Ein Behandlungsfehler kann das Leben eines Menschen von Grund auf verändern: eine falsche Diagnose, eine fehlgeschlagene OP oder eine unsachgemäße Behandlung – all das kann schwerwiegende Folgen haben. Wer sich in so einer Situation befindet, hat meist viele Fragen: Wann kann ich meinen Arzt verklagen? Welche Chancen habe ich auf Erfolg und wie kann ich Schmerzensgeld oder Schadensersatz fordern?
Immer mehr Menschen machen von ihrem Recht Gebrauch, Ärzt:innen oder Kliniken für Fehler zur Rechenschaft zu ziehen. Hier erfährst du, was du als Patient:in zur Rechtslage wissen musst, wenn du eine Klage gegen deinen Arzt oder deine Ärztin in Erwägung ziehst.
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Das Wichtigste in Kürze
✅ Wann eine Klage möglich ist: Einen Arzt oder eine Ärztin kannst du verklagen, wenn ein Behandlungsfehler vorliegt, der direkt zu gesundheitlichen Schäden geführt hat. Dazu zählen Diagnosefehler, Therapiefehler und Aufklärungsfehler.
✅ Erfolgsaussichten und Beweislast: Die Erfolgschancen einer Klage hängen meist von der Beweislage ab. So kann etwa ein grober Behandlungsfehler zur Beweislastumkehr führen und deine Chancen auf Erfolg erheblich verbessern.
✅ Schmerzensgeld und Schadensersatz: Je nach Schwere des Schadens kannst du als Patient:in sowohl Schmerzensgeld als auch Schadensersatz für finanzielle Verluste fordern.
✅ Prozesskosten: Ohne Rechtsschutzversicherung kann ein Verfahren teuer werden. Hilfreiche Möglichkeiten zur Finanzierung sind die Prozesskostenhilfe oder die Unterstützung durch Prozesskostenfinanzierungen.
✅ Außergerichtliche Alternativen: Die Schlichtungsstellen der Ärztekammern bieten eine kostenfreie Möglichkeit zur Klärung des Falls. Dies kann auch zu einer Entschädigung für dich führen, ohne direkt vor Gericht zu ziehen.
Wann kann ich meinen Arzt verklagen?
Die Möglichkeit, seine Ärztin oder seinen Arzt zu verklagen, hängt davon ab, ob ein sogenannter Behandlungsfehler vorliegt. Ein Behandlungsfehler bedeutet, dass die Ärztin oder der Arzt seine beruflichen Pflichten verletzt hat – sei es durch eine falsche Diagnose, eine unzureichende Aufklärung oder eine unsachgemäße Behandlung. Damit du tatsächlich Anspruch auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld hast, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein.
Arzt verklagen wegen Behandlungsfehler
Zu den häufigsten Fällen, in denen eine Ärztin oder ein Arzt verklagt wird, gehören Behandlungsfehler. Ein Behandlungsfehler wird gesetzlich vermutet, wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht hat, das für die behandelnde Person voll beherrschbar war und das zur Verletzung deines Lebens, deines Körpers oder deiner Gesundheit geführt hat (§ 630h Abs. 1 BGB).
Beispiel: Wenn eine notwendige Untersuchung unterlassen wird und sich dein Zustand als Patient:in dadurch verschlechtert, kann das als Behandlungsfehler gewertet werden. Auch mangelnde Aufklärung – etwa wenn deine Äzrtin dich nicht ausreichend über Risiken der Behandlung informiert – kann eine Pflichtverletzung darstellen.
Ein Behandlungsfehler kann also in verschiedenen Formen auftreten: Fehlerhafte Untersuchungen, Fehldiagnosen, falsche Behandlungen, unvollständige Aufklärung oder unsachgemäße Nachsorge. Ein Behandlungsfehler ist also dann gegeben, wenn Ärzt:innen gegen die „lege artis“ handeln, also gegen die allgemein anerkannten und gesicherten Regeln der Medizin (§ 630a Abs. 2 BGB), soweit nichts anderes vereinbart wurde. Ein Beispiel dafür wäre eine falsche Medikamentendosierung oder eine fehlerhafte operative Methode, die nicht den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards entspricht.
