Die Vertrauensfrage gehört zu den spannendsten und bedeutendsten politischen Instrumenten im deutschen Bundestag. Wenn ein Bundeskanzler oder eine Bundeskanzlerin diese Frage stellt, geht es um mehr als nur politische Zustimmung. Es geht um die grundlegende Unterstützung des Parlaments für die Regierung und letztlich um die Frage, ob der Regierungschef noch das Vertrauen hat, das Land zu führen. Doch was ist die Vertrauensfrage genau?
Situationen wie diese können historische Weichenstellungen bedeuten – und in manchen Fällen sogar zu Neuwahlen führen. Ein Beispiel: 2005 stellte Gerhard Schröder die Vertrauensfrage und eröffnete damit den Weg zu einer vorgezogenen Bundestagswahl, die Angela Merkel zur Kanzlerin machte. In diesem Beitrag haben wir für dich die Vertrauensfrage einfach erklärt.
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Das Wichtigste in Kürze
✅ Die Vertrauensfrage: Nur der Bundeskanzler Olaf Scholz kann die Vertrauensfrage stellen, um die Unterstützung des Bundestags zu “testen”.
✅ Echte und unechte Vertrauensfrage: Die echte Vertrauensfrage zielt darauf ab, die tatsächliche Unterstützung zu klären. Die unechte Vertrauensfrage wird oft genutzt, um gezielt Neuwahlen herbeizuführen.
✅ Wichtige Beispiele: Kanzler wie Willy Brandt (1972), Helmut Kohl (1982) und Gerhard Schröder (2001 und 2005) haben diese Frage genutzt, um politische Klarheit zu schaffen oder Neuwahlen zu ermöglichen.
✅ Folgen einer verlorenen Vertrauensfrage: Verweigert der Bundestag das Vertrauen, kann der Bundespräsident Neuwahlen ansetzen. Dies führt zu einer politischen Neuordnung und gibt den Wähler:innen die Möglichkeit, über die Regierungsmehrheit abzustimmen.
✅ Vertrauensfrage in Deutschland: Sie bleibt ein wichtiges Machtinstrument für den Bundeskanzler Olaf Scholz, der mit der Entlassung von Bundesfinanzminister Christian Lindner am 6. November 2024 eine neue Klärung der politischen Unterstützung herbeiführen will.
Was ist die Vertrauensfrage?
Die Vertrauensfrage ist ein Instrument im deutschen parlamentarischen System, mit dem der Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin prüfen kann, ob er oder sie noch die Unterstützung des Bundestags hat. Die rechtliche Grundlage dafür findet sich in Artikel 68 des Grundgesetzes (GG).
Dort steht: “Findet ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen 21 Tagen den Bundestag auflösen. Das Recht zur Auflösung erlischt, sobald der Bundestag mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen anderen Bundeskanzler wählt. Zwischen dem Antrage und der Abstimmung müssen 48 Stunden liegen.”
Das bedeutet, dass der Kanzler oder die Kanzlerin durch die Vertrauensfrage direkt die Zustimmung des Parlaments herausfordert. Wird diese Mehrheit nicht erreicht, kann es zu Neuwahlen kommen. Sie spielt eine zentrale Rolle im politischen System Deutschlands, das auf der Idee der parlamentarischen Demokratie beruht. Hier trägt die Bundesregierung – und aktuell der Bundeskanzler Olaf Scholz – die Verantwortung, dass wichtige Entscheidungen im Einklang mit dem Parlament getroffen werden. Das heißt, ohne die Rückendeckung des Bundestags kann Olaf Scholz seine politische Agenda nicht wirksam umsetzen.
Im Kern erfüllt die Vertrauensfrage zwei Zwecke:
- Erstens kann sie der Kanzler oder die Kanzlerin nutzen, um in einer Krise oder nach wichtigen Entscheidungen die Unterstützung des Parlaments zu sichern. Ein erfolgreiches Vertrauensvotum signalisiert dann, dass die Regierung weiterhin fest zusammenhält.
- Zweitens kann sie strategisch eingesetzt werden, um Neuwahlen herbeizuführen, wenn sich die politische Lage grundlegend geändert hat. Dies geschieht, wenn der Kanzler oder die Kanzlerin glaubt, dass sich die politische Lage so stark verändert hat, dass eine neue Bestätigung der Wähler:innen notwendig ist.
- In beiden Fällen dient die Vertrauensfrage dazu, die Regierungsfähigkeit und die Stabilität des politischen Systems zu gewährleisten.
