Dienstleistungen Barrierefreiheit vor
✅ Ab Mitte 2025 dürfen die entsprechenden Produkte dann nur noch unter bestimmten Anforderungen in den Markt eingeführt werden
✅ Ziel ist es, Hürden und Barrieren abzubauen und Inklusion zu fördern
Warum ist Barrierefreiheit wichtig?
In Deutschland sind nach Aussagen des Statistischen Bundesamtes 7,8 Millionen Menschen schwerbehindert. Die meisten von ihnen werden dies im Laufe ihres Lebens, z. B. durch Krankheiten, aber viele haben auch von Geburt an eine Behinderung. Dennoch sind viele Webseiten und Onlineshops nicht so gestaltet, dass Menschen mit Behinderung ihre Inhalte vollständig wahrnehmen können.
Hinzu kommt: 24, 7 % der Schwerbehinderten sind über 65 Jahre alt. Im Rahmen des demografischen Wandels ist also ersichtlich, dass es eine große Gruppe von Menschen gibt, die kaum Zugang zu digitalen Inhalten haben. Sie werden als potenzielle Kund:innen im Laufe ihres Lebens von Maßnahmen zur Barrierefreiheit profitieren.
Der Gesetzgeber hat nun auf diese Umstände reagiert. Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), dessen Regelungen ab dem 28. Juni 2025 in Kraft treten, gilt für nahezu alle Personen, die digitale Produkte und Dienstleistungen anbieten. Es lohnt sich also, einen Blick darauf zu werfen und sich vorzubereiten.
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) wurde bereits im Jahr 2021 vom Bundestag beschlossen. Der entscheidende Tag für die Wirkung des Gesetzes ist der 28. Juni 2025. An diesem Tag treten alle Regelungen des Gesetzes in Kraft.
Was heißt eigentlich barrierefrei?
Das Gesetz definiert die Barrierefreiheit: “Produkte und Dienstleistungen sind barrierefrei, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind.” (§ 3 I BFSG).
Das Gesetz zielt darauf ab, Barrierefreiheit bei digitalen Produkten und Dienstleistungen für Verbraucher:innen herzustellen und zu verbessern. Insbesondere geht es darum, Hürden für Menschen mit Behinderungen abzubauen und damit eine inklusive Gesellschaft zu schaffen. Das Gesetz reiht sich in eine Reihe von Gesetzen zur Barrierefreiheit ein. So wurde auch das seit 2001 geltende Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) im Jahr 2018 dahingehend erweitert, dass Webseiten und Online-Anwendungen von Behörden barrierefrei sein müssen.
Was sind die Unterschiede zwischen den Gesetzen zur Barrierefreiheit?
Das BFSG unterscheidet sich vom BGG dahingehend, dass sich die Gesetze an unterschiedliche Adressaten wenden. So richtet sich das BGG an Behörden und staatliche Stellen, die eine Barrierefreiheit garantieren müssen. Das BFSG wendet sich dagegen erstmals auch an private Akteure, die durch das Gesetz dazu angehalten werden, Produkte und Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten.
Digitale Barrierefreiheit in der EU
Grundlage für das Gesetz zur digitalen Barrierefreiheit ist der Europäische Accessibility Act (EAA), eine Richtlinie der Europäischen Union aus dem Jahr 2019. Diese EU-Richtlinie hatte die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, nationale Gesetze zu erlassen, die für mehr Barrierefreiheit sorgen. Die EU setzt mit dieser Richtlinie Vorgaben aus der UN-Behindertenrechtskonvention um.
Ziel der EU-Richtlinie ist es, dass Handelsbarrieren für barrierefreie Güter und Dienstleistungen abgebaut werden. Nach langwierigen und schwierigen Verhandlungen konnten sich die Mitgliedstaaten und die EU-Organe darauf einigen, dass die Richtlinie bestimmt, dass Geräte wie Fernseher, Bankautomaten, E-Books oder Internetseiten des Online-Handels barrierefrei werden müssen.
Worum geht es in dem Gesetz zur digitalen Barrierefreiheit?
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz setzt um, was die EU im Accessibility Act beschlossen hat. Das Gesetz bindet zunächst alle Hersteller:innen, Importeur:innen, Händler:innen und Erbringer:innen von den im Gesetz genannten Produkten und Dienstleistungen (§ 1 BFSG).
B2C oder B2B?
Die Produkte und Dienstleistungen, die im Anwendungsbereich des Gesetzes genannt sind, sind aus dem B2C-Bereich, sie richten sich also direkt an Privatpersonen (= Verbraucher:innen). Produkte und Dienstleistungen aus dem B2B-Bereich sind nicht von den Regelungen umfasst.
Welche Produkte und Dienstleistungen konkret erfasst sind, zeigt der Anwendungsbereich des Gesetzes, der mit der europäischen Richtlinie übereinstimmt. Unter das Gesetz fallen unter anderem Produkte wie
- Computer,
- Tablets,
- Smartphones und
- Selbstbedienungsautomaten wie z.B. Bank-und Fahrkartenautomaten.
Dienstleistungen sind unter anderem
- Telekommunikationsdienstleistungen
- Apps im Personennahverkehr
- E-Books
- Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr genannt.
Was gilt für neue Produkte ab 2025?
Die Produkte, die ab Juli 2025 auf den Markt gebracht werden und unter das Gesetz fallen, müssen verschiedenen Anforderungen entsprechen. Sie müssen:
- den Barriere-Anforderungen genügen
- ein Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen haben
- mit einer EU-Konformitätserklärung ausgestattet sein
- eine CE-Kennzeichnung aufweisen
Wie setzt man digitale Barrierefreiheit um?
Die Anforderungen aus dem Gesetz sollen allerdings nicht dazu führen, dass z. B. Webseiten nun in zwei Ausführungen existieren. Es geht vielmehr darum, Webseiten künftig so zu gestalten, dass sie für alle nutzbar werden.
Dabei ist neben der visuellen Darstellung auch auf die Funktionsweise der Website zu achten. Es gibt viele Punkte, die beachtet werden sollten, wie z. B. eine Schrift, die sich vom Hintergrund abhebt und dafür sorgt, dass sie besser zu lesen ist oder ein größeres Bedienfeld. Aber auch die Barrierefreiheit von Bildern und Videos ist wichtig, diese können etwa durch zusätzliche Wahrnehmungskanäle (z. B. Untertitel, Tags, Beschreibungen) unterstützt werden.
Neben diesen erkennbaren Mechanismen sind auch andere technische Einstellungen relevant. Falls Menschen eine Vorlesesoftware nutzen, sollte diese idealerweise in den Programmcode der Website eingebunden werden können.
Wer nach Tipps sucht, um seine Website bereits jetzt barrierefrei zu gestalten, findet diese z. B. bei der Aktion Mensch.
Fazit
Mit dem Gesetz wird erstmals auch der private Sektor zur Barrierefreiheit verpflichtet. Dienstleistungen und Produkte, die unter den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, müssen in Zukunft bestimmten Anforderungen entsprechen, um zum Markt zugelassen zu werden.
Durch die EU-Richtlinie sind die Anforderungen in allen EU-Staaten harmonisiert. Das Gesetz steht vor dem Hintergrund gemeinsamer europäischer Regelungen, die die UN-Behindertenrechtskonvention umsetzen. Unternehmer:innen und Unternehmen sollten sich Gedanken machen, ob sie und ihre Produkte unter das Gesetz und die entsprechenden Anforderungen fallen und ihre Produkte und Dienstleistungen entsprechend vorbereiten. Das Gesetz gilt ab dem 28.06.2025. Für Verstöße sind Strafen vorgesehen.