Unterschiedliche Arten von Behandlungsfehlern
Zu den häufigsten Behandlungsfehlern gehören:
Diagnosefehler: Der Arzt oder die Ärztin stellt eine falsche oder unvollständige Diagnose und leitet daraus eine ungeeignete Behandlung ab.
Therapiefehler: Der Arzt oder die Ärztin wendet die falsche oder eine veraltete Therapie an, z. B. durch das falsche Medikament oder eine unpassende Behandlungsmethode.
Medikationsfehler: Der Arzt oder die Ärztin verschreibt eine fehlerhafte Dosierung oder das falsche Medikament.
Informations- oder Aufklärungsfehler: Der Arzt oder die Ärztin informiert nicht ausreichend über Risiken oder Alternativen, sodass du als Patient:in eine “falsche” Entscheidung triffst.
Fehlende Einwilligung: Der Arzt oder die Ärztin hat die Behandlung durchgeführt, ohne eine entsprechende Einwilligung einzuholen, obwohl diese erforderlich war.
Wer muss den Behandlungsfehler beweisen?
Im Normalfall liegt die Beweislast bei dir als Patient:in. Du musst also nachweisen, dass ein Fehler gemacht wurde und dass dieser zu einem Schaden bei dir geführt hat. Das erschwert oft eine mögliche Klage.
Bei groben Behandlungsfehlern, also schweren Ausnahmefällen, kann das Gericht die Beweislast jedoch umkehren. Das wird als Beweislastumkehr bezeichnet. In diesem Fall muss die behandelnde Person beweisen, dass sie nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards gehandelt hat.
Wie kann man einen Behandlungsfehler nachweisen?
Um einen Behandlungsfehler nachzuweisen, ist oft ein medizinisches Gutachten notwendig. Sachverständige prüfen dann, ob die Behandlung den anerkannten Standards entspricht und ob der Fehler den Schaden verursacht hat. Um deine Erfolgschancen zu erhöhen, kannst du von Anfang an alle relevanten Unterlagen sammeln: Arztberichte, Untersuchungsbefunde, Krankenhausprotokolle und Medikamentenlisten können als Beweismittel dienen.
Für diesen Fall gibt es auch unabhängige Gutachter:innen oder die Schlichtungsstellen der Ärztekammern, die eine kostenfreie Prüfung vornehmen können. Gutachten sind aber nicht nur in Gerichtsverfahren hilfreich, sondern auch bei außergerichtlichen Einigungen und Schlichtungen.
Eine Anwältin oder ein Anwalt für Medizinrecht hilft gerne dabei, die notwendigen Beweise und Gutachten zu sichern und strategisch vorzugehen, um deinen Anspruch auf Schmerzensgeld oder Schadensersatz durchzusetzen. Bevor du jedoch eine Klage anstrebst, kannst du zunächst ein klärendes Gespräch mit deinem Arzt oder deiner Ärztin suchen oder dich an die Schlichtungsstelle der Ärztekammer wenden. Oft lassen sich Konflikte so schneller und unkomplizierter lösen. Sollten die Verhandlungen erfolglos bleiben, kannst du anwaltliche Unterstützung einholen.
Schmerzensgeld oder Schadensersatz: Welche Entschädigung ist möglich?
Wenn du durch einen Behandlungsfehler körperliche oder gesundheitliche Schäden erlitten hast, kannst du unter Umständen Schadensersatz verlangen. Dabei fällt häufig auch der Begriff Schmerzensgeld. Dieses soll dein erlittenes Leid ausgleichen, während der Schadensersatz für finanzielle Verluste aufkommt.
Schmerzensgeld: Entschädigung für erlittenes Leid
- Schmerzensgeld dient dazu, das körperliche und psychische Leid auszugleichen, das durch den Behandlungsfehler entstanden ist (§ 253 BGB). Es gleicht den sogenannten immateriellen Schaden aus.
- Die Höhe des Schmerzensgeldes hängt von der Schwere der Verletzungen, der Dauer der Beeinträchtigung und den psychischen Auswirkungen ab.
- Bei schweren Schäden, die zu dauerhaften Einschränkungen führen, fallen in der Regel höhere Summen an. Gerichtsurteile orientieren sich oft an anderen vergangenen Urteilen, um vergleichbare Fälle heranzuziehen.