Eine Vertrauensfrage kann also große politische Konsequenzen haben. Ein erfolgreiches Vertrauen des Bundestages stärkt die Position des aktuellen Kanzlers Olaf Scholz. Ein negatives Ergebnis hingegen stellt die Zukunft der Regierung infrage und gibt dem Bundespräsidenten das Recht, den Bundestag aufzulösen. Damit zeigt sie deutlich, wie eng das Schicksal der Regierung und die Stabilität der parlamentarischen Mehrheit miteinander verbunden sind.
Wer kann die Vertrauensfrage stellen?
Die Vertrauensfrage kann ausschließlich der Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin stellen – niemand sonst im politischen System Deutschlands hat diese Möglichkeit. Das liegt daran, dass die Vertrauensfrage eng mit der Rolle als Regierungschef:in verbunden ist. Die Regelungen hierzu sind klar im Grundgesetz festgelegt: Artikel 68 GG sieht vor, dass nur der Kanzler (oder die Kanzlerin) das Parlament um ein Vertrauensvotum bitten kann. Die übrigen Mitglieder des Kabinetts oder einzelne Abgeordnete haben diese Befugnis nicht.
Das Verfahren der Vertrauensfrage sieht vor, dass der Kanzler – in dem Fall Olaf Scholz – den Bundestag offiziell auffordert, über seine Unterstützung zu entscheiden. In der Regel findet darüber eine Abstimmung statt, bei der die Abgeordneten entweder für oder gegen den Antrag auf Vertrauen stimmen. Eine Mehrheit der Bundestagsabgeordneten (also mehr als die Hälfte) muss für den Kanzler stimmen, damit dieser das Vertrauen des Parlaments behält.
Vertrauensfrage einfach erklärt: Ein Beispiel
Die Vertrauensfrage mag zunächst kompliziert klingen, ist aber im Kern ein einfaches Mittel, um die politische Lage zu klären. Mit ihr stellt der Bundeskanzler Olaf Scholz direkt die Frage an das Parlament, ob es ihn weiterhin in seiner Position unterstützt. Falls die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten ihm das Vertrauen ausspricht, bleibt er im Amt. Verliert er jedoch das Vertrauen, hat dies weitreichende Konsequenzen – von einer geschwächten Position des Kanzlers bis hin zur möglichen Auflösung des Bundestags und Neuwahlen.
Beispiel für die Vertrauensfrage in Deutschland
Ein bekanntes Beispiel war Gerhard Schröder im Jahr 2005. Nachdem Schröder schwere Verluste bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen hinnehmen musste, stellte er im Bundestag die Vertrauensfrage. Die Mehrheit der Abgeordneten verweigerte ihm das Vertrauen, und dies führte schließlich zu Neuwahlen, aus denen Angela Merkel als Kanzlerin hervorging. Schröder hatte die Frage hier gezielt genutzt, um die politische Lage in Deutschland neu zu ordnen.
Weitere Beispiele aus Deutschland findest du weiter unten im Abschnitt “Welche Bundeskanzler haben die Vertrauensfrage gestellt”.
Echte und unechte Vertrauensfrage
Es gibt zwei Arten der Vertrauensfrage: die „echte“ und die „unechte“ Vertrauensfrage.
- Die echte Vertrauensfrage stellt der Kanzler, wenn er sich tatsächlich unsicher ist, ob die Abgeordneten ihn und seine Regierung noch unterstützen. Dies passiert oft in Krisensituationen, in denen die Regierungsarbeit von inneren Konflikten oder anderen Schwierigkeiten behindert wird.
- Die unechte Vertrauensfrage hingegen wird strategisch gestellt. In dieser Situation ist der Kanzler meist sicher, dass die Abgeordneten ihm das Vertrauen nicht aussprechen werden. Ziel ist es, Neuwahlen anzustoßen und das Mandat der Regierung durch die Wähler:innen zu erneuern. Ein Beispiel dafür ist Helmut Kohl, der 1982 die unechte Vertrauensfrage stellte (siehe Abschnitt “Welche Bundeskanzler haben die Vertrauensfrage gestellt”).
Durch die Vertrauensfrage, egal ob echt oder unecht, kann der Bundeskanzler Olaf Scholz also gezielt auf eine Bestätigung seines Mandats hinwirken. So zeigt sich, dass die Frage sowohl eine Machtprobe im Bundestag ist als auch eine Möglichkeit, die politische Lage neu zu gestalten. Denn indem Scholz einen solchen Antrag stellt, kann er das politische Mandat der Regierung von den Wähler:innen legitimieren lassen und möglicherweise seine Position festigen.