Schadensersatz: Ersatz für finanzielle Verluste
- Der Schadensersatz deckt alle finanziellen Nachteile ab, die durch den Behandlungsfehler entstanden sind. Es geht um den materiellen Schaden.
- Medizinische Folgekosten: Ersetzt werden Kosten für zusätzliche Behandlungen, Medikamente oder Reha-Maßnahmen.
- Verdienstausfall: Ersetzt werden entgangene Einnahmen, etwa wenn du aufgrund der Folgen des Behandlungsfehlers arbeitsunfähig bist.
- Zukünftige Kosten: Wenn durch den Fehler dauerhafte Gesundheitskosten entstehen, können diese ebenfalls geltend gemacht werden.
Für die Durchsetzung von Schmerzensgeld und Schadensersatz ist eine gute Beweislage entscheidend. Medizinische Gutachten und detaillierte Arztberichte sind zwingend notwendig. Spezialisierte Anwält:innen können dir helfen, die Höhe des Anspruchs realistisch zu berechnen und bei Gericht geltend zu machen. Falls eine außergerichtliche Einigung erzielt wird, kann diese ebenfalls zu einer Entschädigung führen, nur ohne die Kosten und den Aufwand eines Gerichtsverfahrens.
Die Entschädigungssumme wird anhand von Faktoren wie der Dauer der Erkrankung, der Schwere der Beeinträchtigung und ggf. den persönlichen Merkmalen der geschädigten Person (z. B. Alter, Gesundheitszustand) berechnet. Seine Ärztin oder seinen Arzt zu verklagen, ist für viele Betroffene ein schwerer Schritt, doch bei schweren Behandlungsfehlern und erlittenen Schäden kann dies ein wichtiger Weg sein, um Gerechtigkeit und Entschädigung zu erhalten.
Ich möchte meinen Arzt verklagen: Wie stehen die Chancen auf Erfolg?
Die Erfolgsaussichten einer Klage gegen einen Arzt oder eine Ärztin hängen von mehreren Faktoren ab. Darunter fallen etwa das Vorliegen und die Schwere des Behandlungsfehlers und die Beweislage.
Wir nennen im Folgenden die wichtigsten Punkte, die du kennen solltest, um deine Chancen besser einschätzen zu können. Dies ersetzt jedoch keine Rechtsberatung durch spezialisierte Anwält:innen im Medizinrecht. Wende dich hierzu bitte direkt an erfahrene Expert:innen aus diesem Bereich.
Grundsätzlich gilt: Je eindeutiger ein Fehler nachweisbar ist, desto besser stehen die Chancen. Insbesondere bei groben Behandlungsfehlern, bei denen klar gegen medizinische Standards verstoßen wurde, kann das Gericht zu deinen Gunsten entscheiden. In solchen Fällen findet oft eine Beweislastumkehr statt – der Arzt oder die Ärztin muss dann beweisen, dass das Vorgehen nicht zum Schaden geführt hat.
Die Jahresstatistik 2023 zur Behandlungsfehler-Begutachtung der Medizinischen Dienste zeigt, dass im Jahr 2023 insgesamt 12.438 Fälle von vermuteten Behandlungsfehlern untersucht wurden. Die Gutachter:innen stellten in 3.595 dieser Fälle tatsächlich einen Fehler fest.
Dabei wurde in 3.160 Fällen ein Gesundheitsschaden dokumentiert, und in 2.679 Fällen konnte eine direkte Kausalität zwischen Fehler und Schaden nachgewiesen werden.
Ergebnisse aus der Statistik (2023)
🧠 Fehlerquoten nach Fachgebieten:
Der Großteil der Fehler ereignete sich in der Orthopädie und Unfallchirurgie, gefolgt von der Inneren Medizin und der Frauenheilkunde. Besonders auffällig ist der Bereich Pflege mit einer hohen Fehlerquote von 66,9 % bei den überprüften Vorfällen.
💡 Art der Fehler:
Die häufigsten Fehler resultierten aus nicht oder fehlerhaft durchgeführten Maßnahmen (etwa 78,4 % der Fälle). In einigen Fällen wurde die erforderliche Maßnahme zeitlich zu spät durchgeführt.
❌ Schadenstypen und Schweregrad:
In rund 68,8 % der Fälle, bei denen ein Schaden mit Todesfolge auftrat, konnte eine direkte kausale Verbindung zum Behandlungsfehler hergestellt werden.
Vorübergehende Schäden waren jedoch mit etwa 66 % am häufigsten, wobei in ca. 32 % der Fälle eine Krankenhausaufnahme oder -verlängerung notwendig wurde.
🙋🏻♀️ Geschlechterverteilung
Mehr Gutachten wurden für Frauen (57,2 %) als für Männer erstellt, wobei die Fehlerquote bei Frauen leicht höher ausfiel.
Quelle: Jahresstatistik 2023 zur Behandlungsfehler-Begutachtung der Medizinischen Dienste
Das bedeutet, dass in etwa einem Viertel der Fälle ein Fehler festgestellt wird, wobei jedoch nicht jeder dieser Fälle zu einer erfolgreichen Klage führt. Die Durchsetzung einer Klage hängt nämlich auch von der Beweislage und der Unterstützung durch Gutachten ab.
Welche Erfahrungen haben Patienten gemacht?
Wenn Patient:innen ihre Ärztin oder ihren Arzt verklagen, haben sie häufig bereits einen langen Leidensweg hinter sich. Viele Betroffene teilen Erfahrungen über Hürden im Verfahren und die Belastung, die solche Prozesse mit sich bringen. Dabei variieren die Erfolgschancen stark.
Patient:innen berichten oft, dass sie Beweismittel schwer beschaffen können und sich Ärzt:innen durch die ärztliche Schweigepflicht absichern. Die Kommunikation mit Ärzt:innen gestaltet sich dabei oft schwierig. Viele Betroffene fühlen sich verunsichert, da die Verfahren sehr fachlich und langwierig sind – Gerichtsprozesse bei Behandlungsfehlern können sich über Jahre hinziehen.
Ein Gutachten kann für den Prozess entscheidend sein. Doch diese Gutachten sind nicht immer einfach zu beschaffen und können hohe Kosten verursachen. Manche Patient:innen klagen über Verzögerungen, weil Sachverständige und Gutachter:innen auf sich warten lassen. Doch ohne ein stichhaltiges Gutachten ist es schwierig, im Verfahren Erfolg zu haben.
Außergerichtliche Einigung
Viele Patienten berichten, dass sie über die Schlichtungsstelle der Ärztekammer eine schnelle und kostengünstige Lösung erzielen konnten, ohne die Belastung eines Prozesses auf sich zu nehmen.
Ein Rechtsstreit gegen Ärzt:innen und Krankenhäuser ist für viele psychisch belastend, da der Prozess Erinnerungen an den medizinischen Vorfall wachruft. Die Aussicht auf Schmerzensgeld oder Schadensersatz motiviert jedoch viele Patienten, dennoch vor Gericht zu ziehen. Für andere ist es eine Frage der Gerechtigkeit – sie möchten verhindern, dass ähnliche Fehler bei anderen Patient:innen passieren.
Eine Anwältin oder ein Anwalt im Medizinrecht kann einschätzen, ob dein Fall Erfolgsaussichten hat. Sie oder er hilft dabei, die notwendigen Gutachten und Beweise zusammenzutragen und damit das Risiko eines Verfahrens abzuschätzen.
Arzt verklagen ohne Rechtsschutz – welche Optionen habe ich?
Ein Verfahren gegen Ärzt:innen oder medizinische Einrichtungen kann teuer werden, vor allem, wenn keine Rechtsschutzversicherung besteht. Aber auch ohne Rechtsschutz gibt es Möglichkeiten, die Kosten abzufedern und finanzielle Unterstützung zu erhalten. Hier erfährst du, welche Optionen dir zur Verfügung stehen, um dein Recht durchzusetzen.
Prozesskostenhilfe
Für Personen mit geringem Einkommen besteht die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe (PKH) zu beantragen. Die Prozesskostenhilfe deckt die Gerichts- und Anwaltskosten ab und kann damit einen wichtigen Beitrag zur Finanzierung des Verfahrens leisten. Voraussetzung dafür ist, dass der Fall nicht offensichtlich aussichtslos ist. Das ist der Fall, wenn er “hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint” (§ 114 ZPO).