Der Bundeskanzler und die Vertrauensfrage: Das passiert gerade in Deutschland
Für den Bundeskanzler Olaf Scholz ist die Vertrauensfrage jetzt ein mächtiges Instrument, das er strategisch nutzen kann, um seine Position zu stärken oder politische Klarheit zu schaffen. Die jüngsten Entwicklungen in der Regierung Scholz, die zur Entlassung von Bundesfinanzminister Christian Lindner führten, zeigen, wie schnell eine Regierungskoalition in eine Krise geraten kann. Durch diese Entlassung steht die Ampel-Koalition nun vor dem Aus.
Sollte Scholz sich entscheiden, die Vertrauensfrage zu stellen, könnte er damit entweder seine Mehrheit im Bundestag bestätigen lassen oder, im Falle eines negativen Ergebnisses, den Weg für Neuwahlen freimachen. Ein solches Szenario würde den Wähler:innen die Möglichkeit geben, erneut über die politische Ausrichtung der Regierung abzustimmen und damit möglicherweise eine stabilere Mehrheit für die Zukunft zu sichern.
Was haben Bundestag und Bundespräsident damit zu tun?
Die Vertrauensfrage bindet auch den Bundestag und den aktuellen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Der Bundestag muss über das Vertrauen abstimmen, während der Bundespräsident die Option hat, Neuwahlen anzusetzen, wenn das Vertrauen nicht ausgesprochen wird.
Dieses Zusammenspiel zeigt, wie wichtig das Vertrauen zwischen Parlament und Regierung in der deutschen Demokratie ist. Falls der Bundestag dem Kanzler Scholz das Vertrauen verweigert, liegt es letztlich in der Hand des Bundespräsidenten Steinmeier, ob es zu Neuwahlen kommt oder nicht.
Welche Bundeskanzler haben die Vertrauensfrage gestellt?
Ein Beispiel für die strategische Nutzung der Vertrauensfrage ist Helmut Kohl, der 1982 nach dem erfolgreichen Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt die Kanzlerschaft übernahm. Kohl stellte daraufhin selbst die Vertrauensfrage, wohlwissend, dass sie negativ ausfallen würde. Sein Ziel war es, Neuwahlen herbeizuführen und damit seine Kanzlerschaft durch den Wähler legitimieren zu lassen.
Auch Gerhard Schröder nutzte 2005 die Vertrauensfrage, nachdem seine Regierung an Rückhalt verloren hatte. Schröder sah darin die Chance, Klarheit zu schaffen und letztlich das Mandat der Wähler zu erneuern.
Hier ist die Liste der Bundeskanzler, die in Deutschland eine Vertrauensfrage gestellt haben:
- Willy Brandt (SPD) – 1972 mit dem Grund, Unterstützung für seine Ostpolitik zu sichern. Die Vertrauensfrage führte zu Neuwahlen, die Brandt eine starke Mehrheit brachten.
- Helmut Kohl (CDU) – 1982, nachdem Kohl durch ein Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt ins Amt gekommen war. Er stellte die „unechte“ Vertrauensfrage, um Neuwahlen herbeizuführen und seine Position durch die Wähler zu legitimieren. Die Neuwahlen festigten seine Kanzlerschaft.
- Gerhard Schröder (SPD) – 2001, zur Absicherung der deutschen Beteiligung am Afghanistan-Einsatz und um die Unterstützung der Abgeordneten für seine außenpolitischen Entscheidungen zu gewinnen. Schröder gewann die Vertrauensfrage.
- Gerhard Schröder (SPD) – 2005, aufgrund sinkender Umfragewerte und interner Koalitionsprobleme wollte Schröder Neuwahlen herbeiführen, um die politische Lage zu klären. Die verlorene Vertrauensfrage führte zu Neuwahlen, bei denen Angela Merkel schlussendlich Bundeskanzlerin wurde.
Diese Kanzler haben die Vertrauensfrage genutzt, um in Krisenzeiten entweder ihre Regierungsfähigkeit zu sichern oder eine Bestätigung durch die Wähler:innen anzustreben.#
Neuwahlen: Mögliche Folgen in Deutschland
Die Vertrauensfrage kann in der aktuellen Lage der Ampelkoalition – bestehend aus SPD, Grünen und FDP – große politische Auswirkungen haben. Olaf Scholz als Bundeskanzler hat durch das Instrument der Vertrauensfrage die Möglichkeit, seine Position gegenüber dem Bundestag zu stärken oder bei Vertrauensverlust ab 2025 sogar Neuwahlen herbeizuführen.