Den Antrag auf Prozesskostenhilfe reichst du bei Gericht ein, danach wird er überprüft. Die Prozesskostenhilfe kann dir entweder die gesamten Kosten abnehmen oder – je nach finanziellem Rahmen – die Zahlungen über Raten ermöglichen.
Prozesskostenfinanzierung
Eine weitere Option sind Prozesskostenfinanzierungen. Diese Unternehmen übernehmen die Kosten für das Verfahren und erhalten im Gegenzug im Erfolgsfall einen Teil der Entschädigung. Der Vorteil ist klar: Du gehst keine eigenen finanziellen Risiken ein und kannst deinen Fall erfolgreich vor Gericht durchsetzen.
Allerdings wird der Anspruch auf Entschädigung im Erfolgsfall teilweise an den Prozesskostenfinanzierer abgetreten – die genaue Beteiligung hängt vom jeweiligen Anbieter ab. Du solltest dir die Bedingungen im jedem Fall aufmerksam durchlesen und ggf. vorher deine offenen Fragen stellen.
Gut zu wissen
Oft ist diese Form der Finanzierung nur für Fälle verfügbar, bei denen hohe Schmerzensgeld- oder Schadensersatzansprüche zu erwarten sind.
Kostenfreies Gutachten über die Schlichtungsstelle
Schlichtungsstellen der Ärztekammer bieten Patienten ein kostenfreies Gutachten an. Diese Prüfung ist zwar keine Klage, aber ein erster Schritt zur Klärung des Falls. Ein Gutachten über eine Schlichtungsstelle kannst du später als Beweismittel verwenden und das Verfahren somit beschleunigen. Für viele Patient:innen ist dies eine kostengünstige Möglichkeit, eine unabhängige Einschätzung zu erhalten.
Unabhängige Patientenberatung
Patientenberatungen, wie die Stiftung Unabhängige Patientenberatung Deutschland, bieten unverbindliche Unterstützung und Beratung an. Hier kannst du Informationen über deine Rechte und mögliche nächste Schritte erhalten. Diese Beratungen helfen auch bei der Frage, wie du deinen Fall vorab rechtlich absichern kannst, und beraten zu alternativen Finanzierungsmöglichkeiten.
Anwaltliche Rechtsberatung
Bevor du ein kostenintensives Verfahren anstrebst, kann ein Gespräch mit einer Anwältin oder eine Anwalt für Medizinrecht hilfreich sein. Viele Anwält:innen bieten eine Erstberatung zu einem festen Preis an oder vereinbaren, bei Aussicht auf Erfolg, erfolgsabhängige Honorare.
Erfahre mehr zum Thema: Was kostet ein Beratungsgespräch beim Anwalt?
Oft arbeiten Anwält:innen auch mit kostenlosen Ersteinschätzungen, um herauszufinden, inwiefern sie dir helfen können. Eine auf das Medizinrecht spezialisierte Kanzlei kann dir genau aufzeigen, welche Kosten entstehen könnten und ob es sich lohnt, den Prozess zu riskieren.
Arzt verklagen wegen falscher Diagnose – wann ist das möglich?
Eine falsche Diagnose kann erhebliche Folgen für die Gesundheit und Lebensqualität eines Patienten oder einer Patientin haben. Wenn durch die falsche Diagnose Schäden entstanden sind, stellt sich oft die Frage, ob die Ärztin oder der Arzt haftbar gemacht werden kann und eine Klage Aussicht auf Erfolg hat.
Eine falsche Diagnose liegt vor, wenn eine Ärztin oder ein Arzt deine Erkrankung nicht erkennt oder falsch interpretiert und dadurch eine ungeeignete Behandlung einleitet. Beispiele dafür sind, wenn eine ernsthafte Erkrankung wie Krebs oder eine Infektion übersehen wird oder Ärzt:innen eine harmlose Krankheit als schwere Erkrankung diagnostizieren.
Falsche Diagnose oder Fehldiagnose: Was ist der Unterschied?
Obwohl die Begriffe „falsche Diagnose“ und „Fehldiagnose“ oft synonym verwendet werden, gibt es im rechtlichen Kontext Unterschiede, die für eine mögliche Klage relevant sind:
Eine Fehldiagnose bedeutet nicht nur, dass eine Krankheit falsch erkannt wurde, sondern oft, dass wichtige Untersuchungen nicht durchgeführt oder Symptome falsch interpretiert wurden.