Dies wäre besonders relevant, da die Entlassung von Bundesfinanzminister Christian Lindner den wachsenden Konflikt zwischen den Koalitionsparteien verdeutlicht hat. Durch seine Forderungen nach Steuersenkungen und strikten Sparmaßnahmen hat Lindner zuletzt Spannungen innerhalb der Ampelkoalition ausgelöst, die nun die Handlungsfähigkeit der Regierung gefährden könnten.
Wie lange dauert es, bis es zu Neuwahlen kommt?
- Sollte Bundeskanzler Olaf Scholz die Vertrauensfrage stellen und der Bundestag ihm das Vertrauen verweigern, kann Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier entscheiden, den Bundestag aufzulösen. Dies ist allerdings nur innerhalb von 21 Tagen nach dem gescheiterten Vertrauensvotum möglich.
- Nach der Auflösung des Bundestages sind Neuwahlen zwingend vorgeschrieben und müssen innerhalb von 60 Tagen stattfinden. Dieser Ablauf sorgt dafür, dass keine allzu lange politische Lücke entsteht und das Land schnellstmöglich wieder eine arbeitsfähige Regierung erhält.
- Das bedeutet, dass von der Entscheidung des Bundespräsidenten bis zur Neuwahl insgesamt bis zu 81 Tage vergehen können – also fast 3 Monate. Während dieser Zeit bleibt die Regierung jedoch – bis auf die Personen, die als Reaktion auf die Entlassung Lindners zurückgetreten sind – geschäftsführend im Amt.
- Scholz und die Minister würden somit weiterhin die Regierungsarbeit übernehmen, allerdings nur eingeschränkt und ohne neue weitreichende politische Entscheidungen treffen zu können. Diese Übergangszeit ist aber notwendig, um die Neuwahl vorzubereiten und den Parteien die Möglichkeit zu geben, ihren Wahlkampf zu organisieren.
- Der Wahlprozess selbst würde durch die Bundeswahlleitung organisiert werden und müsste sicherstellen, dass die Wahl ordnungsgemäß und fristgerecht abläuft. Danach beginnt die neue Wahlperiode, und die neu gewählten Abgeordneten treten zusammen, um über eine neue Regierung abzustimmen.
Ist es das Ende der Ampelkoalition?
Falls Scholz die Vertrauensfrage stellt und im Bundestag die Mehrheit der Abgeordneten hinter ihm steht, könnte dies das Bündnis stabilisieren und Scholz den Rückhalt geben, seine Regierungsgeschäfte in dieser Zusammensetzung fortzuführen. Dies würde auch zeigen, dass SPD, Grüne und FDP trotz Differenzen weiter geschlossen hinter ihm stehen.
Frank-Walter Steinmeier, der als Bundespräsident eine neutrale Rolle einnimmt, würde in diesem Fall nicht aktiv eingreifen müssen. Eine erfolgreiche Vertrauensfrage könnte Scholz also dabei helfen, seine Kanzlerschaft und die derzeitige politische Linie der Ampelregierung zu festigen.
Was passiert bei Scheitern der Vertrauensfrage?
Sollte Kanzler Scholz die Vertrauensfrage stellen und sie verlieren, wäre dies ein klares Signal dafür, dass die Ampelkoalition gescheitert ist. In diesem Fall hätte Bundespräsident Steinmeier die Möglichkeit, den Bundestag aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen. Dies würde den Wähler:innen ermöglichen, sich erneut über die Zusammensetzung der Regierung und die politische Ausrichtung des Landes zu entscheiden. Kurz: Wir könnten wieder wählen gehen!
Die Konsequenzen einer verlorenen Vertrauensfrage könnten eine Neuordnung der politischen Landschaft in Deutschland bewirken. Denkbar wäre eine Rückkehr zu einer Koalition unter Beteiligung der CDU/CSU oder eine völlig neue Mehrheit im Bundestag. Dies könnte wiederum Auswirkungen auf zentrale Themen wie die Wirtschafts-, Sozial- und Klimapolitik haben, bei denen SPD, Grüne und FDP bislang oft unterschiedliche Ansichten vertreten. Wir bleiben für euch an dem Thema dran!