Eine falsche Diagnose bezeichnet hingegen “nur” eine Diagnose, die zwar gestellt wurde, aber nicht zutraf.
Wenn eine falsche Diagnose zu einem körperlichen oder gesundheitlichen Schaden führt, können Patient:innen unter Umständen Schadensersatz oder Schmerzensgeld fordern. Hierbei gilt jedoch, dass die falsche Diagnose den Schaden kausal verursacht haben muss. Die Rechtsprechung sieht bei nachweisbaren Schäden oft hohe Schmerzensgelder vor.
Eine falsche Diagnose wird dann zum Klagegrund, wenn sie einen nachweisbaren Schaden verursacht hat. Die Ärztin oder der Arzt muss die Diagnose nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards (§ 630a BGB) stellen. Wenn diese Standards nicht beachtet und dadurch eine Erkrankung übersehen oder falsch behandelt werden, kann ein Behandlungsfehler vorliegen.
Wie kann ich meinen Arzt auf Schmerzensgeld verklagen?
Schmerzensgeld ist eine finanzielle Entschädigung, die du verlangen kannst, wenn du durch einen Behandlungsfehler körperliche oder gesundheitliche Schäden erlitten hast. Anders als bei einem Schadensersatz geht es beim Schmerzensgeld nicht nur um die reine Kostenübernahme, sondern auch um den Ausgleich des erlittenen Leids.
Um Schmerzensgeld fordern zu können, musst du nachweisen, dass die Ärztin oder der Arzt durch eine fehlerhafte Behandlung, falsche Diagnose oder unzureichende Aufklärung deine Gesundheit beeinträchtigt hat. Der Schaden muss direkt durch das Fehlverhalten des Arztes oder der Ärztin entstanden sein. Hierzu zählt mittlerweile nicht nur die physische Beeinträchtigung, sondern unter Umständen auch psychisches Leiden – etwa Angststörungen oder Depressionen infolge eines groben Behandlungsfehlers.
Schmerzensgeldtabellen
Die Höhe des Schmerzensgeldes variiert stark und richtet sich nach Art und Schwere des Schadens. In Deutschland gibt es auf einigen Kanzleiseiten Schmerzensgeldtabellen, in denen vergleichbare Fälle und Urteile festgehalten sind, um die Höhe des Schmerzensgeldes realistisch einzuschätzen.
Ein medizinisches Gutachten ist oft ausschlaggebend, um die Schwere der Verletzungen oder die Folgen des Fehlers zu belegen. In vielen Fällen lässt sich der Schmerzensgeldanspruch nur durch ein Gutachten durchsetzen. Dabei wird genau geprüft, ob die Beschwerden auf den Behandlungsfehler zurückzuführen sind und ob diese temporär oder langfristig bestehen.
Um eine realistische Schmerzensgeldforderung zu stellen, ist es ratsam, sich von einer Anwältin oder einem Anwalt für Medizinrecht beraten zu lassen. Diese können anhand ihrer langjährigen Erfahrung mit ähnlichen Fällen und den einschlägigen Urteilen aus dem Medizinrecht die Höhe der Forderung einschätzen und durchsetzen.
Arzt verklagen nach einer OP: Das solltest du wissen
Komplikationen nach einer Operation können schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben und für Patient:innen oft belastend sein. Doch nicht jede Komplikation nach einer OP ist automatisch ein Behandlungsfehler. Wir zeigen dir, was du zur Rechtslage wissen musst. Wende dich für eine verbindliche Auskunft jedoch bitte an erfahrene und spezialisierte Anwält:innen.
Ärzt:innen haften in der Regel nach einer Operation, wenn ein Behandlungsfehler vorliegt, der sich nach der OP negativ auf dein Leben, deinen Körper oder deine Gesundheit auswirkt. Das kann eine unsachgemäße Durchführung des Eingriffs sein, aber auch eine unzureichende Nachsorge. Auch Aufklärungsmängel, also das Fehlen wichtiger Informationen über Risiken und Alternativen, können zu einer Haftung führen. Wichtig ist, dass der Schaden direkt auf diesen Fehler zurückzuführen ist.
Typische OP-Fehler
Fehler während einer OP können viele Formen annehmen, z. B. ein versehentliches Verletzen von Organen oder Nerven, eine falsche Medikamentenverabreichung oder eine unsachgemäße Hygiene.
Auch unvollständige OP-Dokumentationen, die wichtige Informationen für die Nachsorge fehlen lassen, können als Behandlungsfehler gelten.
Aufklärungspflicht des Arztes
Vor einem Eingriff müssen Ärzt:innen umfassend über die Risiken, den Ablauf und mögliche Alternativen zur Operation aufklären (§ 630e BGB). Kommt es zu Komplikationen, die im Aufklärungsgespräch verschwiegen oder verharmlost wurden, kann das ein Klagegrund sein. Ärzt:innen dürfen dir keine unrealistischen Erwartungen vermitteln – das Aufklärungsgespräch muss neutral sein und alle typischen Risiken abdecken. Wenn Ärzt:innen diese Aufklärung unterlassen oder unvollständig führen und du dadurch eine falsche Entscheidung triffst, kann das vor Gericht enden.
Ein Beispiel: Der Arzt klärt nicht über mögliche Nebenwirkungen auf und es kommt zu Komplikationen, die du ganz sicher durch eine Entscheidung dagegen vermieden hättest, wenn du von ihnen gewusst hättest.
Auch bei einer OP-Klage liegt die Beweislast zunächst bei dir. Eine gut dokumentierte Krankenakte kann wichtig sein, um die Abläufe nachzuweisen und den Zusammenhang zwischen OP-Fehler und Gesundheitsschaden zu belegen. Die Dokumentation muss alle Schritte des Eingriffs enthalten. Falls Unterlagen fehlen, kann das Gericht die Beweislast zu deinen Gunsten umkehren – dies ist vor allem bei groben Dokumentationsmängeln der Fall.
Eine Schlichtung kann zu einer schnellen und kostengünstigen Einigung führen. Auch medizinische Gutachten können bereits in der Schlichtungsphase hilfreich sein und eine Grundlage für weitere rechtliche Schritte bieten.
Mit welchen Kosten muss ich rechnen, wenn ich meinen Arzt verklagen will?
Ein Gerichtsverfahren gegen Krankenhäuser, medizinische Einrichtungen oder Ärzt:innen kann kostenintensiv sein. Viele Patient:innen fragen sich, welche finanziellen Belastungen auf sie zukommen. Wir geben dir einen ersten Überblick über die Gerichtskosten, Anwaltshonorare und die Erstellung von Gutachten.
Die Gerichtskosten hängen vom Streitwert ab, also von der Höhe der geforderten Entschädigung. Bei einer Schadensersatzklage im fünfstelligen Bereich können die Kosten leicht einige tausend Euro betragen. Zusätzlich fallen Anwaltskosten an, die sich ebenfalls am Streitwert orientieren und nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) berechnet werden, wenn keine andere Vereinbarung vorliegt. Diese Kosten erhöhen sich, wenn das Verfahren durch mehrere Instanzen geht.
Ein medizinisches Gutachten ist oft entscheidend und entsprechend teuer. Die Kosten für ein Gutachten können sich auf mehrere hundert bis tausend Euro belaufen, abhängig vom Umfang und der Fachrichtung der Person, die das Gutachten erstellt. Ein kostenloses Gutachten bekommst du als Patient:in bei der Schlichtungsstelle der Ärztekammer.
Ohne eine Rechtsschutzversicherung kann ein Verfahren schnell zur finanziellen Belastung werden. Prozesskostenhilfe ist daher eine wichtige Option für Personen mit geringem Einkommen. Diese deckt Anwalts- und Gerichtskosten ab, wenn der Fall nicht komplett aussichtslos erscheint. Falls du eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen hast, kann diese die Kosten für eine Klage übernehmen, solange es sich um eine medizinrechtliche Absicherung handelt. Prüfe am besten vorab die Versicherungsbedingungen.
In vielen Fällen lohnt es sich, eine Schlichtung oder eine außergerichtliche Einigung anzustreben. Diese Verfahren sind in der Regel günstiger als ein Gerichtsprozess. Die kostenlosen Gutachten der Schlichtungsstellen der Ärztekammern kannst du später auch vor Gericht verwenden, falls eine Einigung nicht gelingt.